Seite - 314 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Endonym
Zöchling, Profil
gesetzt hatten, bis 1932 in ganz Kärnten/Koroška 137
Familien aus Deutschland an. Diese hatten sich 6.604
Ar (ca. 3.800 ha) Land in einem Wert von ca. 4,85
Millionen damaligen Schillling angeeignet. 71 die-
ser Familien siedelte in Südkärnten/Južna Koroška in
slowenisch-ethnischem Gebiet und kauften 3.677 Ar
(2.100 ha) Land. Die Zusiedlung von Deutschen ging
auch nach dem →
»Anschluss« 1938 weiter (→
Bin-
nenwanderung).
Lit.: M. Klemenčič : Migrations in History. In : A. K. Isaacs (Hg.) : Im-
migration and Emigration in Historical Perspective (Migration, 1).
Pisa 2007, 28–54 ; D. Grafenauer : Življenje in delo Julija Felaherja in
koroški Slovenci (Phil. Diss.). Maribor 2009 ; J. Stergar, D. Grafenauer :
Die Auswanderung von Österreichern nach Jugoslawien nach der Kärnt-
ner Volksabstimmung 1920. In : Zwischenwelt 27–1/2 (2010), 29–33 ; R.
Vospernik : Zweimal aus der Heimat vertrieben. Die Kärntner Slowenen
zwischen 1919 und 1945 : Eine Familiensaga. Klagenfurt/Wien 2011.
Matjaž Klemenčič ; Üb.: Bojan-Ilija Schnabl
Endonym (regionale slowenische E.), vgl. Sachlem-
mata : →
Namenkunde ; → Orts name ; → Zweinamig-
keit, mittelalterliche.
»Entethnisierung«. Die E., die synonymisch für »Ent-
slowenisierung« oder Tabuisierung alles Slowenischen
steht (slow. deetnizacija, deslovenizacija), kann als Phä-
nomen in der kollektiven Wahrnehmung und der His-
toriografie in Kärnten/Koroška definiert werden, bei
der der slowenische Anteil an der (Kultur-)Geschichte
und in der Gesellschaft systematisch minimalisiert und
negiert wird. In der Folge existiert das, was im öffentli-
chen Raum nicht benannt wird und keinen Namen hat,
in der kollektiven Wahrnehmung schlichtweg nicht
(→ Name und Identität). Personen und Gegebenhei-
ten werden zuerst ohne ethnische Qualifikation und in
einer weiteren Phase mit einer neuen ethnischen oder
regionalen bzw. territorialen → Identität versehen (die
regionale Identität »Kärntner« steht einerseits als Er-
satz für »Slowene«, sowie mit der Beifügung »echter
Kärntner« als kryptisierte Bezeichnung für »deutsch«).
Gleichzeitig wird das Slowenische auf die politische,
gesellschaftlich unattraktive »Minderheitenrolle« be-
schränkt, außerhalb derer es nicht oder kaum aufscheint
(→ Landessprache, → »Minderheit«). Das heißt : Statt
eines integrativen roten Fadens der kollektiven Erfas-
sung der Umwelt bzw. der →
Geschichtsschreibung
und der → Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška dar-
zustellen, was angesichts der historischen Relevanz
und Präsenz der Slowenen durchaus logisch erschei- nen würde, wird das Slowenische auf eine scheinbar
unerklärliche, historisch weit zurückliegende Zufalls-
erscheinung minimalisiert (diese Analyse kann, wenn
auch differenziert, in weitem Maße auf das gesamte 20.
Jh. angewendet werden).
Die Wurzeln liegen einerseits in der gezielten und
umfassenden Politik der → Germanisierung, deren
Ziel es war, das Slowenische aus dem kollektiven Be-
wusstsein zu verdrängen ; andererseits in der kollektiven
Selbstverneinung jener, die sich dem Assimilationspro-
zess ergeben hatten, bzw. jener, die in den posttrauma-
tischen Nachwehen dieses Prozesses die neue Identi-
tät durch deren Überbetonung zu integrieren und das
Trauma der Selbstverneinung zu überwinden such(t)
en (→ Assimilation und PTBS ; →
Assimilant). Hinzu
kommen kollektive kognitive Dissonanzen als Resultat
der generationenübergreifenden Indoktrinierung durch
eine obrigkeitliche Geschichtsideologie, die die kogni-
tiven Dissonanzen ihrerseits vertiefen (→ Geschichts-
schreibung und kognitive Dissonanzen). Anschaulich
beschreibt Hösler die verschiedenen Phasen der
deutschsprachigen Geschichtsschreibung zu → Krain/
Kranjska und der Untersteiermark/Spodnja Štajerska
und deren phasenweise politisch-ideologische Inst-
rumentalisierung. In dieser kann man durch die Ein-
schränkung auf spezifische Perspektiven und Schwer-
punkte Aspekte der E. erkennen. Die E. im Kärntner
Kontext kann als Aspekt der sog. Kärntner → Zwei-
sprachigkeitsideologie aufgefasst werden bzw. als Aspekt
der dieser zugrunde liegenden → Windischentheorie
(→ Wutte, Martin).
Die E. steht im Gegensatz zur → Windischen-Ideo-
logie des 16. Jh.s, die das Slowenische im Geschichts-
verständnis hochstilisierte. Beispiele der E. finden sich
bereits im 19. Jh. mit der gesellschaftlichen Festigung
der großdeutschen Idee, deren Vertreter das Sloweni-
sche im Land systematisch zurückzudrängen versuch-
ten (→ Deutschnationale Vereine, →
Dezemberverfas-
sung 1867, →
Wahlordnungen, → Wahlkreise).
E. als Erscheinung in der wissenschaftlichen Literatur
ist, wo sie auftritt, zumindest Ausdruck eines mangeln-
den gesamtheitlichen bzw. interdisziplinären Ansatzes.
Die angewendeten Methoden oder Perspektiven füh-
ren »ganz natürlich« dazu, dass nicht nur keinerlei Ver-
bindungen mit der slowenischen → Kulturgeschichte
aufscheinen, die Frage danach stellt sich nicht einmal.
Dies führt allerdings zu suggestiven Forschungsresulta-
ten. Dabei wird jedoch der Rahmen der wissenschaft-
lichen Ethik bisweilen überspannt und die Resultate
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55