Seite - 163 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Binnenwanderung
18.271, Niederösterreich 3.926, Tirol 2.183, Oberös-
terreich 1.416, Salzburg 820 und Vorarlberg 101). Aus
den Karstländern waren bis 1910 8.530 Personen nach
Kärnten/Koroška zugewandert, die meisten aus Krain/
Kranjska (6.140) und aus Görz und Gradisca/Goriška
in Gradiška (1.675). 4.213 Personen waren aus den
Sudetenländern nach Kärnten/Koroška eingewandert,
die meisten aus Böhmen (2.277) und Mähren (1.402).
Daneben waren noch 400 Personen aus den Karpaten-
ländern zugewandert und etwas weniger als 8.000 aus
dem Ausland, zu dem statistisch auch die ungarische
Reichshälfte gezählt wurde.
Fast 70 % der Zuwanderer nach Kärnten/Koroška
hatten Deutsch als Umgangssprache, etwas mehr als 15
% Slowenisch, ca. 15 % waren Zuwanderer mit anderen
Umgangssprachen (davon 13 % »Fremde«). Die Mehr-
zahl der Personen mit Slowenisch als Umgangssprache
war aus Krain/Kranjska zugewandert (2.574) und aus
der sog. Untersteiermark/Spodnja Štajerska (3.767).
Dabei handelte es sich im Wesentlich um Personen, die
im heimatlichen Umfeld aus wirtschaftlichen Gründen
keine Beschäftigung finden konnten.
Die Migrationen haben bedeutend zur → Germa-
nisierung des slowenischen ethnischen Territoriums
beigetragen. Ganz besonders gilt das für Südkärnten/
Južna Koroška, das in den großdeutschen nationalen
Programmen als Bollwerk Großdeutschlands im Süden
galt und als Ausgangspunkt für die Germanisierung der
Territorien zwischen Kärnten/Koroška und der nördli-
chen Adria (→ deutschnationale Vereine). Die Germa-
nisierung von Kärnten/Koroška breitete sich so ab der
ersten Hälfte des 19. Jh.s von den Städten, Märkten
und anderen Beschäftigungszentren entlang der Ei-
senbahn und anderen wichtigen Verkehrsverbindungen
auf den damals noch gänzlich slowenischen ländlichen
Raum aus. Weil seit der Veröffentlichung des Pro-
gramms eines Vereinten Sloweniens 1848 (→ Zedin-
jena Slovenija) die Germanisierung ein Teil der Bestre-
bungen zur Sicherung der geostrategischen Interessen
der Monarchie wurde, wurde diese Politik in weitem
Umfang, planmäßig und dauerhaft geführt und in vie-
len Fällen finanziert seitens des deutschnationalen Ver-
eins Südmark. Auf eine planmäßige Germanisierung
von Kärnten/Koroška deutet auch der hohe Anteil von
69,8 % der Zuwanderer mit Deutsch als Umgangsspra-
che. Zwei Drittel oder mehr als 22.300 Personen sie-
delten aus den wirtschaftlich wesentlich entwickelteren
Alpenländern nach Kärnten/Koroška, da zum Unter-
schied zu den Slowenen deutschsprachige Personen mit Leichtigkeit eine Beschäftigung in staatlichen Einrich-
tungen und in der Verwaltung fanden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bzw. nach der
Volksabstimmung in Südkärnten/Južna Koroška und in
Szopron (Ödenburg) verringerte sich der Bereich der B.
auf das Gebiet der neu entstandenen Republik Öster-
reich. Unter den neuen Rahmenbedingungen erfolgte
die B. noch immer in Form von Auswanderung aus
wirtschaftlich benachteiligten in wirtschaftlich entwi-
ckeltere Gebiete. Zahlreiche Kärntner Slowenen fan-
den so eine Beschäftigung im Bereich des Krappfeldes/
Grobniško polje und auf den großen Gütern im Gur-
ktal (Krška dolina) und im Metnitztal (dolina Mot-
nice). Weiterhin anziehend für zahlreiche Menschen
waren die Industriegebiete entlang der Mur/Mura und
der Mürz/Murica in der Steiermark/Štajerska. Unter
ihnen waren auch viele Slowenen, die in der Zeit vor
dem → »Anschluss« noch slowenische Arbeitervereine
organisierten.
Andererseits war ein bedeutender Teil der B. ver-
bunden mit der Germanisierung/Kolonisierung der
ethnisch gemischten Bereiche des Burgenlandes, der
Grenzgebiete in der Steiermark/Štajerska an der ös-
terreichisch-jugoslawischen Grenze und ganz beson-
ders in Südkärnten/Južna Koroška. So mussten nach
der Volksabstimmung fast alle slowenischen Intel-
lektuellen vom slowenischen ethnischen Territorium
Südkärntens in deutschsprachige Teile oder in andere
österreichische Bundesländer bzw. in das Königreich
SHS, in andere europäische Staaten und nach Übersee
emigrieren (Priester, Lehrer, Juristen, Ärzte, Beamte
usw.), die sich in der Zeit der Volksabstimmung offen
für einen Anschluss von Südkärnten/Južna Koroška an
das neu entstandene Königreich SHS ausgesprochen
hatten (→ Vertreibung 1920, → Jugoslawien). Ihre
Arbeitsplätze nahmen deutsch sprechende Kärntner
ein oder deutsch sprechende Zuwanderer aus anderen
Teilen Österreichs. Treibende Kräfte bei der Germa-
nisierung von Südkärnten/Južna Koroška wurden der
Kärntner Heimatdienst, der vor der Volksabstimmung
gegründet worden war (1924 umbenannt in Kärnt-
ner Heimatbund) sowie der Deutsche Schulverein
Südmark (→ deutschnationale Vereine). Beide hatten
sich das Ziel gesetzt, das Deutschtum in den slowe-
nischen Gebieten zu fördern und eine größtmögliche
Zahl deutscher Familien in Südkärnten/Južna Koroška
anzusiedeln. Diese gezielte Ansiedlungspolitik von
Deutschsprachigen in Kärnten/Koroška wurde bis zum
»Anschluss« 1938 verfolgt.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55