Seite - 306 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Eisenkappel/Železna Kapla
Ante pante populore
Peršman
Zarja
um das Phänomen der sog. statistischen → Germani-
sierung der slowenischen Bevölkerung und nicht um
einen massiven Exodus oder den Zuzug einer deutsch-
sprachigen Bevölkerung (→ Binnenwanderung). Das
bestätigt auch die private Volkszählung von 1910, nach
der damals in E./Ž. K. 1.058 (91,56 %) Slowenen leb-
ten.
Zur Abwehr der → Germanisierung begannen sich
die Slowenen aus E./Ž. K. und Umgebung bereits
Ende des 19. Jh.s in → Kulturvereinen und auf wirt-
schaftlichem Gebiet zu organisieren (→ Vereinswesen).
Der gemeinsame Slogan Skupno delo – skupni blagor
[Gemeinsame Arbeit – gemeinsamer Wohlstand] be-
geisterte im Jänner 1898 um die 100 Bauern, die der
heimische Pfarrer Franc Lenz zur Gründung der Po-
sojilnica za Belo in okolico v Železni Kapli, registrirana
zadruga z neomejeno zavezo [Darlehenskassa für Fellach
und Umgebung in Eisenkappel, eingetragene Genos-
senschaft mit unbegrenzter Haftung] geladen hatte
(→ Genossenschaftswesen). Die neue Sparkasse, die
einen bedeutenden wirtschaftlichen Rückhalt der Slo-
wenen bildete, wurde vom Handelsgericht in Klagen-
furt/Celovec am 10. Februar 1898 bestätigt.
Im Jahr 1907 wurde in E./Ž.
K. das Slovensko katoliško
izobraževalno društvo [Slowenischer katholischer Bil-
dungsverein] als Vorgängerorganisation des Slovensko
prosvetno društvo → Zarja [Slowenischer Kulturver-
ein Zarja] gegründet. In den Jahren vor dem Ersten
Weltkrieg wurden zahlreiche → Laienspiele bzw. The-
atervorstellungen mit religiösem, humoristischem und
bäuerlichem Inhalt zur Aufführung gebracht. Meist
wurden sie im Rahmen von Versammlungen des Bil-
dungsvereins gespielt, die von politisch-informativen,
wirtschaftlichen und religiösen Vorträgen begleitet
wurden. Bis 1912 stieg die Zahl der Mitglieder auf 250.
Im Rahmen des Vereins waren auch ein Chor und eine
Bücherei zur Hebung der Sprach- und → Lesekultur
aktiv (→ Chorwesen).
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges schränkten die
cisleithanischen österreichischen Behörden die Tätig-
keit der Slowenen im kulturellen und wirtschaftlichen
Bereich ein. Ihre Aktivitäten entfalteten sich erst wie-
der nach der → Volksabstimmung, als in E./Ž. K. als
Wirtschafts- und Verwaltungszentrum zahlreiche An-
gehörige der slowenischen Intelligenzia, Lehrer und
Beamte lebten und die bäuerliche und Arbeiterjugend
zu kulturellem Engagement anregten. In der Zeit vor
der Volksabstimmung verschmolz bei den Slowenen
das kulturelle Engagement mit den politischen Aus- einandersetzungen über die zukünftige Staatszugehö-
rigkeit der Kärntner Slowenen und der Agitation für
einen Anschluss an das Königreich der Serben, Kroaten
und Slowenen (→ Jugoslawien).
Der Ausgang der Volksabstimmung, bei dem in
E./Ž. K. 67,79 % der Wahlberechtigten für den Ver-
bleib bei Österreich gestimmt hatten, sowie die Er-
eignisse nach der Volksabstimmung führten zu einer
starken Lähmung des slowenischen Kulturlebens, da
die österreichischen Behörden alle identitätsbewuss-
ten slowenischen Kulturarbeiter und die wenigen Bil-
dungsbürger verfolgten (→ Vertreibung 1920). Wegen
des starken deutschnationalen Drucks, durch den das
Slowenische aus dem öffentlichen Leben einschließlich
auch der Kirche verdrängt wurde, kam das organisierte
slowenische Kulturleben fast gänzlich zum Stillstand
(→ Deutschnationale Vereine). Erst Mitte der 20er-
Jahre des 20. Jh.s sammelte sich die slowenische Jugend
erneut im Bildungsverein, 1927 wurde das Slovensko
katoliško izobraževalno društvo [Slowenischer katho-
lischer Bildungsverein] gegründet. 1930 begann der
Chor erneut mit seiner Tätigkeit, etwas später die Lai-
enspielgruppe. Auf der Jahresversammlung wurde das
Slovensko katoliško izobraževalno društvo in Slovensko
prosvetno društvo »Zarja« [Slowenischer Kulturverein
Zarja] umbenannt und entfaltet seine Tätigkeit bis
heute unter diesem Namen.
In der Zwischenkriegszeit stieg die Bedeutung von
E./Ž. K. als Grenzort an der österreichisch-jugoslawi-
schen Grenze. Wegen des Zuzugs von deutschsprachi-
gen Beamten erhöhte sich die Bevölkerungszahl auf
1.265 Personen und der Anteil der Personen mit slowe-
nischer Umgangssprache sank auf 23,79 %.
Trotz des starken Assimilationsdrucks hörten die
slowenischen Kulturarbeiter nach dem → »Anschluss«
nicht mit ihrer Tätigkeit auf. So beteiligten sich an der
Jahresversammlung 1939 über 100 Vereinsmitglieder.
Vor diesem Hintergrund formierten sich bereits im
Sommer 1942 nach den massiven →
Deportationen
von Slowenen im April desselben Jahres in Zell/Sele die
ersten Zellen des bewaffneten Widerstands in Kärnten/
Koroška. Von da aus breitete sich die Widerstands-
bewegung auf ganz Südkärnten/Južna Koroška aus.
Gleichzeitig kamen in dieses Gebiet auch Partisanen-
gruppen und Aktivisten der slowenischen Befreiungs-
bewegung OF aus dem Gebiet des heutigen Slowenien,
die versuchten, die Wehrmachtsdeserteure anzuwerben.
Im November 1942 überfiel die Gestapo die Partisanen
in Ebriach/Obirsko und E./Ž. K. und nahm ca. 180
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55