Seine Einstellungen#
Komplex ist die Frage nach Bernardis' politischen und religiösen Einstellungen, da sie auch erste Hinweise auf die Motive seines Widerstandshandelns geben.
Wie sein Vater scheint Robert Bernardis in seiner Jugend und seinem frühen Erwachsenenalter am ehesten mit der Heimwehrbewegung Ernst Rüdiger Fürst Starhembergs
sympathisiert zu haben. Wie viele aus der Heimwehrbewegung hielt er offenbar an der im Bürgertum weit verbreiteten Vorstellung einer gesamtdeutschen Kulturgemeinschaft fest.Dass dies jedoch nicht zwingend ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus in sich schloss, zeigt ebenfalls die Heimwehrbewegung.
In den Unruhen des Jahres 1934 und dem bald darauf erfolgten politischen Sturz Starhembergs scheint er aber erkannt zu haben, dass das Programm der Heimwehrbewegung kaum eine Möglichkeit einer zukunftsorientierten politischen Gestaltung in sich trug.
Bernardis' Kommandant während des Generalstabskurses war Oberst Maximilian de Angelis. [9]. Ob er jedoch Mitglied im NSR war, ist bis heute nicht geklärt. Im Mitgliederverzeichnis des NSR ist er nämlich als Karl Bernardis eingetragen, obwohl sein korrekter Vornahme Robert lautet. Gut bekannt war er im NSR also nicht. Bis heute ist auch nicht klar, wer das erst nach dem Anschluss entstandene Mitgliedsverzeichnis des NSR verfasste.
Er war der Obmann des illegalen Nationalsozialistischen Soldatenrings (NSR). Auch wenn er sich als solcher in der Zeit des Ständestaates nicht zu erkennen gab, scheint Bernardis erst während dieser Zeit das erste Mal mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus in Berührung gekommen zu sein. Wie viele seiner Generation (auch Kritiker des Nationalsozialismus) war er beeindruckt vom Aufbruch, der im Dritten Reich stattfand, und empfand den Nationalsozialismus als modern und fortschrittlich, während in Österreich eher Stagnation herrschte. „Er übte", wie sich sein Kurskamerad Heinrich Kodre erinnert, „an den Zuständen im Österreich der Ersten Republik Kritik und strebte eine perfekte Lösung an"Zwei Bilder, die zwar ursächlich nichts mit der Person Bernardis' zu tun haben, sollen diese vom Nationalsozialismus propagandistisch instrumentalisierte Aufbruchstimmung dokumentieren: Das Bild der bekannten Filmemacherin und Schauspielerin Leni Riefenstahl aus dem Jahr 1934
zeugt nicht nur von einem erstaunlich freien und modernen Umgang mit der weiblichen Körperlichkeit.Den sportbegeisterten Bernardis haben solche Bilder sicherlich angesprochen. Das zweite Bild, eine Grafik des Niederösterreichers Walter Prinzl aus dem Jahr 1936,
steht mit seiner Darstellung der in Errichtung befindlichen Autobahnbrücke über die Werra für die Technik- und Modernitätsgläubigkeit der Zeit, die u.a. im Autobahnbau zum Ausdruck kam und mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wurde. Es ist wahrscheinlich, dass Bernardis als Pionier ebenfalls von solchen technischen Leistungen beeindruckt war.Dass Bernardis einem „Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich gegenüber nicht ablehnend gestimmt war, liegt sicher daran, dass er Ordnung, Sachlichkeit, das Ende der Protektionswirtschaft, die im Bundesheer herrschte, erwartete - und überdies bessere Möglichkeiten, in einem großen Wirkungskreis tätig zu sein, den die Wehrmacht einer Großmacht zu bilden schien.
Er war von der Art un Weise, wie der Anschluss vollzogen wurde, allerdings auch nicht begeistert, sondern sah die Frage distanziert: "Wenn sie schon Österreich angeschlossen haben, den Namen Österreich hätten sie nicht auslöschen dürfen", äusserte er seine Bedenken gegenüber seinem Fahrer Otto Mühl, dem späteren Gendarmiepostenkommandanten von Pinkafeld.
Diese politische Ansicht war typisch für zahlreiche Evangelische dieser Zeit. Sie empfanden überdies das in seiner Geschichte stark vom Protestantismus geprägte Deutsche Reich als Alternative zum Ständestaat, der sich auf einen politischen Katholizismus stützte.
Vielen war nicht bewusst, wie unmerklich sich ihre politischen Vorstellungen mit denen des Nationalsozialismus parallelisierten. Mit den Worten „Sieg Heil dem großen deutschen Vaterland!" begrüßte „Der Säemann", die evangelische Kirchenzeitung für Osterreich, den vollzogenen „Anschluss" an das Deutsche Reich, und brachte damit eine in breiten Kreisen der Evangelischen Kirche Österreichs vertretene Begeisterung zum Ausdruck.
Eine tiefere Einbindung in das pfarrgemeindliche Leben hatte Bernardis allerdings nicht; das war auch schon aufgrund seiner zahlreichen Wohnortwechsel kaum möglich. Seine Beziehung zur evangelischen Kirche insgesamt scheint jedoch tiefer gewesen zu sein, als dies auf den ersten Blick den Anschein hat (was vielleicht auch typisch für viele Evangelische ist).
Seine Eltern waren beide römisch-katholisch gewesen, bevor sie zum Protestantismus konvertierten. In der Zeit des politischen Katholizismus, 1932, rekonvertierten beide wieder zur Römisch-katholischen Kirche.
Bernardis' Frau Hermine war ebenfalls römisch-katholisch, weshalb die Hochzeit nach katholischem Ritus gehalten und die Kinder katholisch getauft wurden. Damit war seine Familie geschlossen katholisch.
Obwohl sich eine Konversion schon allein deshalb angeboten hätte und eine solche überdies der militärischen Laufbahn Robert Bernardis' sicherlich nicht abträglich gewesen wäre, hielt Robert Bernardis seiner evangelischen Kirche jedoch bis zuletzt die Treue.
[9] Heinrich Kodre: Erinnerungsschrift. In: Jedlicka, Seite 123
© Texte und Bilder von Dr. Glaubauf und Dr. Trauner