Seite - 133 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Awaren
die Begegnung der Baivaren unter Tassilo im Traun-
gau (pagus Druni) mit einem župan und actores und den
späteren Otakaren von Styrapurk/Steyr. Anfang des 9.
Jh.s sind die A. als eigenes Volk aus der Geschichte ver-
schwunden. Die Überlebenden dürften sich »slawisiert«
haben. Übrig blieb die Erinnerung der Nestorchronik
an ihre außergewöhnliche Körpergröße und Grausam-
keit. Das Verhältnis zu den Slawen/Slowenen in Karan-
tanien war ambivalent, teils freundschaftlich, teils feind-
lich. Teils führten sie gemeinsame Kämpfe, teils war ihre
Herrschaft durch Unterdrückung gekennzeichnet. Dass
es auch eine awarische Sprache gab, ist wahrscheinlich
(→ Virgil). Elemente einer anderen Sprache finden
sich jedenfalls in der karantanerslowenischen Rechts-
und Dignitätsterminologie (chan/kagan, župan, ban/
bojan, tudun, krovat, kosezi, zakon) und in Personenna-
men (in Dalmatien : die Brüder Klukas, Lobelos, Kosentsis,
Muchlo, Chrobatos und die Schwestern Tuga und Buga).
In der Kiewer Nestorchronik (um 1100) heißt es über
sie : Die Awaren waren groß und stolz. Doch Gott vernich-
tete sie. Alle gingen zugrunde und kein Aware [obrin] blieb
übrig. Daher sagt man in der Rus bis heute : »untergehen
wie die Awaren«. Kein Stamm von ihnen besteht mehr, noch
irgendeine Spur.
Porphyrogennetos schreibt etwas verwirrend,
dass in Dalmatien zuerst die A. herrschten, die dann
von den Kroaten besiegt wurden. Es gäbe allerdings un-
ter den Kroaten noch Nachkommen dieser A., die sich
ihrer awarischen Herkunft bewusst sind.
Christianisierte A. (ein Cacan/Chan Abraham und
ein Tudun Theodor) verhandeln 805 in Aachen mit
dem fränkischen Kaiser Karl dem Grossen und
bitten ihn wegen der ständigen slawisch-slowenischen
Belästigungen um sicherere neue Wohnsitze zwischen
Sabaria (dt. Zöbern) bzw. ung. Szombathely, dt. Stein-
amanger, slow. Monošter) und Carnuntum/Niederös-
terreich. Auch die primores ac duces Sclavorum circa Da-
nubium habitantium baten um Hilfe. Umgekehrt heißt
es in der → Conversio schon unter 743 coeperunt Huni
eosdem Quarantanos hostili seditione graviter affligere [die
Awaren haben angefangen, diese Karantaner durch ei-
nen feindseligen Aufstand schwer zu bedrängen], so-
dass Borut den dux Baivariorum Odilo um Hilfe
bitten musste (→ Salzburg). Pippin, der Vater Karls
des Grossen, beauftragt die Salzburger Kirche, in
Hunia (das sind die confines Carantanorum) cum doc-
trina et ecclesiastico officio procurare populum qui remansit
de Hunia et Sclavis in illis partibus [in Lehre und Got-
tesdienst das Volk zu betreuen, das von der Hunia und den Slawen in diesen Regionen übrig geblieben war].
811 musste Karl der Grosse ein ganzes Heer nach
Pannonien schicken ad controversias Hunorum et Sclavo-
rum finiendas [um die Streitigkeiten zwischen Awaren
und Slawen zu beenden].
Virgil hat sich für die Sprache der A. interessiert
und, wie man vermutet, ein Alphabet für sie geschaf-
fen. Möglicherweise hat er wegen Interessenkonflikten
die slowenischen Karantaner deshalb nicht selbst auf-
gesucht. Eher ist seine Absenz aber auf der ständigen
→ carmula, die Auseinandersetzungen zwischen der
heidnischen (postawarischen) und christlichen Ober-
schicht zurückzuführen − zwischen den karantanerslo-
wenischen Christen, für die Borut (→ Duces Caran-
tanorum) bei Virgil um Priester »zur Stärkung im
Glauben« bat und den vermögenden pagani gentiles (ko-
sezi, → Edlinger), die noch an andere Götter glaubten.
Bei den Karantanern sind die Obri/Awaren Gegen-
stand von Sagen (vgl. in pago → Crouuati). Manche
vermuten, dass die A. aus den confines in Karantanien
nur überwinterten. Die dabei entstandenen awarisch/
slawischen Söhne hätten einen Aufstand gegen ihre
Väter organisiert. Literaturüblich hält man die A. für
die Oberschicht, die Slawen/Slowenen für die Unter-
schicht (das Bauernvolk). Eher besteht ein Gegensatz
zwischen Christen und pagani, möglicherweise zwi-
schen Einheimischen und Fremden. Immerhin : die
slowenischen →
Slawen haben ein eigenes Staatswesen
Carantania (→ Karantanien), eigene → Rechtsinstitu-
tionen, eine eigene Sprache, ein eigenes Christentum.
Offenbar gab es zwischen den karantanischen Slowe-
nen und A. fliegende Partnerschaften. Die Slowenen
treten zumindest seit Borut als selbstständig Han-
delnde auf, wenn auch ursprünglich nicht positiv im
bairischen Sinn. 611 heißt es : mortuo Tassilone duce
Baivariorum filius eius Garibaldus in Agunto a Sclavis
devictus est [nach dem Tod von Tassilo, dem Fürsten
der Baiern, ist sein Sohn Garibaldus in Aguntum/
Lienz von den Slawen/Slowenen besiegt worden]. 725
im Salzburger Pongau : a vicinis Sclavis (…) erat de-
vastata eadem cella propter inminentes Sclavos et crudeles
paganos [von den Slawen/Slowenen der Umgebung …
Diese Zelle ist wegen der eindringenden Slawen/Slo-
wenen und grausamen Heiden verwüstet worden]. 777
in Sierning bei Kremsmünster : terra quam illi Sclavi
cultam fecerant sine consensu nostro [das Land, das die
Slawen/Slowenen rodeten ohne unsere Erlaubnis].
Der Alpenraum war für die A. strategisch wichtig,
nicht als Siedlungsraum, allenfalls als Rückzugsgebiet.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55