Seite - 162 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Binnenwanderung
die Militärangehörigen, Verwaltungsbeamte im Staats-
dienst und anderen staatlichen Diensten (insbesondere
Lehrer, Gendarmen, Richter) sowie Handwerker. Nach
der Gründung der Universität Wien im Jahr 1365 ka-
men vermehrt Studenten aus der ganzen Monarchie in
die Stadt. So studierten in Wien allein aus dem slowe-
nischen ethnischen Territorium über 8.300 Personen.
Vom 17. Jh. an waren für Studenten zusätzlich Graz
und Prag attraktive Studienorte.
Mit der Entwicklung des Handwerks, der ersten
industriell geführten Betriebe und des Bergbauwe-
sens nahm der Umfang der Migrationsbewegungen
immer stärker zu. Die Wanderungen vom Land in die
Städte steigerten sich insbesondere nach der Annahme
des Grundentlastungspatents vom 7. September 1848
durch den Reichsrat (→ Revolutionsjahr 1848, → Ok-
troyierte Märzverfassung 1849). Zu den wichtigsten
Gründen für den raschen Anstieg der Landflucht zäh-
len der rasche Anstieg der Bevölkerung, die agrari-
sche Überbevölkerung des ländlichen Raums und die
schlechte wirtschaftliche Lage der Bauern wegen zu
kleiner Wirtschaften, der hohen Steuerbelastung und
der Überschuldung der Bauernhöfe. Die B. wurde auch
durch den Ausbau der Eisenbahn erleichtert, die die
einst entlegenen und von Verkehrsverbindungen un-
erschlossenen agrarischen Gebiete nun näher an die
Beschäftigungs- und Landeszentren heranrücken ließ.
Für die Bevölkerung von Kärnten/Koroška waren
als Ziele der B. am attraktivsten die Industriezentren
und Bergbaugebiete in den sog. Alpenländern, in denen
nach den Volkszählungsergebnissen von 1910 54.352
Migranten aus Kärnten/Koroška lebten. Die meisten
Kärntner (31.359) lebten in der Steiermark/Štajerska.
Darunter waren 29.413 Kärntner mit Deutsch als
→ Umgangssprache und 1.525 mit Slowenisch als
Umgangssprache. Ungefähr ein Viertel aller Zuwan-
derer aus Kärnten/Koroška in die Steiermark/Štajerska
ließ sich in Graz nieder und die Mehrzahl der übri-
gen in den Wirtschaftszentren an der Mur (Mura) und
der Mürz (Murica) (z. B. Kapfenberg, Bruck an der
Mur, Leoben). Wegen der spezifischen Verwaltungs-
gliederung Kärntens, die die ethnischen Verhältnisse
nicht gebührend berücksichtigte, ist es nicht möglich,
die Migrationen aus und nach → Südkärnten/Južna
Koroška genau zu verfolgen. Zu berücksichtigen ist,
dass die Auswanderung in ein deutschsprachiges Um-
feld für die slowenische Bevölkerung eine zumindest
statistische → Assimilation bedeutete (→ Sprachen-
zählung). Für die Kärntner Bevölkerung waren die wirtschaftlich weiter entwickelten Länder Tirol (7.703),
Salzburg (2.476) und Niederösterreich (2.625) attraktiv.
Mehr als 95 % aller Zuwanderer in diese Gebiete waren
statistisch Einwohner mit Deutsch als Umgangsspra-
che, jedoch waren unter ihnen viele – zumindest 40 %
– Kärntner mit slowenischen Wurzeln aus Südkärnten/
Južna Koroška.
In den Karstländern lebten 1910 7.255 Personen, die
aus Kärnten/Koroška zugewandert waren. Die Mehr-
zahl lebte in → Krain/Kranjska (2.671) und in der
Stadt → Trieste/Trst/Triest (2.439). Während unter
den Zuwanderern nach Krain/Kranjska mehr als 58 %
Slowenisch als Umgangssprache hatten, sprachen die
Zuwanderer in die übrigen Kronländer mehrheitlich
Deutsch als Umgangssprache (nach Trieste/Trst/Triest
66,5 %). Unter den Slowenen, die bereits vor dem Ers-
ten Weltkrieg nach Krain/Kranjska, Untersteiermark/
Spodnja Štajerska sowie nach → Gorizia/Gorica/Görz
und Gradisca/Gradiška ausgewandert waren, befanden
sich etliche, die wegen ihres Bekenntnisses zur slowe-
nischen Identität in Kärnten/Koroška keine Beschäfti-
gung finden konnten, so wie z. B. Waldarbeiter, Beamte,
Eisenbahner und andere höher gebildete Personen. Im
slowenischen Umfeld behielten so die slowenischen
Migranten auch statistisch ihre slowenische Umgangs-
sprache. (Vgl. dazu auch → Beljaško omizje [Villacher
Kreis] in Trieste/Trst/Triest und Flora → Rauter.)
Einige Tausend Migranten aus Kärnten/Koroška
lebten 1910 auch in den Sudetenländern Böhmen,
Mähren und Schlesien und in den Karpatenländern
Galizien und Bukovina, etwas weniger als 2.000 auch
in den Ländern der ungarischen Krone Kroatien und
Slawonien und in Ungarn selbst. Zu diesen zählen auch
Beamte und Militärangehörige slowenischer Herkunft,
wie etwa der verdienstvolle Militärarzt Ivan → Am-
rusch aus St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu
und der aus dessen Ehe mit einer Kroatin entstam-
mende und bereits in Slavonski Brod geborene, spätere
Bürgermeister von Zagreb und Mitglied des Sabors,
Milan → Amruš. Zu dieser Kategorie zählt etwa auch
der Statistiker in Tuzla und Sarajevo Ivan → Strauss.
Nur etwas weniger intensiv als die Auswanderung aus
Kärnten/Koroška war die Zuwanderung aus anderen
Kronländern der Monarchie. Nach den Angaben der
Volkszählung 1910 lebten in Kärnten/Koroška 47.840
Personen aus anderen Teilen Cisleithaniens und aus
dem »Ausland«, zu dem damals auch Transleithanien
statistisch gezählt wurde. Mehr als 55 % aller Zuwan-
derer war aus den Alpenländern (Steiermark/Štajerska
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55