Seite - xviii - in Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät - Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Band II:1442–1557
Bild der Seite - xviii -
Text der Seite - xviii -
xx Einleitung
Diese gibt es auch: In der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbi-
bliothek liegt Siebenbürgers Nachlass88. Dieser besteht aus einer Sammlung unterschied-
licher beruflicher sowie privater Schriften – zusammengebunden zu einer Handschrift
– und wird irreführenderweise als „Tagebuch“ bezeichnet. Darin finden sich Briefe, Ins-
truktionen, Rechtfertigungsschriften, Reiseberichte sowie persönliche Notizen des Wie-
ner Bürgermeisters89. An einer Stelle90 der überwiegend in deutscher Sprache gehaltenen
Texte findet sich ein lateinischer Eintrag, dessen Schrift eindeutig als jene der drei Mat-
rikeleinträge zu identifizieren ist. Dieser schriftliche Nachlass ging nach 1522 wohl auf
Siebenbürgers Sohn Thomas über und wurde dann von dessen Witwe an ihren zweiten
Ehemann Hugo Blotius übergeben. Der Leiter der Hofbibliothek übergab die losen Blät-
ter seinem Nachfolger Sebastian Tengnagel, der sie foliieren und zu einem Kodex binden
ließ91.
Ähnlich verhält es sich bei einem weiteren Juristen, der auch in der Verwaltung der
Stadt Wien tätig war. Johannes Gösl, der sich 1531 als Magister Ioannes Gösl ex Wunsidell
Curiensi92 inskribierte und im Winter 1543 promoviert wurde, war im Wintersemester
1545 Vizedekan und zudem Beisitzer im Wiener Stadtgericht93. Im darauffolgenden Se-
mester stand er selbst der Fakultät vor (1546 I)94. Dem folgten noch mehrere Dekanate
(1547 I, 1548 I, 1549 I, 1551 I, 1553 II). Bei allen Einträgen ist dieselbe Handschrift zu
sehen. Die Schrift ist etwas eigentümlich, denn sie mischt humanistische Elemente mit
gotischen Einflüssen. Diese Hand scheint sich nicht bewusst an humanistischen Usancen
orientiert zu haben und entspricht einer frühneuzeitlichen, sauberen Gebrauchsschrift
ohne besonders hohen Stilanspruch. Sie weist zum Beispiel kein langes Schluss-s auf, auch
die Schäfte des d sind nicht gerade, sondern etwas gebogen, und erinnern noch an goti-
sche Schriften. Hingegen wird durchgängig die &-Ligatur verwendet, auch die Unter-
längen des g sind ausladend95. Johannes Gösl war im Sommersemester 1536 auch Dekan
der Artistenfakultät, und im Zuge dieser Tätigkeit führte er dort die Fakultätsakten. Der
ausführliche Eintrag96 zum betreffenden Semester ist eindeutig von derselben Hand ge-
schrieben wie alle erwähnten Passagen in der Juristenmatrikel. Hier liegt also der eindeu-
tige Hinweis vor, dass Gösl eigenhändig die Juristenmatrikel führte97.
Neben den beiden Beispielen von Juristen im städtischen Dienst ist ein beträchtlicher
Anteil der Wiener Jusstudenten dem geistlichen Stand zuzurechnen, einige von ihnen
auch dem nahe gelegenen Wiener Kollegiat- bzw. späteren Domkapitel zu St. Stephan.
Ein prominentes Beispiel eines oftmaligen Dekans an der Juristenfakultät ist Ulrich Kauf-
fmann, der auch aus paläografischer Sicht interessant ist. Der Wiener Kanoniker stammte
aus Kempten im Allgäu und ließ sich im Wintersemester 1498 als Magister Vlricus Chauff-
man ex Campidona an der Juristenfakultät einschreiben98. 1508 I, 1510 II, 1512 I, 1517 I,
1518 II, 1519 II, 1520 II, 1521 II und 1524 I war er Dekan der Fakultät, 1510 I, 1518 I
88 Wien, ÖNB, Cod. 8134.
89 Tersch, Selbstzeugnisse, 151.
90 Wien, ÖNB, Cod. 8134, fol. 128r.
91 Tersch, Selbstzeugnisse, 151.
92 UAW, MFJ II, fol. 65v.
93 UAW, MFJ II, fol. 71r.
94 UAW, MFJ II, fol. 72v.
95 UAW, MFJ II, fol. 72v–74v.
96 UAW, AFA IV (Ph 9), fol. 173v–175r.
97 Wie oben: Uiblein AFA I, XVI.
98 UAW, MFJ II, fol. 42r.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Band II:1442–1557
- Titel
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Untertitel
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Band
- II:1442–1557
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259