Seite - 391 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Bild der Seite - 391 -
Text der Seite - 391 -
391
Gattung, literarische
www.slolit.at Standard, mit dem Adjektiv narodna versehen [Volks-
sage]. Zur Vielfalt steuerten einzelne Humoresken, Bil-
der, Kurzgeschichten usw. bei. Es gab kaum Prosa ohne
Kennzeichnung des Genres. Die publizierte Lyrik hatte
keine Gattungsbezeichnungen, in den Titeln wird aber
die Herkunft aus dem Volk betont. Ein Sonett und ein
Sonettenkranz sind wieder der Verdienst des strebsa-
men Koder. Dichter sind in der Zeitschrift Kres vor-
herrschend. Bei der Mohorjeva war der Anteil der Bel-
letristik sehr unterschiedlich, im Durchschnitt machte
sie ein schwaches Viertel aus. Die Anzahl der Prosais-
ten war größer als die der Dichter, Dramatiker aber hat
es kaum drei auf 100 Autoren gegeben. Die meisten
Bücher waren seit 1860 im Rahmen der Reihe → Slo-
venske večernice erschienen, wo sie in Gesellschaft der
erbaulichen Literatur waren, die den hervorstechenden
Anton Martin → Slomšek zum Autor oder Redakteur
hatte (→ Gebetbücher, Glaubenslehren, Heiligenviten,
→
Kirchenlieder und praktisch belehrende Bücher).
Der erste lange Prosatext bei der Mohorjeva 1853 war
die Übersetzung von Wilhelm Baubergers Blagomir
puščavnik. In der Regel waren die Prosatexte kurz, auf-
grund des Mediums (→ Koledar Mohorjeve družbe) und
von ihrem Charakter her entspricht ihnen die Bezeich-
nung Kalendergeschichte.
Die Mohorjeva hat mit Literaturpreisen die bäuerli-
che, historische, regionale, volkskundliche und biografi-
sche Prosa angeregt. In den 50er- und 60er-Jahren war
Übersetzungsliteratur nach dem Muster von Christoph
→
Schmid und seinen glaubenserzieherischen Ge-
schichten vorherrschend (Heiligenviten von Frauen,
Mädchen-, Missions- und Märtyrergeschichten). In
den 60er- und 70er-Jahren standen originale histori-
sche Geschichten aus dem 15. Jh. an erster Stelle, da-
bei drehte sich die Thematik um die Türkeneinfälle
in die slowenischen Länder. In der Zeit von 1880 bis
1910 wiederum war es die Bauerngeschichte. Die his-
torischen Geschichten bei der Mohorjeva waren im
Unterschied zum historischen Roman, wie ihn Josip
→
Jurčič in Anlehnung an Walter Scott schrieb,
nach dem Muster des antiken Liebes- und Abenteu-
erromanes aufgebaut. Dieser wurde im Mittelalter zum
christlichen Familien-Abenteuerroman modifiziert,
indem die Geschlechterverhältnisse durch Familien-
verhältnisse ersetzt wurden. Die Geschichten nach
dem Muster von Christoph Schmid sorgten für die
religiöse Erziehung, die historischen Geschichten für
die nationale und die Bauerngeschichten für die wirt-
schaftliche Erziehung. Nach 1910 gesellte sich zu der Vielfalt der populären Genres noch die humoristische
Geschichte. Die Kurzprosa begann mit Übersetzun-
gen von Jäger- und Berggeschichten, diese aber wurden
bald durch Geschichten mit Geschehnissen in Russ-
land oder sogar Sibirien ersetzt, was wir als Ausdruck
der Sympathien für das Slawische verstehen können (→
Panslawismus).
Die belletristischen Texte wurden bei der Mohorjeva
meist nach literarischen Gattungen gekennzeichnet,
am häufigsten als povest [Erzählung] (ein Viertel der
Erzählungen betrifft die Kurzprosa, 13 % die längere
Prosa), narodna pripovedka [Volkssage], črtica [Kurz-
geschichte] und pravljica [Märchen] haben jeweils
10 % der Kennzeichnungen, andere Kennzeichnungen
(slika, zgodba, spomini … [Bild, Geschichte, Erinnerun-
gen …]) waren seltener. Unter den Buchausgaben he-
ben sich wegen der Nachdrucke ab : Heiligenviten, na-
turkundliche Tiergeschichten (Živali v podobah [Tiere
in Bildern]), Tiermärchen und kirchliche Gesangbü-
cher. Das Fehlen bzw. eine sehr schwache und späte
Vertretung kennzeichnet den Roman und die Novelle.
Romane erscheinen bei der Klagenfurter Mohorjeva
erst nach 1957 in größerer Anzahl. Heute besteht die
Hälfte der Auflagen aus Romanen (historische, auto-
biografische, Kriminalromane, Tagebuchromane, Aus-
sageromane), nur die Hälfte der Bücher, aber immer
noch viele, sind Lyrikbände, der Rest (Dramen, Kurz-
prosa, Essays, Novellen …) ist selten. Für die volkstüm-
liche längere Prosa wird noch immer die jetzt schon
anachronistische Kennzeichnung povest [Erzählung]
verwendet. In der Zeit, als die pokrajinska povest [regio-
nale Erzählung] in Mode war, wurde Kärnten/Koroška
hauptsächlich von Autoren, die nach 1920 in Slowe-
nien/Jugoslawien lebten (Ksaver → Meško, Na Poljani
1907, → Prežihov Voranc) oder aus Slowenien wa-
ren, thematisiert. Bei Ivan → Pregelj (Umreti nočejo :
Zgodbe slovenske bolečine na Koroškem [Und sie wollen
nicht sterben : Geschichten vom slowenischen Schmerz
in Kärnten], 1930) und Ivan → Matičič (Moč zemlje
[Die Kraft der Erde], 1931) geht es konkret um die The-
matik der → Volksabstimmung, also um eine national
propagandistische Erzählung, die man auch unter slo-
wenischen Grenzroman einordnen könnte (→ Grenz-
kämpfe 1919–1920) oder aber als Heimatroman. In
der Kärntner slowenischen Literatur, wie sie in An-
thologien, Literaturzeitschriften und auf Internetseiten
widergespiegelt wird, sind nach 1945 Lyrik und Prosa
quantitativ gleichmäßig vertreten. Bei der Prosa geht
es um gesellschaftskritische, satirische und erotische
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55