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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Seite - 323 -
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323 Ethnogenese eine neue Geschichte, eine neue Nationalliteratur, eine Flagge, Hymne, Fußballmannschaft, eine Akademie der Wissenschaften, – und eine in Schrift und Orthografie neue Sprache. Es erweist sich, dass Völker nichts Na- turgegebenes sind : Sie entstehen und vergehen mit ih- rem Namen. Bestimmend ist die Definition von Stamm, Volk, Ethnos, lat. gens, sowie Nation (und Nationalität). Seit dem 19. Jh. steht im Mittelpunkt die Nation, eine europäische Erfindung, und der Nationalstaat in der Gleichung Volk = Staat/Nation = Sprache. Somit domi- niert als zentrale Frage der Prozess der Nationwerdung. Entscheidende Kriterien für Volk/Nation sind →  Identitäten : eine Herkunftssage origo gentis, gleiche Geschichte, gleiche Sprache (gleiche Schrift, gleiche Orthografie) oder gleicher →  Dialekt, gleiche Religion, gleiches Brauchtum, gleiche →  Lieder, Rechtsgemein- schaft (→  Brauch, →  Edlinger/kosezi, →  Edlingerge- richtsbarkeit, →  Rechtsinstitutionen, karantanerslowe- nische). Für die Erforschung der E. typisch wird die Suche nach Anfang, Einheit, geografischem Raum und die etymologische Deutung des Namens (→  Ethno- nym). Am Beispiel Österreicher : am Anfang als keltische Noriker (Noreia) der späteren römischen Provinz Noricum, als ladinisch, slowenisch, bairische Ostarrichi/ Ostriki-Leute (1000-Jahre-Mythos, →  Ostarrichi), als Österreicher der Monarchie vor 1918 und als Deutsch- Österreicher danach, als Deutsche nach 1938 (gleiche Sprache), und als Österreicher ab 1945. Das alles sind verschiedene Identitäten. Am Beispiel Slowenen : am Anfang in Gestalt der Ve- neti/Venetisci (→  Windische), als ladinisch-slowenische Karantaner des Fürstentums Karantanien (→  Caran- tani), als sprachlich geeinte Slowenen (unter krai- nischer Dominanz, der sich die Kärntner Slowenen angepasst haben) seit der Bibelübersetzung durch die Krainer →  Trubar (lubi Slovenci !) und →  Dalma- tin, seit dem »nationalen Erwachen« im frühen 19. Jh. (→  preporod, →  Kontinuität, →  Kulturgeschichte, →  Ethnonym Slovenci im Slowenischen, →  Ethnonym Slowene im Deutschen). Offen bleibt, was vorher war (Einwanderungstheorien, Urheimat). Die Schwierigkeit der klaren Antwort wird neuer- dings demagogisch/nationalistisch umgangen mit der Frage, worauf man (wem gegenüber) stolz sei. Modell : Ich bin stolz Deutscher, Österreicher, Slowene, Fran- zose, zu sein, weil … In Deutschland muss man zur »leichteren« Integration (deutsche Leitkultur) der Tür- ken, in Frankreich zu der der Afrikaner den traditionel- len Geschichtsunterricht ändern : Nicht alle heutigen Franzosen waren Gallier, nicht alle Deutschen haben im Teutoburger Wald gegen Rom gekämpft. Seit dem Nationalstaat führen durch Überbetonung einer Iden- tität unklare Antworten über intellektuelle Grauzonen zu perspektivlosen Auseinandersetzungen und Krie- gen : der →  »Anschluss« Österreichs an Deutschland (gleiche Sprache), der Zerfall Jugoslawiens (verschie- dene Religionen : katholische Kroaten, orthodoxe Ser- ben, mohammedanische Bosniaken, und konfessions- lose Bürger). Minimale Sprachunterschiede werden trotz gleicher Sprache »wissenschaftlich« durch Neo- logismen oder Archaismen bereichert, um die eigene politisch »gewollte« Sprache als möglichst eigenartig darzustellen und abzugrenzen. Es gibt trotz einer latenten Hierarchie der Identi- tätskriterien eine Nationwerdung mit vorherrschender Rechtsgemeinschaft, wo Sprache und Religion keine differenzierende Rolle mehr spielen (europäisches Konzept). Man ist Österreicher trotz gleicher Sprache mit den Deutschen (Katholiken und Protestanten) in Deutschland, oder trotz gleicher Sprache mit den Slowenen in Slowenien. Im Hinblick auf die Sprache ist man »glottonymisch« Deutscher oder Slowene. Im Hinblick auf die Religion ist man katholischer, pro- testantischer oder jüdischer Österreicher, also Katho- lik, Protestant, Jude. Das wird sprachlich meist durch Formulierungen verwischt wie »die Slowenen und die Österreicher« statt die slowenischen und die deutschen Österreicher oder die österreichischen Slowenen und die österreichischen Deutschen. Bei Neuzuwanderung : »die türkischen und albanischen Österreicher«. Alles endet zwangsläufig mit der »Passnation« und dem »Migrati- onshintergrund«. Ein anderes Problem entsteht bei Minoritäten. Sind die karantanischen Slowenen eingewandert, die ande- ren (heute bairisch-deutschen) Österreicher nicht ? Wie ist die Position der (heute) österreichischen Slowenen gegenüber den Slowenen Sloweniens ? Die Kärntner Slowenen wurden auf Anregung des Kärntner Histo- rikers und Nationalsozialisten →  Wutte in Natio- nalslowenen (»heimatfeindlich«) und →  Windische (»heimattreu«) geteilt : Windisch sei nicht Slowenisch, sondern ein altertümlicher Mischdialekt der Kultur- sprache Deutsch, schließlich germanisch. Dies wurde 1972 in der Ortstafelkommission der österreichischen Bundesregierung von den Slawisten →  Issatschenko und Kronsteiner erstmals seit der nationalsozialisti- schen »Ostmark« offiziell als linguistisch unrichtig und
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Untertitel
Von den Anfängen bis 1942
Band
1: A – I
Autoren
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
542
Kategorien
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
  2. Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
  3. Geleitwort von Johannes Koder 9
  4. Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
  5. Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
  6. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
  7. Verzeichnis der Siglen 40
  8. Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
  9. Editoriale Hinweise 51
  10. Lemmata Band 1 A – I 55
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