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Einleitung 75
die letztgenannte Wa¨rme wieder entfernen und dafu¨r die entsprechende
Arbeit gewinnen ko¨nnte, ohne anderweitige Vera¨nderungen, was wiederum
auf das in §109 als unausfu¨hrbar bezeichnete Problem hinauskommt.
WeitereBeispielevonProzessen,andie sichganzdieselbenBetrachtungen
knu¨pfen lassen, wa¨ren die Diffusion, das Gefrieren unterku¨hlter Flu¨ssigkeit,
die Kondensation u¨bersa¨ttigten Dampfes, jeder explosive Vorgang, u¨berhaupt
jeder U¨bergang eines Systems in einen stabileren Zustand.
§ 112. Definition. Ein Prozeß, der auf keine einzige Weise vollsta¨ndig
ru¨ckga¨ngig gemacht werden kann, heißt
”
irreversibel“, alle anderen Prozesse
”
reversibel“. Damit ein Prozeß irreversibel ist, genu¨gt es also nicht, daß
er sich nicht von selbst umkehrt — das ist auch bei vielen mechanischen
Prozessen der Fall, die nicht irreversibel sind (vgl. §113) —, sondern es
wird erfordert, daß es selbst mit Anwendung sa¨mtlicher in der Natur
vorhandenen Reagenzien kein Mittel gibt, um, wenn der Prozeß abgelaufen
ist, allenthalben genau den Anfangszustand wiederherzustellen, d.h. die
gesamte Natur in den Zustand zuru¨ckzubringen, den sie am Anfang des
Prozessesbesaß.Danachbesagendie inden letztenParagraphenbesprochenen
Behauptungen, daß die Wa¨rmeerzeugung durch Reibung, die Ausdehnung
eines Gases ohne a¨ußere Arbeit und a¨ußere Wa¨rme, die Wa¨rmeleitung usw.
irreversible Prozesse sind.1
§ 113. Gehen wir nun auf die Frage der tatsa¨chlichen Existenz
reversibler und irreversibler Prozesse etwas ein. Reversible Prozesse lassen
sich, wenigstens in der Idee, unmittelbar in großer Anzahl angeben. So sind
alle diejenigen Prozesse reversibel, welche in der §71 auseinandergesetzten
Ausdrucksweise aus lauter Gleichgewichtszusta¨nden bestehen und daher in
allen ihren Teilen direkt umgekehrt werden ko¨nnen, ferner alle vollkommen
periodisch verlaufenden Prozesse (ideales Pendel, Planetenbewegung); denn
nach Ablauf einer Periode ist der Anfangszustand u¨berall in der ganzen Natur
wiederhergestellt. Aber auch sa¨mtliche andere rein mechanischen Prozesse,
1Der Satz, daß die Wa¨rmeleitung ein irreversibler Prozeß ist, deckt sich genau
mit dem von R. Clausius an die Spitze seiner Argumentation gestellten Grundsatz:
”Die Wa¨rme kann nicht von selbst aus einem ka¨lteren in einen wa¨rmeren Ko¨rper
u¨bergehen.“ Denn wie Clausius wiederholt und ausfu¨hrlich hervorgehoben hat, soll
mit diesem Grundsatz keineswegs nur gesagt sein, daß Wa¨rme nicht direkt aus
einem ka¨lteren in einen wa¨rmeren Ko¨rper u¨bergeht, — das ist selbstversta¨ndlich und
schon durch die Definition der Temperatur bedingt, — sondern es soll ausgedru¨ckt
werden, daß Wa¨rme u¨berhaupt auf keinerlei Weise, durch keinen irgendwie gearteten
Vorgang, aus einem ka¨lteren in einen wa¨rmeren Ko¨rper geschafft werden kann, ohne
daß anderweitige A¨nderungen (”Kompensationen“) zuru¨ckbleiben. Nur vermo¨ge dieser
weitergehenden Bedeutung des Satzes ist es mo¨glich, aus ihm Schlu¨sse auf beliebige
andere Naturvorga¨nge zu ziehen.
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Buch Vorlesungen über Thermodynamik"
Vorlesungen über Thermodynamik
- Titel
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Autor
- Max Planck
- Verlag
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Ort
- Berlin und Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Kategorien
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253