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Ferlach/Borovlje
Ferlach/Borovlje, KMD 1889
bei Podružnica Borovlje → Družbe sv. Cirila in Metoda
[Zweigverein Ferlach des Kyrill und Method-Vereins],
gegründet im Dezember 1907, Telovadno društvo »So-
kol« [Turnverein »Sokol«], gegründet im September
1909, sowie Izobraževalno društvo za Borovlje, Podljubelj
in okolico [Bildungsverein für Ferlach, Unterloibl und
Umgebung], gegründet im Dezember 1912, hervor-
zuheben sind (→ Borovlje, Slovensko prosvetno društvo,
→ Kulturvereine, → Tamburizzamusik). Alle diese
Vereine waren im Hinblick auf das slowenische Iden-
titätsbewusstsein tätig, weshalb ihre Veranstaltungen
häufig Ziele von Störaktionen deutschnationaler Kreise
waren oder sie von den lokalen Behörden beschränkt
wurden.
Die Tätigkeit der slowenischen Vereine hörte nicht
einmal während des Ersten Weltkriegs völlig auf, ob-
schon sie sich vor allem auf die Veranstaltung geselliger
Abende beschränkte. Zu einer neuerlichen Steigerung
der Aktivitäten kam es im Mai 1917 im Zuge der Un-
terschriftenaktion für die →
Maideklaration und ganz
besonders nach dem Ende des Krieges und dem Zerfall
der österreichisch-ungarischen Monarchie, da das neu
geschaffene Königreich der Serben, Kroaten und Slo-
wenen den Südkärntner Raum beanspruchte. In dieser
Zeit des Umbruchs wurde F./B. Sitz des slowenischen
→ Narodni svet za Rož [Nationalrat für das Rosen-
tal], der unter der Leitung des Büchsenmachers Jakob
Pošinger und des Pfarrers Jurij →
Trunk bis 2. No-
vember 1918 die Macht in der Gemeinde ausübte. Da-
bei ist zu erwähnen, dass die Slowenen aus F./B. in den
ersten Nachkriegswochen nicht ein Leben in einem
monarchisch gestalteten Jugoslawien erwogen, sondern
sich für eine demokratische Einrichtung des damali-
gen Jugoslawiens einsetzten. Am 19. November 1918
besetzten slowenische Freiwillige unter der Leitung
von Major Alfred Lavrič F./B., doch mussten sich die
slowenischen Soldaten im Zuge der Grenzkämpfe be-
reits im Jänner 1919 aus F./B. und seiner Umgebung
zurückziehen (→ Grenzfrage 1918–1920). Ebenso
mussten die Mitglieder des slowenischen Nationalrates
nach Ljubljana flüchten. Als im Zuge der Verhandlun-
gen in Paris beschlossen wurde, dass über die staatli-
che Zugehörigkeit von Südkärnten/Južna Koroške eine
→ Volksabstimmung abgehalten werden sollte, nah-
men slowenische Truppen erneut F./B. unter ihre Kon-
trolle. Für diese Periode vor der Volksabstimmung ist
kennzeichnend, dass die jugoslawischen (slowenischen)
Besatzungskräfte im Bereich der Zone A die politi-
sche Tätigkeit sowohl der österreichisch-deutschen als auch der slowenischen politischen Parteien verboten.
Teilweise wichen sie von dieser Position lediglich bei
der Jugoslovanska demokratska stranka [Jugoslawische
demokratische Partei] ab, die als ein Gegengewicht zu
den österreichischen sozialdemokratischen Vorfeldor-
ganisationen galt. Die slowenischen Sozialdemokraten,
insbesondere jene aus Feistritz im Rosental/Bistrica v
Rožu, setzten sich für eine Vereinigung aller Vorfeld-
organisationen der österreichisch-deutschen Sozialde-
mokraten aus dem Rosental/Rož mit der Zentrale in
Ljubljana ein. Das wiederum lehnten die Ferlacher So-
zialdemokraten entschieden ab und trugen gleichzeitig
in bedeutendem Ausmaß dazu bei, dass die Abstim-
mung am 10. Oktober 1920 zugunsten Österreichs aus-
ging. Als F./B. 1930 zur Stadt erhoben wurde, wurde in
einem Dokument, das die Erhebung von einem Markt
in eine Stadt begründete, festgehalten, dass in der Zeit
der Besatzung und der Abstimmung Ferlach die wich-
tigste Stütze der republikanischen, österreichischen,
Kärntner Idee gewesen sei. Es habe mit dieser Haltung
nicht nur selbst viel zum Sieg beigetragen, sondern da-
mit auch in höchstem Maße auf das ganze Rosental/
Rož Einfluss gehabt.
Nach der Volksabstimmung fanden die Slowenen
aus F./B. völlig veränderte Rahmenbedingungen vor.
Viele, die für Jugoslawien gestimmt hatten, mussten
Südkärnten/Južna Koroška verlassen (→ Vertreibung
1920), gleichzeitig stieg der Assimilationsdruck auf
die Kärntner Slowenen (→ Assimilation). Das organi-
sierte Kulturleben der Slowenen kam fast völlig zum
Erliegen, sodass die Slowenen aus F./B. zur Erneue-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55