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vom 20.02.2021, aktuelle Version,

Maria am Gestade

Maria am Gestade
Nähere Ansicht des gotischen Glockenturmes

Maria am Gestade ist eine gotische römisch-katholische Kirche im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt, nahe dem Donaukanal. Sie war die traditionelle Kirche der Donauschiffer. Der Name leitet sich von der ehemaligen Lage der Kirche am Hochgestade eines Armes der damals noch unregulierten Donau ab. Maria am Gestade zählt gemeinsam mit der Peterskirche und der Ruprechtskirche zu den ältesten Kirchen Wiens.

Geschichte

An der Stelle der heutigen Kirche befand sich ursprünglich eine Kapelle, die bereits im 9. Jahrhundert errichtet worden sein soll, was allerdings nicht eindeutig belegbar ist.[1] Indirekt wurde sie erstmals 1137 erwähnt (im Rahmen der Vorgeschichte des Baues der Wiener Stephanskirche als eine der Kirchen der damaligen Pfarre St. Peter),[2] ausdrücklich erstmals in einem Dokument aus dem Jahr 1200. Die Besitzverhältnisse des Grundstücks waren relativ undurchschaubar – es wurde zwischen dem Schottenstift, Wiener Bürgerfamilien und dem Bischof von Passau hin und her transferiert.

Ab 1302 war die Kirche im Besitz der Herren von Greif, die von 1330 bis 1355 den Chor neu bauen ließen und wahrscheinlich als Familienbegräbnisstätte konzipierten. Später fiel die Kirche an die Bischöfe von Passau, in deren Besitz sie auch nach der Erhebung Wiens zum Bistum 1469 blieb.

Nachdem die Kirche im Lauf des 18. Jahrhunderts verfiel, war sie schon in Gefahr abgerissen zu werden und diente als Magazin und Pferdestall. 1812 wurde sie neu geweiht und kam in Folge an den Redemptoristenorden. Die gotischen Chorfenster wurden nach Laxenburg gebracht und in die dortige Franzensburg eingebaut. Um 1900 und nochmals um 1930 wurde die Kirche restauriert – dies betraf vor allem die Portalfiguren.

Die Kirche dient heute als Gotteshaus der tschechischen und slowakischen Gemeinschaft in Wien.

Beschreibung

Grundriss der Kirche
Blick vom Langhaus auf den Hochaltar
Hornberger Votivbild aus dem Jahre 1462 in der Clemens-Kapelle

Das Langhaus, das aufgrund der beengten Platzverhältnisse schmäler als der Chor und aufgrund des damaligen Verlaufes des Donauarmes leicht geknickt ist, wurde um 1400 begonnen, wobei zuletzt Herzog Albrecht III. selbst als Bauherr fungierte. Der Knick in der Gebäudeachse (Achsknick) kann auch auf absichtlich angewendete mittelalterliche Messmethoden zurückgeführt werden (Ausrichtung der Gebäudeachsen nach unterschiedlichen Sonnenaufgangsständen). Da die Achsen von Langhaus und Chor seitlich versetzt sind, wird dadurch ein „übertriebener Achsknick“ vorgetäuscht.[3]

Auch für das Langhaus sind Querverbindungen zur gleichzeitigen Großbaustelle Sankt Stephan sehr wahrscheinlich, offensichtlich sind sie beim Turm, der gemeinsam mit dem Chor um 1330 begonnen wurde. Der Baumeister des Chores und des Turmes ist Michael Knab, von dem auch der (später modifizierte) Plan für die Türme der Kathedrale stammen, sein Nachfolger war mit Peter Prachatitz ebenfalls ein Dombaumeister. Ebenso wie der Südturm von Sankt Stephan verjüngt sich der Turm mit einem Grundrisswechsel.

Das Charakteristischste an der Kirche ist der durchbrochene Turmhelm aus 1419–1428, der als gotisches Rankenwerk ausgeführt ist. Er war wohl früher von Weitem erkennbar und ist auch auf den ältesten Stadtdarstellungen abgebildet.

