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Vorwort#

Michael Bünker

Die bekannte Aufnahme Robert Bernardis' am Titelblatt der vorliegenden Broschüre zeigt ihn als Hauptmann der Deutschen Wehrmacht Ende 1939. Er war damals 31 Jahre jung. Die Auszeichnung, die er trägt, dokumentiert seine ersten Kriegserfahrungen im Polenfeldzug.

Die letzten Jahre hatten viel Neues für Robert Bernardis wie für seine österreichischen Zeitgenossen gebracht. Knapp mehr als ein Jahr vor der Aufnahme war er als Generalstabsoffizier ausgemustert; eine Ausbildung, die er 1936 im österreichischen Bundesheer begonnen hatte. Rund eineinhalb Jahre vor Aufnahme des Fotos, im März 1938, war Österreich allerdings dem Deutschen Reich angeschlossen worden.

Mit dem „Anschluss" verlor Österreich nicht nur seine Eigenstaatlichkeit, sondern wurde auch der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft eingegliedert.

Robert Bernardis blickt auf dem Foto des Jahres 1939 nicht nur auf eine bewegte Zeit zurück, sondern - vielleicht verrät es sein leicht skeptischer Gesichtsausdruck bereits - auf eine noch viel bewegtere voraus. Sie wird ihn mit der Realität des Hitler-Staates konfrontieren und ihn in eine persönliche Krise bringen. Seine Erfahrungen schärfen sein Gewissen und führen ihn in die Konfrontation mit der nationalsozialistischen Herrschaft.

Es mag vielleicht ein Zufall sein, dass er in Berlin in den engeren Mitarbeiterstab des Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg kommt. Er ist jedoch damit der einzige österreichische Offizier, der direkten Anteil am Attentat auf Adolf Hitler und dem versuchten Staatsstreich des 20. Juli 1944 hat. Seine Gewissensentscheidung bezahlt der 36-Jährige, der sich dieser Gefahr durchaus bewusst ist, mit dem Leben.

Es mag vielleicht auch ein Zufall sein, dass gerade dieser Offizier evangelischer Konfession ist und bis zuletzt bleibt. Die Evangelische Kirche in Österreich nimmt gerade in der Zeit des Ständestaates ab 1934 eine politisch sehr schwierige Stellung ein. Sie ist ein Sammelbecken für all jene, die mit dem auf christlich-sozialer Grundlage aufgebauten Staat unzufrieden sind; neben Sozialdemokraten v.a. auch die Nationalsozialisten. Die Nahebeziehung der Evangelischen Kirche in Österreich gerade zum Nationalsozialismus bestimmt deren Selbst- und Fremdsicht nicht unwesentlich.

Die evangelische Kirche hat hier noch viel aufzuarbeiten, und es tut gut, auch von Menschen zu wissen, die an entscheidender Stelle gegen das Unrecht der Hitler-Herrschaft auftraten, auch wenn Robert Bernardis dabei keineswegs kirchlich-konfessionell vereinnahmt werden soll und darf. Eine unkritische Auseinandersetzung ist auch schon deshalb nicht ratsam, weil Bernardis durchaus Prägungen seiner Zeit, die aus heutiger Sicht nicht mehr tragbar sind, mittrug.

Gestalten wie Robert Bernardis sind bei der Aufarbeitung evangelischer Identität besonders wichtig: Denn er ging den Weg vom Sympathisanten der jungen nationalsozialistischen Bewegung hin zu deren radikalem Gegner. Er ging diesen Weg nicht als Mann der Kirche, sondern als „Durchschnittschrist". Für eine Kirche, die ein allgemeines Priestertum aller Gläubigen vertritt, ist dies zusätzlich von Bedeutung.

Der Nationalsozialismus setzte alles daran, die Juli-Attentäter aus dem kollektiven Gedächtnis und der Geschichte zu streichen. Wenn sich die evangelische Kirche heuer im Besonderen auch mit Bernardis beschäftigt, dann soll diesem Urteil des Nationalsozialismus entgegengewirkt werden. Der Nationalsozialismus darf nicht das letzte Wort behalten und für alle Zeiten triumphieren! Die dem Nationalsozialismus Unterlegenen werden und dürfen mit ihren Lebensgeschichten nicht in Vergessenheit geraten. Es ist dies vielleicht der nicht unwesentlichste Dienst einer Kirche an einem ihrer Mitglieder. Ihr Gedächtnis, ihre Namen sind aufgehoben, ihre Lebensgeschichte wird sich im Friedensreich des Messias vollenden.

Das Gedenken an Robert Bernardis - wie auch die vorliegende Broschüre - versteht sich überdies als Beitrag der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich zum diesjährigen Gedenkjahr anlässlich des 70. Jahrestages des „Anschlusses" 1938.

Es gilt deshalb mein besonderer Dank Herrn Bundespräsident Dr. Heinz Fischer für seine Bereitschaft, diese Publikation mit einer Einführung zu bereichern und damit den Beitrag der evangelischen Kirche in den Bereich der gesamtösterreichischen Diskussion zu stellen.

Die biographische Skizze basiert v.a. auf den - nach positiver Kontaktnahme mit der Familie Bernardis entstandenen - wissenschaftlichen Arbeiten von Dr. Karl Glaubauf (Herzogenburg, Niederösterreich) und Militärsenior DDr. Karl-Reinhart Trauner (Wien). Karl Glaubaufstellte dankenswerterweise den Großteil des zahlreichen Bildmaterials zur Verfügung, Karl-Reinhart Trauner stellte den Text zusammen.

Trotz der seit Jahrzehnten stattfindenden Beschäftigung mit den Fragen des Widerstandes ist bislang die Person Robert Bernardis' seltsam blass geblieben - auch in der evangelischen Kirche. Das zu ändern ist Ziel der vorliegenden Dokumentation.

Die vorliegende Beschreibung kann jedoch nicht mehr als einige wenige Aspekte aus dem Leben Robert Bernardis' ansprechen. Auf einen wissenschaftlichen Apparat wurde deshalb auch verzichtet; es sei aber auf die einschlägigen Publikationen, die in der Literaturübersicht verzeichnet sind, verwiesen. Nur Zitate wurden belegt.

Durch die Verwendung zahlreicher Quellen, nicht zuletzt der Bilder, ist der Mensch Robert Bernardis in den Mittelpunkt gerückt. Ihm gilt unser Andenken!

Dr. Michael Bünker
Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Osterreich


© Texte und Bilder zusammengestellt von Dr. Glaubauf und Dr. Trauner