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xxviii Einleitung
Neben den genannten Ursachen dürfen die konfessionellen Wirren im Reich nicht
unbeachtet bleiben: Von den Zeitgenossen wurde die Bildungsfeindlichkeit Luthers und
seiner Anhänger oft für den Rückgang der Studenten verantwortlich gemacht149, doch
dies kann nur schwer als direkte Auswirkung auf die Wiener Juristenfakultät angesehen
werden. Nicht von der Hand zu weisen sind jedoch konfessionelle Motive bei der Wahl
des Studienortes und eine allgemeine Verunsicherung über die Sinnhaftigkeit eines Uni-
versitätsstudiums150. Grundsätzlich waren in dem Zeitraum auch andere (evangelische)
Universitäten teils stark von ausbleibenden Studenten betroffen, auch hier können neben
den konfessionellen Unruhen Kriege, Seuchen und Teuerungswellen bei den Nahrungs-
mittel genannt werden151. Zuletzt ist auch die zunehmende Konkurrenz neu entstehen-
der Universitäten nicht zu unterschätzen: Den Studenten im Reich bot sich im 15. und
16. Jahrhundert eine Vielzahl unterschiedlicher Studienorte152.
Abschließend ein Blick auf die Dekane aus statistischer Sicht: In den hier betrachteten
232 Semestern scheinen 65 verschiedene Personen als Dekane auf, wobei 14 Semester
ohne Eintrag blieben153. Die fehlenden Semester 1472 I und 1473 I etwa fallen in die
bereits oben erwähnte Phase einer Pestepidemie. Für die mehrfachen Ausfälle zwischen
1528 und 1532 bzw. 1536 sowie zwischen 1542 und 1545 können die tiefe Krise der
Universität und die damit einhergehenden fehlenden Universitätsbesucher verantwortlich
gemacht werden, in einigen Jahren lag die Anzahl der Immatrikulationen und Promo-
tionen sogar bei null. Zu beantworten bleibt noch die Frage, ob in diesen Semestern an
der Universität überhaupt ein Betrieb stattfand. In dieser Hinsicht ist in der Hauptma-
trikel zu den betreffenden Semestern ein Eintrag gemacht worden, an den anderen drei
Fakultäten lassen sich in den Akten in ähnlicher Weise auch fehlende Semester finden, in
manchen Fällen überschneiden sich diese auch mit der Juristenfakultät. Es ist möglicher-
weise davon auszugehen, dass phasenweise kein Betrieb an den Fakultäten stattfand; dafür
spricht auch, dass zeitweise kein Eintrag gemacht worden ist. Restlos lässt sich diese Frage
aus heutiger Sicht jedoch nicht klären.
Damit ergeben sich für den Gesamtzeitraum von 115 Jahren 218 Semester, in de-
nen 65 Personen als Dekane tätig waren. Nicht selten wurde ein Jurist zwei Semester
hintereinander als Dekan gewählt, eine längere Periode über mehrere Semester hinweg
gab es jedoch nicht. Johannes Huber aus Freistadt und Johannes Kaltenmarkter aus Salz-
burg hatten beide insgesamt zehn Mal das Amt des Dekans inne, Johannes Keckmann
aus Haugsdorf und Ulrich Kaufmann aus Kempten jeweils neun Mal und Conrad aus
Hallstadt154, Friedrich Herer aus Schwäbisch Gmünd, Johannes Gösl aus Wunsiedel und
Ulrich Gebhart aus Wolfratshausen sieben Mal.
Selten wird auch ein Vizedekan erwähnt, der temporär die Aufgaben des Dekans
übernahm und die Universitätsbesucher in die Matrikel eintrug. Ob jedes Semester ein
Stellvertreter gewählt wurde, aber nur in Ausnahmefällen in der Quelle genannt ist, lässt
sich nicht sagen. Im Wintersemester 1482 wurde beispielsweise Johannes Kaltenmarkter
149 Immenhauser, Universitätsbesuch, 69; Heiss, Konfession, 13 f.; Mühlberger, Krisen, 270.
150 Immenhauser, Universitätsbesuch, 87.
151 Immenhauser, Universitätsbesuch, 76 f.; Mühlberger, Krisen, 271.
152 Mühlberger, Krisen, 271. Wien reagierte auf die ausbleibenden Studenten unter anderem mit einer
Universitätsreform unter Ferdinand I. Dazu: Mühlberger, Finanzielle Aspekte, 124.
153 Eine Auflistung der Dekane findet sich als Anhang zur Einleitung unter Abschnitt 1.10 ‚Liste der De-
kane‘.
154 Conrad von Hallstatt ist zudem sechs Mal im ersten Matrikelband als Dekan vermerkt. MFJ I, 65.
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Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Band II:1442–1557
- Titel
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Untertitel
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Band
- II:1442–1557
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
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