Seite - 106 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Archäologisches Bild von Kärnten/Koroška im Frühmittelalter.
Peter am Bichl (Šenpeter
na Gori). Rekonstruktion
der Inschrift Otker Radozlav
(Franz Glaser, Landesmuse-
um Kärnten)
Gori kann als Doppelname des letzten karantanischen
Fürsten Etgar gedeutet werden (→ Duces Carantano-
rum), dem Mäzen des künstlerischen Meisterwerkes.
Gleichzeitig zeigt es den Prozess der →
Akkulturation
auf, die in → Karantanien vor sich ging.
Die jeweils zwei Kirchengruppen, Machtbereiche
und Gruppen von Flechtwerksteinen entsprechen zwei
ehem. römischen Verwaltungszentren, Virunum und
Teurnia. Bei ihnen finden sich auch zwei verwandte
symbolhafte Raumstrukturen, die im Einklang mit dem
alten slawischen Glauben den Raum ordnen. Bei beiden
entstanden in der Folge, nicht jedoch vor der 2. Hälfte
des 9. Jh.s, große Festungen mit sorgsam angelegten
Schutzwällen : Hochgosch über dem Milltstätter See
(Milštatsko jezero) und → Karnburg/Krnski grad. All
das deutet auf das Bestehen von zwei getrennten sla-
wischen Fürstentümern hin : Liburnien/Liburnija und
Karantanien/Karantanija. Die Geschichtsschreibung,
die nur auf schriftlichen Quellen beruht, hat Liburnien
bisher nicht wahrgenommen. Die beiden Fürstentümer
wurden in der Folge im Rahmen der Verwaltungsreform
in der ersten Hälfte des 9. Jh.s vereint in eine größere
territoriale Einheit, die den Namen Karantanien/Ka-
rantanija behalten hatte sowie die Tradition der Fürs-
teneinsetzung am Zollfeld/Gosposvetsko polje. Von
dieser Zeit an spricht man von karantanischen Slawen
auf dem Gebiet des heutigen Kärnten/Koroška, in Ost-
tirol, in einem Gutteil der Steiermark/Štajerska und im
Lungau. Mit der Verbreitung des Begriffs Karantanien/
Karantanija im letzten Viertel des 10. Jh.s gegen Sü-
den und Südwesten bis Istrien und dem nordöstlichen
Italien wurde die Grundlage für eine verallgemeinerte
Perzeption der späteren mittelalterlichen Autoren ge-
schaffen, dass Karantaner (Carinthier) den Raum zwi-
schen Tschechien (Böhmen) und Mähren im Norden
sowie Ungarn und Dalmatien im Osten und im Süden
besiedelten, die nach ihrer Sprache und ihren Bräuchen
den Slawen anderswo ähnlich waren.
Das Fürstentum in Oberkärnten/Zgornja Koroška,
das schriftliche Quellen im 9. Jh. als Liburnia bezeich-
nen und aus dem sich in der Folge die Grafschaft Lurn
(slow. Lurnska grofija) entwickeln sollte, brachte den
legendären Fürsten → Domitian von Millstatt/
Domicijan hervor. Das Kloster in Millstatt (Milštat)
bewahrt noch heute seine Reliquien und seinen Grab-
stein auf. Unter seiner Schirmherrschaft entstand das
Männerkloster in Molzbichl und das Frauenkloster in
Millstatt (Milštat). Beide Klöster schufen jenen intel-
lektuellen Rahmen, der die ersten schriftlichen Zeug- nisse in einer slawischen Sprache hervorbrachte und
der den Beginn und die Wurzeln der späteren →
Frei-
singer Denkmäler der slowenischen Schriftsprache
darstellt (→ Modestus, → Maria Saal/Gospa Sveta).
Diese Texte und der karantanische Ritus der Fürsten-
einsetzung sind der Beweis für das Vorhandensein ei-
ner slawischsprachigen Elite, die zur Slawisierung der
altansässigen Vlahi (→ Walchen) beitrug. Diese lebten,
wie es die Funde am Hemmaberg/Rozalija im Jauntal/
Podjuna belegen, noch lange Zeit im 7. Jh. in ihren Hö-
hensiedlungen, wobei es bereits zu Handel und anderen
Kontakten mit den Slawen in der Ebene kam. Langsam
siedelten die Walchen in der Ebene und vermischten
sich mit den dortigen Slawen.
Das Wissen der Vlahi (Walchen) war entscheidend
für das Überleben im gegebenen natürlichen Umfeld.
Ihr Wissen und der Transfer des Wissens sind gut
ersichtlich bei der Töpferei, wo in zahlreichen Fällen
keine klare Trennlinie zwischen den früheren spätanti-
ken und den späteren frühmittelalterlichen Artefakten
gezogen werden kann (→ Inkulturation ; → Kontinui-
tät ; → Terminologie, christliche).
Schmuck zählt zu den attraktivsten Erzeugnissen.
Dieser wurde mit jenem Wissen hergestellt, der auf
die mediterrane Überlieferung zurückzuführen ist, sei
es unmittelbar, sei es über den pannonischen Raum
oder über die Gebiete des fränkischen Staates. Lokale
Merkmale deuten auf die hohe Wahrscheinlichkeit des
Bestehens einheimischer Werkstätten.
Der vorherrschende Bestattungsritus bei der slawi-
schen Bevölkerung im 7. Jh. war die Brandbestattung.
Obwohl solche Gräber im gesamten slawischen Raum
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55