Seite - 358 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Frauenfrage
davanje za uvod : Feminizem in materinstvo. In : Delta 1–2 (Ljubljana)
1995, 47 ; D. Zaviršek : Motnje hranjenja : Žensko telo med kaosom in
nadzorom. In : Delta 3–4 (Ljubljana) 1995, 67–68 ; C. Olivier : Die
Söhne des Orest : Ein Plädoyer für Väter. München 1979, 179 ; A. Leira :
The Modernisation of Motherhood. In : Woman, Work and the Family
in Europe. London in New York 1998, 161–162 ; R. Sieder : Socialna
zgodovina družine. In : Studia Humanitatis 27, 61 (Ljubljana 1998)
242–243 ; A. Giddens : Preobrazba intimnosti : Spolnost, ljubezen in
erotika v sodobnih družbah. Ljubljana : 2000 ; A. Oakley : Gospodinja.
Ljubljana 2000, 62 ; I. Destovnik : Moč šibkih, ženske v času kmečkega
gospodarjenja. Klagenfurt/Celovec 22011.
Irena Destovnik ; Üb.: Bojan-Ilija Schnabl
Frauenfrage. Diskussion der Stellung der Frau insbe-
sondere auf sozialem, wirtschaftlichem und politischem
Gebiet, verbunden mit der Begründung von und der
Bestrebung nach Gleichberechtigung, v. a. gleichbe-
rechtigtem Zutritt zu Bildung, Erwerbstätigkeit und
politischen Rechten
Wie im slowenischen Gebiet insgesamt wurde auch
in Kärnten/Koroška die F. seit Mitte des 19. Jh.s eng
mit der slowenischen nationalen Frage verbunden und
die Stellung der Frau im Rahmen der nationalen Bewe-
gung thematisiert. Dabei förderten die vorherrschende
konservativ-klerikale Orientierung der männerdomi-
nierten Politik und die in Kärnten/Koroška besonders
ausgeprägte führende Rolle der katholischen Geistlich-
keit patriarchale Sichtweisen auf das Geschlechterver-
hältnis.
Als Grundeinheit der Gesellschaft galt die Familie.
Der Mann war zuständig für ihre materielle Sicherung,
die Frau sollte ihre erfüllende Lebensaufgabe als Mut-
ter und Hausfrau finden. Die Macht in der Familie
lag, wie Janez Evangelist →
Krek erklärte, beim Vater,
während die Mutter seine Helferin war. Das patriar-
chale Ehe- und Familienmodell wurde im österreichi-
schen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811
rechtlich kodifiziert und galt in seinen Grundzügen bis
in die zweite Hälfte des 20. Jh.s.
In ihrer nationalen Rolle war die (Kärntner) sloweni-
sche Frau zuständig für die Geburt neuer Generationen
und die Weitergabe der slowenischen Sprache und Kul-
tur sowie der katholischen Religion. Sie sollte die Liebe
zum slowenischen Volk vermitteln, das als Familie je-
ner verstanden wurde, die die gleiche Sprache sprechen
und von gleichem Blut sind, wie auch die Wertschät-
zung der slowenischen Kultur, die von der deutschna-
tionalen Ideologie als minderwertig dargestellt wurde
(→ Windischentheorie). Wegen der Benachteiligung
des Slowenischen im Kärntner →
Schulwesen hatte die sprach- und kulturerzieherische Aufgabe der Frau
einen besonderen Stellenwert.
Damit die Frau die ihr zugewiesenen Rollen erfüllen
konnte, wurde eine ihren Aufgaben entsprechende slo-
wenische Bildung gefordert. Dies bedeutete in Kärnten/
Koroška v. a. die Einrichtung slowenischer Haushal-
tungskurse sowie der von den slowenischen → Schul-
schwestern geleiteten Hauswirtschaftsschulen in
St. Ruprecht/Šentrupert bei → Völkermarkt/Velikovec
und → St. Peter/Šentpeter bei St. Jakob im Rosental/
Šentjakob v Rožu (→ Schulschwestern, slowenische).
Wie Matej → Ražun, Proponent der Haushaltungs-
schule in St. Peter/Šentpeter, 1905 erklärte : Eine nati-
onal und religiös bewusste Jugend werde man mithilfe
bewusster Mütter erziehen, und so wie die Slowenen
nationalbewusste Mütter brauchen, brauchen sie auch
wirtschaftlich ausgebildete Hausfrauen.
Im Kampf gegen die Krisen der Moderne und den –
in Kärnten/Koroška deutschen – Liberalismus sollte
die patriarchale bäuerliche Familie als Kernschicht
des Slowenentums bewahrt werden. Daher sollte die
(Kärntner) Slowenin gerne Bäuerin sein und mit ihrer
mannigfaltigen Tätigkeit in der Küche, im Stall und am
Feld die bäuerliche Wirtschaft stützen. Sie sollte nicht
in die – deutsch konnotierte – Stadt streben, aus der
verderbliche Einflüsse aufs slowenische Land vordran-
gen. Der Imperativ der Treue zur slowenischen Scholle
wurde unterstrichen durch ihre Mystifizierung als für-
sorgliche Mutter, die für die Ernährung und Bewah-
rung des slowenischen Volkes sorgt.
Jede Veränderung der patriarchalen Geschlechter-
verhältnisse wurde als bedrohlich angesehen, da sie
nicht nur die weibliche »Natur« und die bestehende ge-
sellschaftliche Ordnung, sondern insbesondere den Be-
stand des slowenischen Volkes gefährden konnte. Der
konservative Geschlechterdiskurs und der national ge-
prägte Blick auf die F. finden sich daher in zahlreichen
(Kärntner) slowenischen Publikationen der letzten
Jahrzehnte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jh.s.
Das Insistieren auf traditionellen Geschlechtermodel-
len ist aber auch ein Indiz dafür, dass sie in der Lebens-
realität der Menschen zunehmend brüchig wurden.
Pavel → Turner stellte 1881 im → Kres fest, dass
die Betrachtung und Lösung der F. bei den Slowenen
noch als ein wenig unnotwendig gesehen werde, ob-
wohl sie in engster Verbindung mit dem Fortschritt
stehe, denn wie die Frau, so die Familie, und wie die
Familie, so das Volk. Kenntnisse der Küchenangelegen-
heiten seien zwar für jede Frau die erste Aufgabe, doch
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55