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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszusta¨nde 172
Gleichgewichtsbedingungen (149) zu erfu¨llen, ihre Werte sind dann im
Gleichgewichtszustand vollkommen bestimmt, ganz unabha¨ngig von den
gegebenen a¨ußeren Bedingungen. Mit jeder Phase weniger wa¨chst dann die
Zahl der noch unbestimmten inneren Variabeln um Eins.
Dieser, zuerst von Gibbs ausgesprochene, gewo¨hnlich als
”
Phasenregel“
bezeichnete Satz hat besonders durch die Untersuchungen von Bakhuis
Roozeboom1 eine weitgehende experimentelle Besta¨tigung erhalten.
§ 205. Betrachten wir zuna¨chst den Grenzfall:
β=α+2.
Dann sind sa¨mtliche innere Variable vollsta¨ndig bestimmt, sie bilden einen
”
(α+2)fachenPunkt“. DurchAba¨nderungder a¨ußerenBedingungen, wie z.B.
durch Wa¨rmezufuhr, Kompression, weiteren Zusatz von Substanzmengen,
werdennurdieGesamtmassenderPhasen,nichtaberihreinnereBeschaffenheit,
einschließlich Temperatur und Druck, alteriert. Dies gilt so lange, bis etwa
eine der Phasen die Masse Null annimmt und somit ganz aus dem System
verschwindet.
Fu¨r α= 1 hat man hier β= 3, d. h. ein einziger Bestandteil kann
sich ho¨chstens in drei Phasen spalten und bildet dann einen dreifachen
Punkt. Ein Beispiel fu¨r diesen Fall liefert eine Substanz, die sich in
drei Aggregatzusta¨nden nebeneinander befindet, wie im vorigen Kapitel
ausfu¨hrlichuntersuchtwurde.Fu¨rWasser ist z.B.,wie§187gezeigtwurde, im
dreifachen Punkt die Temperatur 0,0075◦C., der Druck 4,58mm Quecksilber.
Die drei Phasen brauchen aber nicht verschiedenen Aggregatzusta¨nden
anzugeho¨ren, so z.B. gibt es Substanzen, wie Schwefel, die im festen Zustand
verschiedene Modifikationen bilden ko¨nnen. Dann stellt jede Modifikation
eine besondere Phase dar, und es gilt der Satz, daß, wenn zwei Modifikationen
einer Substanz mit einer dritten Phase derselben Substanz, etwa mit ihrem
Dampfe, koexistieren sollen, dies nur bei einer ganz bestimmten Temperatur
und bei einem ganz bestimmten Druck geschehen kann.
Fu¨r α= 2 erha¨lt man einen vierfachen Punkt. So liefern die beiden
unabha¨ngigen Bestandteile SO2 (schweflige Sa¨ure) und H2O die vier
koexistierenden Phasen: SO2 ·7H2O fest, SO2 in H2O gelo¨st flu¨ssig, SO2
flu¨ssig, SO2 gasfo¨rmig, Temperatur 12,1 ◦C., Druck 1773mm Quecksilber.
Die Frage, ob SO2 in wa¨ßriger Lo¨sung ein Hydrat bildet, beru¨hrt nach der
Auseinandersetzung im §198 die Bedeutung der Phasenregel in keiner Weise.
Ein anderes Beispiel fu¨r zwei unabha¨ngige Bestandteile in einem vierfachen
1Vgl. das Werk ”Die heterogenen Gleichgewichte vom Standpunkte der Phasenlehre“
von Bakhuis Roozeboom, Braunschweig, Vieweg & Sohn, 1904.
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Buch Vorlesungen über Thermodynamik"
Vorlesungen über Thermodynamik
- Titel
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Autor
- Max Planck
- Verlag
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Ort
- Berlin und Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Kategorien
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253