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Edlinger
Edlinger/kosezi im Zentral-
südkärntner Raum nach
Bogo Grafenauer, übersetzt/
bearbeitet von Bojan-Ilija
Schnabl (ES 5, 1991, 314) Wiewohl die Nationalitätenfrage im Mittelalter wenig
Bedeutung hatte, ist zu beachten, dass die bairisch Ed-
linger Benannten, keine (wie literaturüblich unterstellt)
fränkisch/bairische soziale Schicht waren, sondern ein
slawischer/slowenischer Stand. Dieser wurde aus frän-
kischer/bairischer feudalrechtlicher Sicht aufgrund sei-
ner Privilegien (Fürstenwahl) als aristokratischer Stand
verstanden und als solcher akzeptiert. Bei Verträgen
wurden die Zeugen nicht, wie bei den Baiern üblich, an
den Ohren gezogen (per aures - tracti, per aures trahere)
(→ St. Georgen am Längssee [Šentjurij ob Dolgem je-
zeru]). Dieser Brauch (→ Rechtsinstitutionen) ist übri-
gens nicht wie literaturüblich vermutet germanisch, son-
dern römisch-ladinisch. Nach alter römischer Anatomie
ist in den Ohren aures der Sitz des Verstandes. Auch an
den → Personennamen der E. und ihrer Untergebenen
(servi/servae, mancipia) ist zu erkennen, dass es sich um
slowenische Bauern/Gutshöfe handelt.
Es war ein Stand freier Bauern mit eigenem Grund-
besitz und ursprünglich verschiedenen militärischen
Verpflichtungen wie Bewachung von Verkehrswegen,
Pässen, Brücken, Befestigungsanlagen, in der Funk-
tion identisch mit den »Kroaten« Crouuati (in pago
→
Crouuati) als Wehrbauern. Im Gegensatz zu den ge-
wöhnlichen Bauern hatten die Edlinger/kosezi als Groß-
bauern einen privilegierten Rechtsstatus. Sie zahlten
andere oder keine Steuern. Sie waren das »Wahlvolk« bzw. Wahlmänner bei der → Fürsteneinsetzung. Der
dux Carantanorum musste ihnen per Eid in windischer/
slowenischer Sprache gewisse Rechte und Freiheiten
zusichern. Auffällig wurden sie im 8. Jh. aus religiö-
sen Gründen, da sie sich der offiziellen Annahme des
Christentums als pagani gentiles widersetzten und wei-
terhin ihre alten Götter verehrten (→
Carmula).
In Baivarien (→
Bagoaria) waren nur einige adelige
Familien berechtigt, den dux aus ihren Reihen zu stellen.
In → Karantanien waren offenbar alle E. als Freibauern
berechtigt, den dux zu wählen. In der →
Conversio wird
→ Virgil gegenüber »undeutlich« angedeutet, dass
das »slowenische Volk« (petentibus sclavis, illi eum du-
cem fecerunt) Gorazd und Cheitmar als dux wollte
(→ Duces Carantanorum), allerdings auch per iussionem
Francorum.
Entgegen fantasievoller Theorien (u. a. < turkspra-
chigem qasaq »Grenzposten, Wächter, freier Krieger«,
semantisch verlockend aber phonetisch kaum möglich)
könnte der Name kosezi/kasezi mit dem turksprachigen
gaziz »der Freund« zusammenhängen und ähnliches
bedeuten wie die fränkischen amici regis. Das wäre
eine karantanerslowenische Gruppe von Bauern, die an
strategisch wichtigen Stellen für das Funktionieren der
awarisch-slowenischen Verwaltung sorgte (→
Awaren).
Während die Bezeichnung Crouuati offenbar auf den
großen »Grundbesitz« hinweist, wie auch Porphyro-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55