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Tonka
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vorkommen. Theoretisch hingegen? Der alte Arzt, zu dem er Tonka anfangs gebracht hatte, nachdem er allein bei ihm zurückgeblieben war, hatte die Achseln gezuckt: Möglich? Gewiß unmöglich nicht – er hatte gute, hilflose Augen, aber er schien sagen zu wollen: Halten wir uns nicht dabei auf, es liegt unter der für menschliches Ermessen nötigen Wahrscheinlichkeit. Auch ein Gelehrter ist ein Mensch, und ehe er etwas annimmt, das medizinisch ganz unwahrscheinlich ist, nimmt er lieber einen menschlichen Fehler als Ursache an; in der Natur sind die Ausnahmen selten. Es war also das nächste eine Art medizinische Prozeßsucht. Er wurde Gast bei vielen Ärzten. Der zweite Arzt schloß ebenso wie der erste, und der dritte wie der zweite. Er feilschte. Er trachtete Auffassungen medizinischer Schulen gegeneinander auszuspielen. Die Herren hörten ihm schweigend zu oder auch liebevoll lächelnd wie einem Narren und unverbesserlichen Dummkopf. Und natürlich wußte er selbst, während er redete, er hätte ebensogut fragen können: ist eine jungfräuliche Zeugung möglich? Und man hätte ihm nur zu antworten vermocht: sie war noch nie da. Nicht einmal ein Gesetz hätte man angeben können, das sie ausschloß; bloß: sie war noch nie da. Und doch wäre er ein unverbesserlicher Hahnrei, wollte er sich das einbilden! Vielleicht hatte ihm das auch einer ins Gesicht gesagt, mit dem er sprach, oder es war ihm doch nur selbst durch den Kopf gefahren, es hätte ihm jedenfalls selbst einfallen können. Aber gerade weil man nicht einen Kragenknopf schließen könnte, wollte man zuvor alle möglichen Fingerkombinationen durchdenken, stand während der ganzen Zeit neben der Gewißheit seines Verstandes eine andere Unmittelbarkeit: Tonkas Gesicht. Man geht zwischen Kornfeldern, man fühlt die Luft, die Schwalben fliegen, in der Ferne die Türme der Stadt, Mädchen mit Liedern … man ist fern aller Wahrheit, man ist in einer Welt, die den Begriff Wahrheit nicht kennt. Tonka war in die Nähe tiefer Märchen gerückt. Das war die Welt des Gesalbten, der Jungfrau und Pontius Pilatus, und die Ärzte sagten, daß Tonka geschont und gepflegt werden müßte, sollte sie ihren Zustand überdauern. 26
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Tonka
Titel
Tonka
Autor
Robert Musil
Datum
1922
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.8 cm
Seiten
46
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 9
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 27
  8. Kapitel 8 30
  9. Kapitel 9 33
  10. Kapitel 10 35
  11. Kapitel 11 37
  12. Kapitel 12 40
  13. Kapitel 13 42
  14. Kapitel 14 44
  15. Kapitel 15 46
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