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xxiv Einleitung
schriebenen Gründen sicherlich attraktiver, doch möglich war eine legistische Gra-
duierung bereits weit vor dem beginnenden 16. Jahrhundert auch nördlich der Alpen.
Wie stark die Anziehungskraft italienischer Universitäten zeitweilig war, veranschau-
licht eindrucksvoll folgende Erhebung aus Erfurt: Um die Mitte des 15. Jahrhunderts
zogen 40 Prozent der Erfurter Juristen nach Italien, um dort ihr Studium abzuschlie-
ßen bzw. einen weiteren Grad zu erwerben. Dabei bildeten der Italienaufenthalt und
die in den meisten Fällen damit verbundene Promotion fast immer den letzten Teil
des Studiums, selten kam ein Jurist aus dem Süden nach Erfurt, um dort sein Stu-
dium zu beenden125.
Abschließend noch ein paar Zahlen zum Auslandsstudium: Bei der oft beschrie-
benen Mobilität mittelalterlicher Universitätsbesucher126 darf nicht vergessen werden,
dass sich das Phänomen „Studium im Ausland“ zu einem großen Teil im begüterten
Milieu abspielte. So lag an der Universität Bologna innerhalb der deutschen Nation
(in der auch Wiener Juristen inkludiert waren) der Anteil adeliger Juristen bei 75 Pro-
zent, und das bei einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von überschaubaren
20 Personen127. Auch der Besuch „österreichischer“ Studenten, also aus den Habsbur-
gerländern und dem Erzbistum Salzburg, in Italien war vergleichsweise bescheiden. In
der gesamten ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zog es kaum 50 Universitätsbesucher
nach Bologna, das entsprach somit durchschnittlich nicht einmal einem Studenten pro
Jahr128. Nach Padua gingen im selben Zeitraum zwar knapp 100 Personen, was aller-
dings auch nur zwei im jährlichen Durchschnitt bedeutet. Diese Zahlen ändern sich
jedoch grundlegend ab der Mitte des 16. Jahrhunderts: Für die Jahre von 1551 bis 1600
sind in Padua um die 1.000 „Österreicher“ verzeichnet, also die zehnfache Anzahl im
Vergleich zur vorangehenden Jahrhunderthälfte129. Hierbei ist zu beachten, dass der An-
teil „österreichischer“ Studenten an der Gesamtzahl der deutschsprachigen Studieren-
den in Italien gering war.
Das Phänomen „Deutsche in Italien“ ist insgesamt sehr komplex, vor allem weil für
den Zeitraum verlässliche Zahlen fehlen130. An vielen italienischen Universitäten ist die
Quellenlage für den betreffenden Zeitraum lückenhaft bzw. sind die universitären Quel-
len noch nicht vollständig erschlossen. Auch wenn Gesamtdarstellungen fehlen, lassen
Einzelstudien vorläufig den Schluss zu, dass deutsche Studenten einen beträchtlichen An-
teil der Promovenden an italienischen Universitäten ausmachten. Für Siena lässt sich bei-
spielsweise sagen, dass im 16. Jahrhundert durchschnittlich jede fünfte Graduierung eine
„deutsche“ war, für den Zeitabschnitt von 1485 bis 1520 sogar jede dritte. In manchen
Jahren wurden an mancher italienischen Universität beinahe nur Deutsche promoviert131.
Zudem ist festzustellen, dass der Anteil der Juristen bei den Auslandsstudenten eine er-
hebliche Rolle spielte132. Zum Beispiel wurden im Jahr 1501 an der Universität Padua
58 Personen promoviert, diese setzten sich aus 31 Juristen, 16 Medizinern, zehn Artisten
125 Gramsch, Erfurter Juristen, 110.
126 Dazu grundlegend: Andresen/Schwinges, Mobilität; Rachewiltz/Riedmann, Kommunikation.
127 Schmutz, Juristen 84; Schwinges, Reich, 240.
128 Matschinegg, Österreicher, 21.
129 Matschinegg, Österreicher, 30.
130 Punktuell gibt es einige Studien, z. B.: Daniels, Un processo, 7–35; Denley, ‘Medieval’, 487–503.
131 Weigle, Siena, 199–259.; allgemein dazu: Coing, Römisches Recht, 47–50.
132 Für Perugia stellte Fritz Weigle zum Beispiel fest, dass 87 Prozent der Scholaren Juristen waren. Weigle,
Perugia, 47–50.
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Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Band II:1442–1557
- Titel
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Untertitel
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Band
- II:1442–1557
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259