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Gailtal/Ziljska dolina
Gailtaler slowenische Reiter
in Wien 1910 (?), Archiv
Paul Miroslav Schnabl
Stara pošta, dežela in ljudje keit der Gailtaler Slowenen, die ihnen relativen Wohl-
stand und wirtschaftliche Unabhängigkeit bescherte.
In der weitgehenden wirtschaftlichen Unabhängigkeit
liegt auch eine der Ursachen dafür, dass das Untere
Gailtal/Zilja trotz des Vorrückens des Deutschen im
Mittelalter slowenisch blieb. Der wirtschaftliche Ab-
stieg der Gailtaler Slowenen ging mit dem Bau der
Gailtalbahn von Arnoldstein/Podklošter bis → Her-
magor/Šmohor (1894) einher. Etwas zeitversetzt folgte
dem wirtschaftlichen Verfall das Einsetzen der → Ger-
manisierung. Der slowenische → Gailtaler Dialekt
(ziljsko narečje) wird heute beinahe ausschließlich von
älteren Menschen beherrscht ; im Alltag aber oft nicht
mehr gesprochen. Flora → Rauter (* 1896 St. Leon-
hard bei Siebenbrünn/Šentlenart pri Sedmih studencih,
† 1996 Villach/Beljak) schrieb slowenische Gedichte
mit dialektalem Anklang. Die Dichterin Maria Bar-
toloth (* 1938 Göriach/Gorje) schreibt Gedichte in
slowenischem Gailtaler Dialekt. In den letzten Jahren
gibt es im Gailtal und im Val Canale/Kanaltal/Kanalska
dolina verstärkt Bemühungen, den → Dialekt vor dem
Aussterben zu bewahren ; u. a. erschien die CD Črnjəva
kapca [Rotkäppchen] mit Märchen im Gailtaler Dia-
lekt. Alessandro Oman verfasste mehrere Bücher, die
den slowenischen Dialekt im Val Canale/Kanaltal/
Kanalska dolina dokumentieren. Der Dokumentation
des slowenischen Gailtaler Dialektes widmen sich auch
mehrere international anerkannte Sprachwissenschaf-
ter (u. a. Karmen Kenda Jež, Tijmen Pronk).
In der slowenischen Ethnografie und Dialektologie
wird die Gegend um Villach/Beljak und den Faaker
See/Baško jezero als Übergangszone vom Gailtal/Zilja
zum östlich anschließenden Rosental/Rož gesehen. Brauchtum, Tracht und Kulturlandschaft. Charak-
teristische → Bräuche des einst slowenischen Unteren
Gailtales/Zilja sind das → Kufenstechen (štehvanje),
der Lindentanz (rej pod lipo, →
prvi rej), die Hochzeits-
bräuche (ziljska ohcit) und die Ansinglieder (koledovanje,
Gailtaler Slowenisch : kaleda) (→ Lied). Während ei-
nige Bräuche, wie das Schappen oder Pisnen (šapanje)
am Unschuldigen Kindertag (28. Dezember), weithin
verbreitet sind, sind andere Bräuche nur mehr lokal
bekannt. In Göriach/Gorje hat sich ein Kinderbrauch
erhalten, der bis zum Vorabend des Zweiten Welt-
krieges noch in anderen Teilen des Unteren Gailtales/
Spodnja Zilja begangen wurde. Am 31. Oktober gehen
die Kinder von Haus zu Haus »krápəčvat« und bitten
mit dem Satz »Prosən za en krápəč !« um einen Krapfen.
Ein weiterer nur lokal erhaltener Kinderbrauch wird an
Christi Himmelfahrt in Achomitz/Zahomec begangen.
Die Kinder ziehen dabei von Haus zu Haus und ru-
fen : »Sjəjtə, sjəjtə, da bo kej žita gratalə !« [Sähet, sähet,
damit das Korn gerät !]. Daraufhin tritt die Hausher-
rin vor die Tür und »sät« Süßigkeiten und Geld für die
Kinder.
Die Untergailtaler Festtracht, die im slowenischen
Dialekt svenščə gvant [slowenisches Gewand] genannt
wird, hebt sich deutlich von den anderen Trachten Ös-
terreichs ab. Sie ähnelt vielmehr der Tracht der Ka-
naltaler Slowenen und den Trachten aus der Gorenjska
(Oberkrain), besonders jener von Rateče. Die Tracht
spiegelt den gemeinsamen Kulturraum wieder (vgl.
→ Gailtaler Dialekt und seine Verbreitung ; → Gailta-
ler Tracht). In jüngerer Zeit wurde die Untergailtaler
Festtracht im Rahmen des Villacher Kirchtages popu-
larisiert.
Die → Kulturlandschaft des Unteren Gailtales/Zilja
wird noch heute von (Doppel-)Harpfen (slowenisch :
kozolec, Gailtaler Slowenisch : stôg) geprägt. Dieser
Harpfentypus verbindet das Untere Gailtal/Zilja mit
dem Val Canale/Kanaltal/Kanalska dolina und der Go-
renjska (Oberkrain).
Religion. Aus religiöser Sicht nehmen die Gailta-
ler Slowenen eine Sonderstellung unter den Kärntner
Slowenen ein. Protestantische Prediger lassen sich im
16. Jahrhundert für das ganze, damals überwiegend slo-
wenischsprachige Gebiet zwischen Hermagor/Šmohor
und dem Faaker See/Baško jezero nachweisen. Noch
1808 erwähnt Urban → Jarnik (nach F. Kidrič) slo-
wenische Protestanten u. a. in Egg/Brdo (das ihnen
nächstgelegene evangelische Bethaus befand sich in
Watschig [Vočiče]). Auch im Unteren Gailtal/Zilja und
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55