Die Kirche hat drei Portale, die mit Reliefs und Figuren geschmückt sind. Das Chorportal zeigt eine Schutzmantelmadonna und eine Marienkrönung, beide aus der Zeit um 1350, während das Mittlere Portal realistisch wirkende Darstellungen von musizierenden Engeln vorweist. Das von einem Baldachin bekrönte Hauptportal zeigt über der Tür Reliefs der beiden Heiligen namens Johannes (Täufer und Evangelist) aus etwa 1410 (die stilistisch möglicherweise mit dem Prager Veitsdom in Verbindung stehen). Die Statuen links von der Tür zeigen Paulus, Johannes d. Täufer, Theresia von Avila und Hieronymus. Die Statuen rechts der Tür zeigen Leopold, Anna, Josef und Petrus. Unter dem Baldachin finden sich drei Mosaike Verkündigung, Pietà und Heilige Jungfrau Maria, Königin der Engel, die 1901 von Albert Neuhauser geschaffen wurden.

Eine Verkündigungsgruppe im Langhaus der Kirche stammt aus etwa 1360 und wird dem Meister der Minoritenwerkstatt zugeordnet, das heißt, sie weisen dieselben Stilmerkmale wie die Portalfiguren der Wiener Minoritenkirche auf. Durch ihr teilweise erfolgtes Herauslösen aus der Wand und die räumliche Verselbständigung der Gestik gelten sie als wichtiges Übergangsstück zur Hochgotik.

Am 4. November 1862 wurden die sterblichen Überreste des heiligen Klemens Maria Hofbauer aus dem Romantikerfriedhof in Maria Enzersdorf bei Mödling in diese Kirche überführt, seine Reliquien befinden sich im Altar, die alte Grabplatte ist an einer der Säulen montiert.

Von kunsthistorischer Bedeutung ist das sogenannte Hornberger Votivbild aus dem Jahre 1462. Es befindet sich in der Clemens-Kapelle.

Das Mauerwerk der Kirche war an seiner Außenseite in früherer Zeit zumindest teilweise verputzt oder getüncht. Bei einer Restaurierung 1931 wurde unter abblätterndem Mörtel die Zeichnung einer ungefähr sieben Meter großen Christophorus-Figur gefunden, konserviert und fehlende Teile ergänzt. Sie sollte auf Dauer sichtbar bleiben. Eine Nachforschung 1994 zeigte aber, dass die Figur nicht mehr erkennbar war. Unter den Schmutzschichten an der Wand (die nicht zuletzt 1945 durch den Brand umliegender Häuser entstanden waren) waren zwar noch Striche vorhanden, aber 70 % des ehemaligen Bestandes waren verloren. Eine Restaurierung war nicht mehr sinnvoll, weil die vorhandenen Striche keine zusammenhängenden Formen mehr ergaben. Die Reste wurden gesichert und wieder übertüncht. Diese Entwicklung wird als Beispiel dafür gesehen, dass solch alte Zeichnungen nur dann wirksam geschützt werden können, wenn sie nach ihrer Auffindung und Dokumentation wieder übertüncht und damit weiter vor Ausbleichen, Verschmutzung und Erosion geschützt bleiben. An die Lage des Bildes erinnert optisch nur mehr eine verputzte Wölbung in der Südfassade der Kirche, welche die Lage eines früheren Schutzdaches angibt.[4]

Zur Kirche führt von der Gasse Am Gestade eine steile Stiege, die in der heutigen Form aus dem Jahr 1937 stammt. Nach ihr wird die Kirche im Volksmund manchmal auch Maria Stiegen genannt. Aufgrund der langen Treppe wird sie gerne für Hochzeiten verwendet.

