Seite - 132 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Awaren
Palacký hatte diesen Satz nach einem Komma wei-
ter geführt »…, wenn er seine Aufgaben erfüllt hätte …«]
in der Zeitschrift Slovenija vom 12. Dezember 1848
in Ljubljana. Seit dem → Slawenkongress in Prag
(1848) hatte der A. die Form eines konkreten Plans
zur politischen Föderalisierung der Monarchie (und
Mitteleuropas) angenommen, wobei die Loyalität zur
Habsburgermonarchie zum integralen Bestandteil der
Politik der kleinen slawischen Völker bis hin zu deren
Zerfall wurde. Diese Treue zur Monarchie war bei al-
len slawischen Völkern von Anfang an in der Hoffnung
verankert, dass diese ihnen angesichts ihrer zahlenmä-
ßigen Stärke größere Rechte einräumen bzw. sie sich
zu einem Staat mit slawischer Vorherrschaft wandeln
werde ; dabei divergierten die Vorstellungen über diesen
Wandel von Nation zu Nation bzw. von Persönlichkeit
zu Persönlichkeit (Anton → Korošec, →
Maidekla-
ration).
Der Begriff A., den Tomáš Garrigue Masarýk
1896 erstmals verwendete, wurde in der Zwischen-
kriegszeit von der tschechischen Historiografie benützt
und kam nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein in
Gebrauch. Bis heute wird der Begriff A. in der Ge-
schichtsschreibung nicht einheitlich verwendet (→ Il-
lyrismus, → Neoslawismus, → Panslawismus).
Lit.: A. T. Linhart : Versuch einer Geschichte von Krain und den übrigen
Ländern der südlichen Slaven Oesterreichs, 2 Bd. Ljubljana 1788–1791 ;
J. Dobrovský : Ueber die Ergebenheit und Anhänglichkeit der Slavischen
Völker an das Erzhaus Östreich. Prag 1791 ; L. Thun : Über den gegen-
wärtigen Zustand der böhmischen Literatur und ihre Bedeutung. Prag
1842 ; J. Marn : Kopitarjeva spomenica, Ljubljana 1880 ; J. Kopitar-
Matija Čop : Izbrano delo. Ljubljana 1973 ; H. H. Hahn : Der Aus-
troslawismus : Vom kulturellen Identitätskurs zum politischen Konzept.
In : G.-B. Kohler, R. Grübel, H. H. Hahn (Hg.) : Habsburg und die
Slavia. Frankfurt a. M. 2008 ; F. Zwitter (in Zusammenarbeit mir J.
Šidaka und V. Bogdanova) : Nacionalni problemi v Habsburški mo-
narhiji. Ljubljana 1962 ; S. Hafner, O. Tureček, G. Wytrzens (Hg.) :
Slawische Geisteswelt, West- und Südslaven, Staatlichkeit und Volkstum.
Baden-Baden 1959, 180 und 182 ; A. Moritsch (Hg.) : Austroslawis-
mus. Ein verfrühtes Konzept zur politischen Neugestaltung Mitteleuropas.
Wien [e. a.] 1996 ; St. Hafner : Der Beitrag der österreichischen Slawistik
für das Erkennen und für den Aufbau der slawischen Nationalkulturen.
In : Die slawischen Sprachen 55 (1977) 7–18.
Janez Cvirn † ; Üb.: Katja Sturm-Schnabl
Awaren, slow. Obri. Der lateinische Name Huni (so in
der → Conversio) taucht Anfang des 7. Jh.s erstmals
auf. Etwas später ist von avari vel sclavi die Rede. Es ist
ein Volk, ein Stamm, ein Konglomerat von Stämmen,
eine Konföderation, eine heidnische Gruppe unter den
christlichen Karantanerslowenen. Überall in Österreich, wo A. erwähnt sind, wo
es »awarische« Funde gibt (→ archäologisches Bild
von Kärnten/Koroška im Frühmittelalter, → karan-
tanisch-Köttlacher Kulturkreis), gibt es auch slawi-
sche/→ altslowenische Ortsnamen. 596 besiegt der
dux Baivariorum, Tassilo I., die A. in der provincia
Sclaborum und macht reiche Beute. 611 besiegen die
→ Slawen/Slowenen mit Unterstützung des awari-
schen Chans (superveniente cacano) die Baivari im Pus-
tertal. Um 740 ersucht Borut, der slowenische → dux
Carantanorum, die Baivari und ihren dux Odilo um
Hilfe gegen die A. 796 unterwerfen sich die A. in ih-
rer ungarischen »Hauptstadt« Rinch (lat. Arrabona, un-
garisch Győr, dt. Raab) dem fränkischen Pippin, dem
Vater Karls des Grossen. Zwischen 800 und 805
werden sie von Karl endgültig besiegt und vernich-
tet. Das Gebiet östlich der Enns/Anisus hieß Avaria
oder Sclavinia (literaturüblich Awarenmark). 200 Jahre
übten die A. im Alpenraum Macht aus. Literaturüb-
lich werden sie, wie schon vom byzantinischen Kaiser
Porphyrogennetos, »Slawen(be)herrscher« sklabar-
chontes bezeichnet. Ihre Funktion im karantanischen
Alpenraum ist fluktuierend.
A. ist eine Sammelbezeichnung für ein archäologisch
relativ gleichartiges (Pferdeschmuck, Steigbügel, Pfer-
debestattung) Stämme-Konglomerat aus turkischen,
mongolischen und slawischen Elementen, wobei die
Rolle der →
Slawen am unklarsten ist. Die Slawen wa-
ren zahlenmäßig (sprachlich) am stärksten und setzten
sich überall durch und »die anderen« assimiliert : in
Pliska die awarischen Bulgaren, in Dalmatien die awari-
schen Kroaten und in Karantanien die »Awarendörfer«
(→ In pago Crouati). Ein Element des Stämmeverbands
waren auch die Bulgaren, die sich mit den anderen A.
zerstritten. Von diesen ging eine Gruppe in den Süden
und gründete mit Chan Asparuch einen Staat im ost-
bulgarischen Pliska (mit eigener Schriftkultur : altbul-
garische Runeninschriften, von denen einige Buchsta-
ben in die → Glagolica übernommen wurden ; Anfänge
eines eigenen awarisch-bulgarischen Christentums).
Eine andere suchte Zuflucht bei den Baiwaren. Diese
wurde 631 auf fränkischen Befehl in einer Nacht er-
mordet (literaturüblich : der »bairische Bulgarenmord«).
Eine andere Gruppe ging nach Dalmatien, worüber
Porphyrogennetos berichtet. Eine andere, offenbar
vermögende und christianisierte Gruppe suchte Schutz
in den Marchauen, wo das literaturübliche Zentrum
des »großmährischen Reichs« (vyšnaja Morava »das
berühmte Morava«) gewesen sein soll. Zu beachten ist
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55