Seite - 319 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Entlehnung
Heinz-Dieter Pohl 2010, 111–139 ; H. D. Pohl : Ortsnamen voller Geheimnisse. Interview
in : Kleine Zeitung (18. 9. 2011), 16–17 ; M. Piko-Rustia : Unterwäsche
der traditionellen Frauenfesttracht aus dem Gailtal. In : Landesmuseum
Kärnten (Hg.) : Dessous, Eine Kulturgeschichte hautnah, Begleitheft
zur gleichnamigen Sonderausstellung im Landesmuseum Kärnten
– Rudolfinum. Klagenfurt 2012, 25–27 ; C. Kogoj : Kein Slowenisch
im Landesmuseum Kärnten, Dialog und Kultur – eine kritische Analyse.
In : Stimme, Zeitschrift der Initiative Minderheiten 85 (Wien, Winter
2012) 22–23.
Web : F. Krahberger : Germanistik – eine befangene Wissenschaft. In :
www.ejournal.at/essay/germanistik.html (Besprechung von P. Wie-
singer und D. Steinbach, 150 Jahre Germanistik in Wien. Außeruni-
versitäre Frühgermanistik und Universitätsgermanistik). Wien 2001.
Bojan-Ilija Schnabl
Entlehnung. Überbegriff für alle Arten von Über-
nahmen sprachlicher Phänomene von einer Sprache
in eine andere. Die Koexistenz zweier Sprachen in
Kärnten/Koroška hat zu einer starken gegenseitigen
Beeinflussung geführt. Diese betreffen nahezu alle Be-
reiche der Sprache, v. a. Phonetik, Phonologie, Syntax
und Wortschatz (→
Akkulturation ; → Inkulturation ;
→
Sprachmischung, mittelalterliche ; → Umgangs-
sprache).
Entlehnungen aus dem Slowenischen ins Deut-
sche. Betrachtet man die E. aus dem Slowenischen ins
Deutsche, ist auf der Ebene der Phonetik und Phono-
logie zunächst die sog. »Kärntner Dehnung« zu nennen.
Sie ist eine frühe Folge von → Sprachkontakt (Län-
gung des Vokals vor alter Doppelkonsonanz, z. B. offen,
Wasser wird mundartlich zu [ōfn], [wǡsə(r)]. Ebenso die
Verteilung von /ch/ und /h/ : nach dem slowenischen
Muster suh ~ suha realisiert man Villach [-ch] und Vil-
lacher [-h-]. Dazu kommen noch einige Aussprachege-
wohnheiten wie u. a. die Satzintonation, die typisch für
Südkärntner sind.
Auf dem Gebiet der Syntax ist die sog. Ellipse
(Wegfall) des Pronomens es bei unpersönlichen Verben
kennzeichnend, z. B. hait rēgnet ›heute regnet es‹, gestern
wår åber khålt ›gestern war es aber kalt‹, v. a. in →
Süd-
kärnten/Južna Koroška, → Klagenfurt/Celovec und
→
Villach/Beljak. Im gemischtsprachigen Gebiet ist
nach slowenischem Vorbild aber (slow. pa) recht häufig,
z. B. frai i mi åbə dås i di sīg ›ich freue mich [aber], dass
ich dich sehe‹. Häufig ist das Verbum an den Anfang
des Satzes gerückt, insbesondere im Dialog, bei Ant-
worten u. dgl., z. B. khum i glai(ch) ›ich komme gleich‹,
saint se schon untəwēgs ›sie sind schon unterwegs‹ usw.
Initialstellung des Verbs ist im Slowenischen häufig, da
meist das Pronominalsubjekt (ich, du
…) fehlt, wodurch
rein statistisch das Verb öfter am Satzanfang steht als es ihm wortfolgetheoretisch eigentlich zukommt, was
Auswirkungen auf das Kärntner Deutsch hat. Auffällig
ist der adverbiale Gebrauch von nichts [niks] im Sinne
von ›nicht‹ (als Negation), was z. T. dem slowenischen
nič ›nichts, ist nicht‹ entspricht, z. B. er is niks då ›er ist
nicht da‹ (Nachahmung von slowenischen mundartlich
nič ne biti ›nicht sein‹). Gemeinsam ist auch die Frage-
partikel a, z. B. a khimst hait zu uns ? ›kommst du heute
zu uns ?‹.
E. im Bereich des Wortschatzes : Jause (→
Küchen-
sprache), Keusche, mundartlich Kaischn ›kleines Bauern-
haus‹ (aus slowenischem hiša, germanisches Lehnwort),
Kraxe ›Rückentrage‹ (entlehnt noch in der frühsloweni-
schen Lautung *krăšńa, später krošnja), Paier ›Quecke‹
(ein Ackerunkraut, Agriopyrum repens, aus slow. pirje),
Pater, Gepater auch Gepranter ›Oberboden der Scheune
usw.‹ (slow. petro oder peter, aus slawisch *p(r)ętro), Po-
titze ›Art Reinling‹ (aus slow. pov(i)tica ›Rollkuchen‹),
Sasaka ›Verhacktes, ausgelassener geräucherter Speck‹
(aus slow. zaseka), Schwachta ›Sippschaft (abwertend)‹
(aus slowenisch mundartlich → žłahta ›Geschlecht‹,
aus dem Deutschen), Strankele ›Fisole‹ (Küchenspra-
che), zwīln (mundartlich, umgangssprachlich) ›klagen,
jammern‹ (aus slow. cviliti), Wābm (mundartlich, um-
gangssprachlich) ›altes Weib (meist abfällig)‹ (aus slow.
baba ›alte Frau‹).
Bemerkenswert sind semantische Gleichungen nach
romanischen Vorbildern wie Unterdåch ›Dachboden‹
(wörtlich ›Unterdach‹ wie slow. podstrešje und furla-
nisch sotèt aus romanisch subtum tectum) oder Auswart
›Frühling‹ (wörtlich ›auswärts‹, vgl. slow. vigred [wört-
lich ›Ausgang‹] und furlanisch insude aus romanisch
*in-exitus).
Heinz-Dieter Pohl
Entlehnungen aus den Nachbarsprachen ins Slo-
wenische. Unter Kärntner Slowenisch wird hier die
gesprochene slowenische Sprache in ihrer Variabilität
verstanden (→ Dialekt, → Dialektgruppe, → Sozio-
lekt). Starre, homogene slowenische Mundartsysteme
sind nicht mehr vorhanden ; ein dynamisches Sprach-
verhalten der durchwegs zweisprachigen slowenischen
Sprecher ist die Regel (→
Mischsprache, → Zweispra-
chigkeit). Die Kultur der gesprochenen Sprache ein-
zelner Sprecher bezieht sich im Wesentlichen auf die
grammatische Richtigkeit einschließlich des integrier-
ten deutschen Lehnguts, z. B : cagati – scagati- scagovati
›zweifeln‹, ›verzweifeln‹, šoltati – šoltovati ›schalten‹,
premzati – zapremzati ›bremsen‹ etc. und ist von Al-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55