Seite - 487 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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Herberstein, Sigismund Freiherr von
Herberstein, Sigismund Freiherr von (Siegmund,
Žiga, * 24. August 1486 Vipava [Vipacco/Wippach in
der Notranjska/Innerkrain], † 28. März 1566 Wien),
Diplomat, kaiserlicher Gesandter, Humanist, Ethno-
graf, Autobiograf, Begründer der Russlandkunde.
H. entstammte einem ursprünglich in der Steiermark
(Štajerska) ansässigen Geschlecht, welches im 15. Jh.
auch in → Krain (Kranjska) zu Besitz kam. Seine Vor-
fahren väterlicherseits waren Hauptmänner (capitanei)
am Kras (Carso/Karst) sowie in Innerkrain (Notran-
jska) und besaßen u. a. die Herrschaften Lupoglav (Ma-
renfels) in Istrien (Istra), Vipava (Vipacco, Wippach)
in Innerkrain und Hrastovec (Gutenhag) in der Un-
tersteiermark (Spodnja Štajerska) sowie ein Freihaus
in → Trieste/Trst/Triest. Mütterlicherseits entstammte
H. den berühmt-berüchtigten Luegg (Lienz, Lu-
ger, Log, Logarji), die in der Notranjska das Fel-
senschloss Jama besaßen und wegen unehrenhaften
Verhaltens sowohl des Großvaters Nikolaus als auch
des Onkels Erasmus von H. in kaiserliche Ungnade
fielen. Die Mutter von H., Barbara, war die Schwester
der Mutter von Christoph → Rauber. H. besuchte bis
zum Tod der Mutter 1496 in Vipava und Lonspach (?
Ložane/Losach) die Schule, wo er in deutscher und slo-
wenischer (»windischer«) Sprache unterrichtet wurde
– dieser autobiografische Hinweis räumt die Möglich-
keit nicht aus, dass die Muttersprache von H. Furlan/
Friaulisch gewesen sein und somit auch als Erklärung
für seine Italienischkenntnisse herangezogen werden
könnte. H. kam als zehnjähriger Halbwaise nach Gurk
(Krka), wo er eine Pagenausbildung erhielt. 1497 begab
sich H. mit seinem Bruder Georg nach Wien. Nach der
zweijährigen Schulzeit bei St. Stefan (1497–1499) stu-
dierte H. ab 1499 an der Artistenfakultät, die er 1502
mit einem Bakkalaureat abschloss. Zwischen 1509 und
1514 stellte H. im Venezianerkrieg seine militärischen
Fähigkeiten unter Beweis, wofür ihn Kaiser Maximi-
lian I. mit dem Ritterschlag, dem Titel eines Rates und
der Verwendung im diplomatischen Dienst belohnte.
Seine insgesamt 69 diplomatischen Missionen führten
H. u. a. nach Dänemark, Venedig, Spanien, in die Nie-
derlande, Ungarn, Polen und ins Moskauer Reich, das er
zweimal besuchte (1516/1518 und 1526/1527) ; für den
ersten Aufenthalt war ursprünglich sein Cousin Rau-
ber vorgesehen gewesen, der schließlich H. vorschlug.
H. reihte sich in die Gruppe jener Diplomaten ein, die
aus der Berührungszone der slawischen, romanischen
und germanischen Welt stammten, das slawische (slo-
wenische) Idiom beherrschten und von den Habsbur- gern bevorzugt für die Ostdiplomatie eingesetzt wur-
den. H. bekannte in seinen Schriften freimütig ein, dass
ihm die slowenische (»→ windische«) Sprache – trotz
Verspottungen in seiner Jugend – große Dienste im
späteren Berufsleben erwiesen habe (→ Adelssprache).
H. war Mitglied des niederösterreichischen Regi-
ments, des Kriegs- und Geheimrates, zog 1526 in die
Niederösterreichische Raitkammer ein, deren Präsi-
dentschaft er von 1539 bis zu seinem Tod ausübte, war
seit 1537 Mitglied des Kriegsrates, in dem er 1543
den Vorsitz übernahm, bekleidete seit 1556 das Amt
eines Erbkämmerers und Erbtruchsesses von Kärn-
ten/Koroška, betätigte sich als Mäzen für Studierende
aus Krain (Kranjska), als Förderer des Humanismus,
als Sponsor von Dedikationen und setzte sich für die
finanziellen Belange der Wiener Universität ein. H.
war um die Besserung des Familienwappens (1522),
die Erhebung zu Freien (1531) und 1537 in den erb-
lichen Freiherrenstand sowie um die Hebung seiner
Familienehre sehr bemüht, hinter diesem Hintergrund
sind seine zahlreichen Schriften zu sehen. Sein Œu-
vre umfasst Selbstzeugnisse, Rechtfertigungsschriften,
Beschreibungen von Naturerscheinungen sowie seine
berühmte »Moscovia«, die unter dem lateinischen Ti-
tel Rerum Commentarii Moscoviticarum noch zu seinen
Lebzeiten in lateinischer (1549 Wien), deutscher und
italienischer Sprache erschien. Das viel gelesene und
viel rezipierte Werk trug H. den Titel Entdecker Russ-
lands ein. Ob H. jedoch die lateinische Version selbst
verfasste, ist zweifelhaft, zumal neueste Forschungen
zwingend nahelegen, dass H. einen Ghostwriter en-
gagierte, nämlich den aus Krain (Kranjska) stammen-
den Humanisten und Wiener Universitätsprofessor für
Poetik und Rhetorik, Lukas Gutenfelder (Drinak/
Bonicampius/Agathopedius), mit dem der kinderlose
H. eine Vater-Sohn-Beziehung unterhielt und für den
H. 1562 eine Leichenrede in Auftrag gab. H. war sehr
daran interessiert, von den Zeitgenossen als Humanist
anerkannt zu werden, davon zeugen nicht nur die er-
haltene Korrespondenz, sondern auch Lobgedichte, die
ihm zu Ehren verfasst wurden.
H.s Ehe mit Helene Saurau (∞ 1523, verwitwete
Graswein) blieb kinderlos, vermutlich wegen Syphi-
lis, an der H. seit den Venezianerkriegen litt. Er starb
hochbetagt am 28. März 1566 in Wien.
Werke und Quellen (Auswahl) : Rerum Moscoviticarum Commen-
tarii Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain, Neiperg & Guetten-
hag. Viennae 1549 (weitere Ausgaben : Basel 1551, 1556 und 1571,
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55