Seite - 184 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Brejc, Janko
der berüchtigten »Žlindra-Affäre« mit rechtlichen
Ratschlägen geholfen, dass dieser in der politischen
Szene verbleiben konnte. Beide traten für eine Re-
form des Wahlrechts ein, mit der sie die Koalition der
Verfassungstreuen mit den Liberalen zu zerschlagen
suchten. Doch 1903 trennten sich ihre Wege, vor allem
wegen divergierender Ansichten über die Fortsetzung
der Obstruktion im Krainer Landtag. B. übersiedelte
wieder nach Klagenfurt/Celovec, wo er eine Anwalts-
kanzlei eröffnete.
In Kärnten/Koroška wurde B. Mitglied des → Ka-
toliško politično in gospodarsko društvo za Slovence na
Koroškem [Katholisch-politischer und wirtschaftlicher
Verein für die Slowenen in Kärnten], dessen Leitung
er 1906 übernahm. Er modernisierte die Arbeit der
→ Koroška slovenska stranka [Partei der Kärntner Slo-
wenen] mit wirkungsvollen organisatorischen Maß-
nahmen zusammen mit einer entschiedenen Mobilisie-
rungspolitik. Auch an den Kärntner Gerichten begann
B. mit Engagement aufzutreten und exponierte sich
mit Forderungen nach konsequenter Gleichberech-
tigung der slowenischen Sprache bei Verhandlungen
(→ Amtssprache). Die deutschnationale Elite reagierte
mit scharfer Kritik und bedachte ihn mit beleidigenden
Beinamen, wie »der zugewanderte Krainer Hetzadvo-
kat«, »der Hetzapostel«, »der bezahlte Agitator«, »der
Vertreter der berüchtigten Žlindra-Partei«. Obwohl
B. die Partei der Kärntner Slowenen nach dem Modell
der krainischen Katholischen Volkspartei reorganisiert
und mit den wenigen national denkenden Liberalen in
Kärnten/Koroška abgerechnet hatte, blieben die Bezie-
hungen zu Šušteršič konfliktbeladen. Sie wurden zu-
dem durch die Tatsache belastet, dass die Kärntner Slo-
wenen in den Verhandlungen um die Wahlreform für
den Reichsrat 1906 ihr Ziel, zwei »slowenische Man-
date« zu erreichen, verfehlt hatten. B. und seine Kärnt-
ner Gesinnungsgenossen machten Šušteršič (zu Un-
recht) für diesen Misserfolg verantwortlich, wodurch es
zur völligen Erkaltung der Beziehungen zwischen den
beiden Parteien kam. Die Stärkung der trialistischen
Idee und die Verschärfung der jugoslawischen Frage
in der Habsburgermonarchie aber ließen das Interesse
an einer engeren Zusammenarbeit von B. und der Par-
tei von Šušteršič wieder erstarken. Dieses Interesse
erreichte 1909 seinen Höhepunkt, als die Partei der
Kärntner Slowenen in die Allslowenische Volkspartei
(Vseslovenska ljudska stranka) eingegliedert wurde. Die
vereinigte Partei des slowenischen politischen Katholi-
zismus unter der Führung von Šušteršič und in der Anbindung an die kroatische Rechtspartei wurde zur
stärksten politischen Kraft im Süden der Monarchie. B.
war deren Vizevorsitzender. Während der Balkankriege
1912–1913 kam es allerdings innerhalb der Allslowe-
nischen Volkspartei zu Unstimmigkeiten zwischen
Šušteršič und Krek, wobei B. Letzteren unterstützte.
Während des Ersten Weltkrieges vertiefte sich die
Spaltung innerhalb der Partei nochmals. B. stand in
scharfer Opposition zu Šušteršič und erwartete das
Ende der Partei. Im Oktober 1918 schloss sich B. dem
→ Narodni svet za Koroško [Nationaler Rat für Kärn-
ten] an und vertrat die Forderung nach Eingliederung
des slowenischen ethnischen Gebietes von Kärnten/
Koroška in den jugoslawischen Staat. Gemeinsam
mit dem Herausgeber der katholischen Tageszeitung
→ Slovenec Izidor Cankar schlug er dem Bürgermeis-
ter von Ljubljana, Ivan → Tavčar, die Bildung einer
Koalitionsregierung aller slowenischen Parteien vor.
In der Nationalregierung der Slowenen, Kroaten und
Serben in Ljubljana (unter dem Vorsitz von Josip Rit-
ter von Pogačnik) erhielt B. das Ressort für innere
Angelegenheiten. B. widersetzte sich dem Standpunkt
der slowenischen Liberalen, die sich für einen zentra-
listisch organisierten jugoslawischen Staat einsetzten.
Im Jänner 1919 wurde er zum Präsidenten der Lan-
desregierung für Slowenien ernannt. Diese sah sich
mit der Nicht-Gewogenheit der Großmächte auf der
Pariser Friedenskonferenz konfrontiert. Als ehema-
liger politischer Führer der Kärntner Slowenen ver-
folgte B. mit besonderer Aufmerksamkeit die Frage
der Grenzziehung zwischen der Republik Deutsch-
Österreich und dem Königreich der Serben Kroaten
und Slowenen (→ Grenzfrage). Er befürwortete eine
rasche Militäraktion slowenischer Truppen in Kärnten/
Koroška, erhielt dazu aber keine Unterstützung von
der Regierung in Ljubljana. Ende April 1919 ordnete
B. persönlich eine Offensive an, diese hatte aber kei-
nen Erfolg und verschlechterte zusätzlich die Position
der slowenischen Truppen im Kampf um die »Nord-
grenze«. Ende Mai 1919 reiste B. nach Paris, um die
Unterstützung der Großmächte für die slowenischen
Forderungen zu erlangen und bat bei dieser Gelegen-
heit auch den amerikanischen Präsidenten Thomas W.
Wilson persönlich um Hilfe. Da sich dieser bereits für
die → Volksabstimmung entschieden hatte, blieb B.s
Mission erfolglos. Den Ausgang der Volksabstimmung
zugunsten Deutsch-Österreichs erlebte B. als persönli-
che Niederlage. Im Dezember 1920 trat er als Präsident
der Landesregierung für Slowenien zurück. Doch be-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55