Seite - 339 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Ferlach/Borovlje
KS 19. 1. 1938
konzentrierte sich der Großteil der Betriebe der Me-
tallindustrie ab der 2. Hälfte des 19. Jh.s in F./B. selbst.
Die langsamere wirtschaftliche Entwicklung des Ortes
kann man einerseits der Nähe von Klagenfurt/Celovec
zuschreiben, weshalb aus Angst vor Konkurrenz die
Ausbildung eines urbanen Ortes mit allen Rechten ei-
nes Markt- und Handwerkszentrums behindert wor-
den sein könnte. Andererseits war F./B. bis zum Beginn
des 20. Jh.s ohne Bahnanbindung und auch danach
wurde nur eine lokale Abzweigung von Kappel an der
Drau/Kapla ob Dravi errichtet. F./B. erhielt das Markt-
recht erst 1910.
Zahlreiche Rezessionserscheinungen der Ferlacher
Wirtschaft führten zum langsamen Wachstum der
Bevölkerung, die zwischen 1869 und 1910 von 1.527
lediglich auf 1.584 stieg. Wegen des beträchtlichen
Anteils der Beschäftigten in den Bereichen des Hand-
werks und der Industrie unterschied sich die soziale
Struktur von F./B. und der Orte im unmittelbaren
Umland beträchtlich vom stark agrarisch geprägten
Rosenthal/Rož. Handwerk und Industrie hatten auch
Einfluss auf die Entwicklung der anderen Bereiche. So
wurde die erste Schule von F./B., in der der Unterricht
in slowenischer und in deutscher Sprache abgehalten
wurde, bereits 1777 eingerichtet. 1878 wurde die Büch-
senmacher-Fachschule gegründet. Für den Ort war
auch von Bedeutung die Gründung der Bürgerschule
(1909–1911), die 1927 in eine vierklassige Hauptschule
umgewandelt wurde.
F./B., in dem 1880 die Hälfte der Bevölkerung slo-
wenischsprachig war, war auch ein bedeutendes poli-
tisches und kulturelles Zentrum der Kärntner Slowe- nen. Das gilt noch besonders für die Zeit nach 1848
(→ Revolutionsjahr 1848), als sich am Übergang aus
einer agrarisch-feudalen Gesellschaft zu einer Indus-
triegesellschaft die Slowenen zu einer modernen eu-
ropäischen Nation wandelten und es zwischen den
deutsch- und slowenischsprachigen Einwohnern zu
immer stärkeren interethnischen Gegensätzen kam
(→ Oktroyierte Märzverfassung 1849). Als sich Ende
der 60er-Jahre und zu Beginn der 70er-Jahre des 19.
Jh.s endgültig die nationalen Differenzierungsprozesse
manifestierten, hatte die deutschliberale bzw. deutsch-
nationale Seite wegen des Wahlrechts eine privilegierte
Stellung, während die slowenische nationale Bewegung
und die Arbeiterschaft in einer untergeordneten Rolle
blieben (→ Wahlordnungen, → Wahlkreiseinteilung,
Franz → Muri).
Trotzdem kommt es bereits bald nach 1848 in F./B.
und den umliegenden Orten zu den ersten Formen
organisierten kulturellen und politischen Lebens der
Slowenen. Es wurde ein Leseverein gegründet, zwei
Jahrzehnte später breitete sich das Vereinsleben der
Slowenen weiter aus (→ slovanska čitalnica, → Lese-
kultur). Im November 1870 wurde das Katoliško kon-
stitucionalno društvo za boroveljski sodni okraj [Kato-
lisch-konstitutioneller Verein für den Gerichtsbezirk
Ferlach] gegründet, im Mai 1871 gründeten demokra-
tisch-orientierte Slowenen den Napredovansko društvo
v Ročni [sic !] dolini [Rosenthaler Fortschritt-Verein].
Obwohl beide Vereine bereits zu Beginn der 80er-Jahre
des 19. Jh.s ihre Tätigkeit einstellten, trugen sie doch
wesentlich zur organisierten Form des slowenischen
Kulturlebens und zur wirtschaftlichen Entwicklung bei.
Zunächst war es verbunden mit dem Chorgesang, spä-
ter kamen Auftritte von Laienspielgruppen hinzu.
Bis zum Beginn des 20 Jh.s war das slowenische
Kulturleben in F./B. gänzlich unorganisiert. Wesentlich
besser war die Situation im nahe gelegenen Glainach/
Glinje, das die örtliche Darlehenskasse (→ Genossen-
schaftswesen) unterstützte sowie in Unterloibl/Podlju-
belj. Die kulturelle Tätigkeit der slowenischen Ferlacher
beschränkte sich auf den Gesang der slowenischen Kir-
chenlieder. Sie waren jedoch nicht als Verein organisiert.
Auch in der Schule in F./B. war die Unterrichtssprache
lediglich Deutsch, das Slowenische wurde nur teilweise
beim Religionsunterricht verwendet.
Das organisierte Vereinswesen in F./B. lebte im
März 1906 mit der Gründung des Tamburaško društvo
»Strel« [Tamburizza-Verein Strel] wieder auf. Später
wurden noch einige weitere Vereine gegründet, wo-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55