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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
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520 Immersion malen aktiven Wortschatz in ihrer Muttersprache ge- braucht, ist eine mehrsprachige Person viel eher mit der inneren Frustration konfrontiert, eine der gesprochenen Sprachen funktional aktiv schlechter zu beherrschen. Das gilt bei einer zweisprachigen Person umso mehr, als je nach Sprechsituation die subjektiven Sprach- kenntnisse in einer der beiden Sprachen oftmals funk- tional geringer sind. Eine mehrsprachige Person kann dagegen dieses Manko in einer Sprache eher »relativie- ren« und empfindet es daher weniger stark frustrierend. Allein diese Frustration und das Bewusstsein des unter- schiedlichen Sprachniveaus führen in der Regel zu ei- nem »Schneeballeffekt« beim Gebrauch. Die subjektiv dominante Sprache kommt, weil dies als leichter emp- funden wird, tendenziell vermehrt zur Anwendung und wird somit gefördert, die andere regressiert. Die I. ver- leiht hingegen der jeweiligen Sprache eine subjektive Relevanz, wodurch der Lerneffekt gestärkt wird. Zu- dem werden automatische, menschliche Vermeidungs- strategien wie geistiges »Abschalten« oder Flucht in die innere Kommunikation erschwert. Bei diesem kommt der Automatismus zum Tragen, wonach man bei der Kommunikation in jene Sprache wechselt, die man als »leichter« empfindet bzw. bei der man bessere relative, funktionale Sprachkenntnisse hat. Die Selbsttäuschung, man habe das Lernziel ohnehin erreicht, wird durch die aktive Praxis einer ständigen Prüfung unterzogen und strukturell überwunden. Die I. hat damit einen Einfluss auf den nachhaltigen Spracherwerb und somit auf die sprachliche Identität des Sprechers (→  Muttersprache). Bei steigendem Alter verringern sich zwar die rein affektiven Aspekte des Spracherwerbs und der Nach- ahmung, doch die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des Spracherwerbs, nämlich →  Relevanz und Redun- danz von Sprache, bleiben bestehen. Deshalb werden etwa Sprachkurse im jeweiligen Mutterland der Spra- che (Sprachferien) und sog. Konversationskurse mit Muttersprachlern für Erwachsene abgehalten, die ein situationsbezogenes Erlernen einer Fremdsprache oder der Muttersprache fördern und erleichtern sollen. Eine frühe historische Beschreibung dieser Methode – ohne sie noch als solche zu bezeichnen – findet sich in der →  Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. aus dem Jahr 1356. Darin wird die Notwendigkeit hervorgehoben, die sla- wischen Sprachen der Länder des Heiligen Römischen Reiches zu beherrschen und den Söhnen der Kurfürsten die rechtliche Verpflichtung auferlegt, diese ab dem Al- ter von sieben Jahren zu lernen und sie bis zum 14. Le- bensjahr zu beherrschen. Gleichzeitig wird de facto die I. als modern anmutende pädagogische Methode erläutert. Die Goldene Bulle empfiehlt muttersprachliche Haus- lehrer bzw. Konversationspartner einschließlich moder- ner »Sprachferien«, indem sie festhält : »…  [die Söhne] in Gegenden [zu] schicken, wo sie jene Sprachen erler- nen können, oder sie daheim sprachkundigen Erziehern, Lehrern und gleichaltrigen Gefährten [zu] übergeben.« Aeneas →  Piccolomini (1405–1464) vertrat in einem um 1450 verfassten Traktat, dem Erziehungsprogramm für Ladislaus Postumus (1440–1457), den Stand- punkt, das Reich habe einen multiethnischen Charak- ter, und war der Ansicht, Ladislaus könne die Spra- chen spielend durch Konversation erlernen, zumal die Sprachkenntnisse seinem Großvater Kaiser Sigismund von Luxemburg nützlich gewesen waren, die Un- kenntnis derselben seinem Vater König Albrecht II. geschadet haben (Simoniti). Nach Hannelore Burger war unter der Bevölkerung in Böhmen noch im 19. Jh. der sog. »Kindertausch« üb- lich : tschechische Kinder wurden auf einige Zeit (bis sie die Sprache erlernten) in deutsche Dörfer und um- gekehrt geschickt. Wadl weist im Zusammenhang mit einer historischen Beschreibung der Herrschaft →  Os- siach/Osoje aus dem Jahre 1803 auf eine vergleich- bare, soziolinguistisch bemerkenswerte Praxis hin, die ebenfalls der I. entspricht : »Der Hofrichter beschreibt [in seiner historischen Beschreibung der Herrschaft Ossiach/Osoje] ausführlich, dass Bauern aus →  ›win- dischen‹ Gegenden ihre Söhne über mehrere Jahre zum Spracherwerb in deutsche Orte schickten, weshalb bei den ›windischen‹ Untertanen der Herrschaft Ossiach die Männer nahezu alle →  zweisprachig, die Frauen jedoch nur einsprachig seien« (zur gesellschaftlichen Rolle der Frauen vgl. →  Frauen im ländlichen Raum). Für die so beschriebene Lernmethode bietet sich der Begriff der personalen Immersion an. Als ursprünglich aristokratische Methode des Spra- cherwerbs hat sich die I. bewährt, wie dies die Beispiele der Sprachkenntnisse aus den europäischen Adelshäu- sern bestätigen (→  Adelssprache, dort Maximilian I.), und zwar auch, weil sie, wie es die konzeptuelle Grundlage der Goldenen Bulle beweist, Ausdruck einer hohen Sprachkultur und Ethik ist. Historisch gesehen hat in Kärnten/Koroška die slowenische Kirchen- bzw. →  Liturgiesprache mit ihren Litaneien und Wieder- holungen mit strukturell denselben Lehrmethoden der funktionalen Immersion einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt und zur Entwicklung der Sprache beige- tragen. Bischof Anton Martin →  Slomšek forderte
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Untertitel
Von den Anfängen bis 1942
Band
1: A – I
Autoren
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
542
Kategorien
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
  2. Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
  3. Geleitwort von Johannes Koder 9
  4. Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
  5. Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
  6. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
  7. Verzeichnis der Siglen 40
  8. Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
  9. Editoriale Hinweise 51
  10. Lemmata Band 1 A – I 55
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