Seite - 252 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Dialektgruppe
Slowenische Dialektgruppen
nach Ramovš
nym) koroška narečna skupina (kärntnerslowenische D.)
insgesamt zu erklären, die Kärntner Dialekte gruppiert
in → Gailtalerisch (ziljsko narečje), → Rosentalerisch
(rožansko narečje), und →
Jauntalerisch (podjunsko
narečje). Das entspricht dem Zustand um 1930, also
vor fast 80 Jahren. Auf der »offiziellen« Karta slovens-
kih narečij (1983) werden aufgrund nur phonetischer
Merkmale 7 Hauptdialekte unterschieden : die koroška
narečna skupina (die kärntnerische oder kärntnerslowe-
nische D.), štajerska (die steirische D.), panonska (die
pannonische D.), gorenjska (die oberkrainische D.),
dolenjska (die unterkrainische D.), primorska (die küs-
tenlandslowenische D.), und rovtarska narečna skupina
(die D. von Rovte). Diese werden weiter in 46 Unter-
dialekte gruppiert, wobei die Sinnhaftigkeit dieser lau-
torientierten Gruppierungen ohne Dialektatlas fraglich
ist. Ohne Dialektatlas mit präzisen Isoglossen sind
nur sehr allgemeine, approximative Angaben möglich.
Ebenso diskutabel bleibt, ob man als Vergleichspunkt
vom heutigen Standard-Slowenisch oder besonders bei
Archaismen von einem rekonstruierten »Urslawisch«
ausgehen soll.
Erstaunlicherweise fehlt bei allen kärntnersloweni-
schen D. die alte Zentrallandschaft »Klagenfurter Feld/
Celovško polje« mit den Poljanci, wie dies K. Sturm-
Schnabl in ihrer bis heute von der Laibacher Dia-
lektologie nicht rezipierten Dissertation (1973) und
unlängst (2011) B. Schnabl dargestellt haben (vgl.
terminologisches Lemma → Rož). Gruppierungskri-
terien bei Ramovš sind ausschließlich phonetische
Merkmale in vorgegebenen geografisch/administrati-
ven Landschaften. Anderes haben nur Tesnière und
→ Issatschenko versucht. Bisher gibt es nur punk-
tuelle Studien einzelner Dörfer, wo jeder Autor meist
in einer Dissertation seinen vertrauten Dialekt (Hei-
matdialekt) beschreibt, so von den bekannteren Slawis-
ten →
Issatschenko und Germanisten →
Lexer,
→ Lessiak, → Kranzmayer.
Gemeinsame allgemein anerkannte und vertraute
kärntnerslowenische Merkmale wären heute gegen-
über den anderen Dialekträumen in Slowenien (Krain/
Kranjska), Ungarn und Italien : das Švapanje (die Aus-
sprache des l als w : slama/swama »das Stroh«, planina/
pwanina »die Alm«, slovenje/swoweje), der bestimmte
und unbestimmte Artikel (en vin »ein Wein«/ta vin
»der Wein«), die Verbalformen vom Typ dow deržati
»nieder/halten«, cu pripraviti »zu/bereiten«, gor rezati
»auf/schneiden«, die Verbindung cmau »zu wenig« und
cveč »zu viel«, das Numerale von 20 bis 90 (pet/red, šest/ red statt standardlich pet/deset, šest/deset »fünfzig, sech-
zig«), und lexikalische Archaismen wie uu (lang) »Bier«,
vigred »Frühling«, bratr »Bruder«. Zahlreich sind vorro-
manische und ladinische (→ Altladinisch) Wörter, die
im → Karantanerslowenischen noch lebendig waren
und z. T. in der Toponymie weiterleben.
Innerhalb Kärntens gibt es noch eine Reihe regio-
naler Unterschiede wie h statt g (hora/gora »Berg«), der
Knacklaut ˀ statt k (ˀamen/kamen »Stein«, ˀrava/krava
»Kuh«, ˀrh/kruh »Brot«), prothetisches w (woglje/oglje
»Holzkohle«) oder die Maskulinisierung der Neutra
(vino > vin »Wein«, okno > oken »Fenster«, bedro/bedər
»Schenkel«). Die Isoglossen dieser Besonderheiten
stimmen allerdings nicht mit den offiziellen 3 Grup-
pierungen in Podjuna, → Rož und Ziljska dolina über-
ein. Daher begnügt man sich volkstümlich meist mit
Differenzierungen wie Gorjanci, Poljanci, Vršani, Dravci
und dergleichen.
Lexikalische karantanerslowenische Archaismen
und heutige kärntnerslowenische Besonderheiten wie
uu »das Bier«, statt standardlichem pivo, wurden bisher
nur von → Hafner/Prunč (Volkssprache) vermerkt.
Wie in Österreich jeder (auch ein Nicht-Sprachwis-
senschafter) einen Wiener von einem Kärntner, Steirer
oder Tiroler unterscheiden kann, kann auch jeder Slo-
wene einen Kärntner von einem Krainer unterscheiden.
Das hat manche zur absurden Folgerung verleitet, die
Kärntner Slowenen seien gar keine Slowenen, da sie
von den Krainern nicht verstanden würden, sondern
etwas »Eigenes« (→ Wutte, → Windischentheorie).
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55