Seite - 130 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Bild der Seite - 130 -
Text der Seite - 130 -
130
Aufklärung
ten für rege Pressetätigkeit und stellten Schulbücher
und fachspezifische Literatur für das Volk zusammen.
Wie überall in Mitteleuropa treffen wir auch in Kärn-
ten/Koroška auf die A., überwiegend in ihrer pragma-
tisch-praktischen oder sogar volksnahen Form. Da es
hier weder größere slowenische Städte noch eine nen-
nenswerte slowenische Aristokratie bzw. Bürgertum
gab, waren die Träger der aufklärerischen pragmatischen
Ideen vor allem Geistliche, die gleichzeitig fast die einzi-
gen Vertreter der slowenischsprachigen Bildungsschicht
darstellten (→ Spätjansenismus, M. → Ravnikar).
Der aufgeklärte Absolutismus und der Jansenismus
erreichten Kärnten/Koroška zuerst, vor allem unter dem
Einfluss der aufgeklärten Machthaber, deren Reformen,
obwohl sie schrittweise durchgeführt wurden (persön-
liche Freiheit, Robotpatent, Schulpflicht), zweifelsohne
zur Schaffung günstiger Voraussetzungen für die zu-
künftigen kulturellen, sprachlichen, technologischen
und wirtschaftlichen Entwicklungen verholfen hatten.
Von besonderer Bedeutung für die Kärntner Bil-
dungsschicht ist zudem der Zirkel um Zois oder das
Wirken des Kreises um Janez Nepomuk → Primic
in Graz sowie die Akademie von St. Urban (svetour-
banska akademija). Hervorzuheben ist zudem der Aus-
tausch zwischen → Klagenfurt/Celovec, → Ljubljana
und Graz, was sich auch im Anstieg verschiedener Ver-
eine niederschlägt. So wurde 1814 der Gelehrtenver-
band Večerno društvo [Abendgesellschaft] gegründet, in
welchem sich u. a. Franz → Grundtner (1767–1827)
und Matija →
Ahacel (1779–1845) engagierten. Die
Zeitschrift → Carinthia, die 1811 ins Leben geru-
fen worden war, sowie das Sammelwerk Kärntnerische
Zeitschrift (nach 1819) standen im Zusammenhang der
A. Die praxisorientierten Wissenschaften wurden im
Rahmen bäuerlicher Vereine unter das Volk gebracht,
die um den Fortschritt auf dem Lande bemüht waren,
wo zu jener Zeit überwiegend Slowenen lebten. Bereits
1764, und damit um fünf Jahre eher als in Ljubljana,
gründete man den Bauernverein Kmetijska družba in
Klagenfurt/Celovec, ein Jahr darauf die Sonntagsschule
für handwerklich-technische Berufe. In Klagenfurt/
Celovec gab es außerdem den nach dem Kunstmäzen
und Industriellen benannten Herbert-Kreis (1822), der
mit Anhängern der Philosophie Kants in Kontakt stand.
Unter den Einrichtungen mit pragmatischer aufklä-
rerischer Orientierung bedarf das Priesterseminar von
Klagenfurt/Celovec besonderer Erwähnung, wo sich ab
1821 Anton Martin → Slomšek v. a. für die slowe-
nische Sprache engagierte, und so einer der einfluss- reichsten slowenischen Aufklärer wurde, der so man-
chen Landsmann für das Slowenische, aber ebenso für
Wissen und Fortschritt zu begeistern vermochte. Der
aufklärerische Gedanke zeichnete sich außerdem im
Wirken von Oswald → Gutsmann, Andrej →
Ein-
spieler, Anton → Janežič usw. ab. Die Quelle der
Energie, aus welcher sowohl die großen Gelehrten als
auch Lehrer und Pfarrer bei ihren aufopfernden Be-
mühungen um eine universale Modernisierung und A.
des Volkes schöpften, war in der A. selbst verwurzelt.
Die Gebundenheit an die slowenische Sprache, also die
Sprache des Volkes, war in ihrem kulturellen Engage-
ment begründet, das auf diese Weise eine aufklärerisch-
nationale Prägung annahm.
Diese »späten« aufklärerischen Impulse beflügelten
auch die Begründer des Volksverlags → Mohorjeva, de-
ren Hauptanliegen, den ideologischen Konventionen
des 18. Jh.s entsprechend, in der Volksbildung sowie im
Wecken des Nationalbewusstseins lag. Diese Bestre-
bungen im aufklärerischen Sinne umschrieb Slomšek
mit folgenden Worten : Glejte, ena luč Slovencem gor gre
[Seht, ein Licht geht den Slowenen auf]. Mit der Mo-
horjeva wurde Klagenfurt/Celovec zum Sitz des größ-
ten und kulturell sowie literarisch breit gefächerten Ver-
lagshauses der slowenischen Länder (→
Bukovništvo).
Die Kraft der neuartigen Ideen ist darüber hinaus im
Programm eines Vereinten Sloweniens (→ Zedin-
jena Slovenija) gleichsam spürbar, in welchem Matja
→ Majar schrieb, dass resnice večna luč [je] žalostne
dni dolge in bridke sužnosti končala [das ewige Licht der
Wahrheit den traurigen Tagen der langen und bitteren
Sklavenschaft ein Ende bereitet hat]. Auch seine Zeit-
schrift Slavjan war den Slavjane književne in razsvetl-
jene [den literaturkundigen und aufgeklärten Slawen]
zugedacht (→ Preporod).
Die A. sowie die kulturellen Aktivitäten, die sich aus
ihr entwickelt hatten, stellten gegen Ende des 18. Jh.s
und zu Beginn des 19. Jh.s eine genuine Motivations-
quelle für eine immense Anzahl slowenischer Intellek-
tueller. Sie führten schließlich die sog. slowenischen
Länder in die Gegenwart hinüber, womit sie ihnen eine
besondere Gestalt verlieh, die bei Weitem noch nicht in
allen ihren Dimensionen erforscht ist.
Lit.: F. Kidrič (Hg.) : Korespondenca Janeza Nepomuka Primca :1808–
1813. Ljubljana, Znanstveno društvo, 1934 (Reihe Korespondence
pomembnih Slovencev ; 1[a]) ; I. Prijatelj : Duševni profili slovenskih
preporoditeljev. Ljubljana 1935 ; J. Morskoi : Die slowenische Wiederge-
burt im Lichte der deutschsprachigen Publizistik von 1800–1850. Wien
1954 ; E. Ermatigen : Deutsche Kultur im Zeitalter des Aufklärung.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55