Volkstheater (Deutsches)#
1887-89 von den Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer in Wien 7 errichtet, neuer Theatertypus, der in zahlreichen Städten der Monarchie Nachahmung fand. Von Wiener Bürgern ("Laube-Verein") als Kontrast zum Hof(burg)theater mit dem Anspruch gegründet, aktuelle Zeitstücke, Volksstücke, Klassiker und österreichische Dramen einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wurde es 1889 mit der Uraufführung von Ludwig Anzengrubers "Der Fleck auf der Ehr." eröffnet. Unter den ersten Direktor E. von Bukovics (1889-1905), A. Weisse (1905-16) und K. Wallner (1916-18) wurden zahlreiche Stücke von L. Anzengruber, Hermann Bahr, Karl Schönherr und H. Ibsen ur- und erstaufgeführt. Alfred Bernau (1918-24) nahm vor allem expressionistische Dramen (unter anderem G. Kaiser, W. Hasenclever, E. Toller) in der Ausstattung von Oskar Strnad in das Programm, mit Rudolf Beer (1924-32) entwickelte sich das Volkstheater zum Forum der neuesten Dramatik (B. Brecht, A. Bronnen, P. Kornfeld, Franz_Theodor Csokor, der auch als Dramaturg am Volkstheater wirkte), unter Rolf Jahn (1932-38) verflachte das Niveau durch Boulevardkomödien.
1938-44 diente das Volkstheater unter Direktor W. B. Ilz als Theater der NS-Organisation Deutsche Arbeitsfront. Im Juni 1945 wurde auf Initiative der Schauspieler und Techniker des Volkstheaters der Spielbetrieb im teilweise zerstörten Haus wieder aufgenommen und der Name offiziell in "Volkstheater" geändert. Ab Juli 1945 leitete Günther Haenel das Volkstheater als unbequemes und engagiertes Zeittheater. 1948 wurde das Volkstheater in eine Ges. m. b. H. umgewandelt, der Österreichische Gewerkschaftsbund (als Rechtsnachfolger der Deutschen Arbeitsfront) gründete die Volkstheatergemeinde. Auf Direktor P. Barnay (1948-52) folgte Direktor Leon Epp (1952-68) und führte das Volkstheater mit zahlreichen Erstaufführungen zeitgenössischer Dramen von A. Camus, J. Genet, J. P. Sartre, F. Dürrenmatt, M. Frisch, R. Hochhuth und der Durchbrechung des Brecht-Boykotts mit "Mutter Courage und ihre Kinder" (1963) zu einem neuen Höhepunkt. Er gründete 1954 gemeinsam mit der Kammer für Arbeiter und Angestellte die Aktion "Volkstheater in den Außenbezirken". Direktor Gustav Manker (1969-79) sorgte für exemplarische Nestroy-Inszenierungen und förderte junge österreichische Autoren (unter anderem Wolfgang Bauer, Peter Turrini). Direktor Paul Blaha (1979-87) gestaltete den Spielplan mit politisch engagierten Stücken, Volksstücken und Possen von Nestroy bis Heinz Rudolf Unger. 1980/81 erfolgte eine Generalsanierung des Hauses, Zuschauerraum und Fassade wurden in den ursprünglichen Zustand versetzt, die zerstörte Kuppel neu aufgebaut.
1981 wurde das Volkstheater-Studio (bis 1987) als kleine Bühne für Gegenwartsdramatik gegründet, 1984 die Schauspielschule Volkstheater (bis 1996). Mit der Reihe "Volkstheater-Extra" öffnete P. Blaha das Volkstheater für Veranstaltungen, die über den konventionellen Theaterbegriff hinausreichten. Den ursprünglichen Anliegen war das Volkstheaters auch unter Direktorin Emmy Werner (1988-2005) verbunden: Tradition und Moderne, österreichische Literatur und internationale Novitäten, Kulturauftrag und gehobene Unterhaltung. In der Reihe "frontal" werden hauptsächlich Ur- und Erstaufführungen geboten (unter anderem von Elfriede Jelinek, Gert Jonke, Ilse Aichinger). "Am Plafond" und in der "Spielbar" wurden kleine experimentelle Spielstätten geschaffen. In der Reihe "Volkstheater spezial" ergänzen und öffnen Diskussionen zu künstlerischen und politischen Themen, Lesungen prominenter Autoren usw. das Programm für ein breitgefächertes Interessenspektrum. Im Jahr 2000 ist das Volkstheater in den Besitz einer Privatstiftung übergegangen. Direktor ist seit 2005 Michael Schottenberg.
Literatur#
- R. Steinhauser, Das Deutsche Volkstheater in Wien 1889-99, 1899
- H.-C. Hoffmann, Die Theaterbauten von Fellner und Helmer, 1966
- O. M. Fontana, Volkstheater Wien (Deutsches Volkstheater). Weg und Entwicklung (1889-1964), 1964
- Das neue Volkstheater. Festschrift, 1981
- E. Schreiner (Hg.), 100 Jahre Volkstheater, 1989
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