Orgel

Die Mauracher-Orgel

Die große Orgel auf der Westempore wurde im Jahre 1911 von dem Orgelbauer Matthäus Mauracher jun. (Salzburg) erbaut. Wiederverwendet wurde in diesem Instrument Pfeifenmaterial aus den Vorgängerorgeln, sowie der Barockorgel, die auf der ehemaligen Musiker-Empore im Chorraum der Kirche stand. Der neugotische Prospekt stammt in großen Teilen von der Vorgängerorgel, die von Friedrich Deutschmann erbaut worden war. Das spätromantisch disponierte Kegelladen-Instrument hat 36 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind pneumatisch.[5]

I Hauptwerk C–g3
1. Bordun 16′
2. Principal 8′
3. Hohlflöte 8′
4. Gedackt 8′
5. Gamba 8′
6. Salicional 8′
7. Octave 4′
8. Rohrflöte 4′
9. Violine 4′
10. Quintatön 513
11. Cornett 4′
12. Rauschquinte II 223
13. Mixtur 2′
14. Trompete 8′
II Schwellwerk C–g3
15. Geigenprinzipal 8′
16. Philomela 8′
17. Gemshorn 8′
18. Lieblich Gedackt 8′
19. Viola d’amour 8′
20. Vox coelestis 8′
21. Prestant 4′
22. Flauto traverso 4′
23. Dolce 4′
24. Progressio 223
Pedalwerk C–d1
Groß-Pedal
25. Majorbass 16′
26. Violon 16′
27. Subbass 16′
28. Octavbass 8′
29. Flötenbass 8′
30. Cello 8′
31. Pedalcornett 513
32. Posaune 16′
Piano-Pedal
33. Violon 16′
34. Subbass 16′
35. Flötenbass 8′
36. Cello 8′
  • Koppeln: I/I (Superoktavkoppel), II/I (auch als Sub- und Superoktavkoppel), II/II (Super- und Suboktavkoppel) I/P, II/P, P/P (Superoktavkoppel)

Literatur

 Joseph Feil: Zur Baugeschichte der Kirche Maria am Gestade in Wien in den Mittheilungen der k.k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Band 2 1857, (Kategorie mit zugehörigen Bildern auf Commons)
  • Alfred Fischeneder-Meiseneder: Die Architektur der Gotik im Osten Österreichs. Studien zum Sakralbau im 14. und 15. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt in der Zeit um 1400. Diss. Universität Wien 2016, S. 65, S. 127ff.
  • Stefanie Linsboth: Maria am Gestade in Wien. Architektur, Ausstattung und Entwicklung eines hochgotischen Chores. Diplomarbeit. Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, Wien 2012 (othes.univie.ac.at [PDF; 30,0 MB]).
  • Karl Weiss: Die gothische Kirche Maria am Gestade in Wien. (Teil 1/2). In: Carl Freiherr von Czoernig (Hrsg.), Karl Weiss (Red.): Mittheilungen der kaiserl. königl. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Band 1.1856, ZDB-ID 220003-x. Braumüller, Wien 1856, S. 149–152. – Volltext online.
  • Carl Dilgskron: Geschichte der Kirche unserer lieben Frau am Gestade zu Wien. 1882. Volltext online.

Einzelnachweise

  1. Felix Czeike: Wien. Kunst, Kultur und Geschichte der Donaumetropole. Dumont, 1999. S. 166 ff.
  2. Ferdinand Opll: Die Wiener Stephanskirche vor ihrer Erstnennung. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien JbVGStW 75, Jahrgang 2019. ISSN 1027-8788 S. 153–179.
  3. Erwin Reidinger: Mittelalterliche Kirchenplanung in Stadt und Land aus der Sicht der „Bautechnischen Archäologie“ – Lage, Orientierung und Achsknick. In: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich (BMÖ). Band 21, Jahrgang 2005. ISSN 1011-0062 ZDB-ID 805848-9. Wien 2005. S. 51.
  4. Manfred Koller: Der letzte gotische Fassaden-Christophorus von Wien. Für Christoph Autherith-Riedl. In: Wiener Geschichtsblätter. Hrsg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien. 70. Jahrgang, Heft 2/2015. ISSN 0043-5317 ZDB-ID 2245-7. S. 115–127.
  5. Nähere Informationen zur Orgel
Commons: Maria am Gestade  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien