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Notiz 047: Alles dreht sich, alles bewegt sich#

von Martin Krusche
  • Erstens: Mitte März 2020. Die Behörde hat ein Set von Veranstaltungsverboten definiert. Die steirischen Gemeinderatswahlen wurden auf momentan ungewisse Zeit verschoben. Es herrscht viel Unruhe wegen der Dynamik, die ein Virus derzeit in seiner Verbreitung entwickelt. Kundenkreise und Publikum reagieren entsprechend nervös.
  • Zweitens: Die Social Media werden täglich mit Kummermeldungen, Informationsbrocken, nützlichen Meldungen und Obskurantismus geflutet, was es anstrengend macht, relevante Sachinformationen herauszufiltern.
  • Drittens: Ich halte mich vorzugsweise an amtliche Informationsquellen. Ferner genieße ich den Umstand, daß mich mit meinem Hausarzt seit sehr viele Jahre ein umfassendes Vertrauen verbindet. Wenn ich also Fachfragen hab, weiß ich, wer mir etwas Nützliches zu sagen weiß.
Autorin Roswitha Ranz live im Wosnei X. (Foto: Martin Krusche)
Autorin Roswitha Ranz live im Wosnei X. (Foto: Martin Krusche)

Eine andere, eine sehr belastete Seite ist die Situation Kunst- und Kulturschaffender, soweit sie als Freelancer tätig sind, wahlweise gerade in der Verantwortung für laufende Projekte stehen, deren Gedeih durch solche Ereignisse belastet, eventuell bedroht werden.

Ich hab dazu heute einige Telefonate geführt. Wir sind derzeit alle massiv von Einkommenseinbußen betroffen, manche von uns schon jetzt durch Absagen existentiell gefährdet.

Kleiner Einschub#

Es ist leider nicht allgemein bekannt, daß von hundert Prozent österreichischer Unternehmen über 90 Prozent KMU sind, also Kleine und mittlere Unternehmen. Teil dieser über 90 Prozent KMU sind über 50 Prozent EPU, Einpersonenunternehmen, also Betriebe mit ein bis zwei Leuten.

Damit möchte ich deutlich machen, wir Freischaffenden des Kulturbereichs sind Teil einer tragenden wirtschaftlichen System des Landes. Dabei sind leider seit wenigstens zehn Jahren kulturpolitische Fragen nicht vorangekommen und viele wissen nicht mehr zu unterscheiden, was der Unterschies zwischen bottom up und top down ist.

Ich hab in der Notiz Tagwerk und Frauenleben eben ein lokales Beispiel beschrieben, wie ein Kreis von Frauen zeigt, daß wir eigentlich immer noch eine Spezies sind, die durch Kooperation und nicht durch Konkurrenz zu ihrer Bedeutung gekommen ist.

Die Veranstaltung „Tag der Frau am Tag des Herrn“ geriet zum vermutlich derzeit nachhaltigsten Moment, in dieser Region etwas praktisch zu belegen. Es entstand von der Basis kompetenter Menschen her, also bottom up. Diese Veranstaltung demonstrierte Vorzüge einer Zusammenarbeit, welche sich in diverse Genres verzweigt; und das über die Region hinaus.

Netzwerkprobleme#

Wenigstens seit dem Jahr 2000 begleite ich Ereignisse in der Oststeiermark, bei denen Kunst- und Kulturschaffende die Notwendigkeit zur Vernetzung beteuert haben. Die Betonung, daß Vernetzung ein Werkzeug und kein Inhalt sei, blieb dabei meist unbeachtet.

Der Rückblick belegt überdies, daß das Wort Vernetzung vorzugsweise als rhetorische Floskel eingesetzt wurde, um an verfügbare Budgets zu kommen.

Nun, wo mein Metier aktuell so direkt und allgemein wahrnehmbar von Einbußen betroffen wurde, liegt das Thema plötzlich wieder auf dem Tisch. Die Social Media summen geradezu von Erwähnungen des Kooperierens, der Netzwerkbildung etcetera blabla.

Sie merken schon, darauf geb ich gar nichts, denn wenn diese Pose Potential hätte, dann wäre in den Jahren 2008 bis 2010 eine gute Gelegenheit gewesen, erst einmal in Panik zu verfallen, dann neue Modi zu erdenken, zu erproben, um Ergebnisse zu etablieren. Es ist damals aber nicht geschehen, obwohl in jenen Jahren die gesamte Kulturlandschaft und die Finanzgebarung des Landes Steiermark umgepflügt wurde.

Also wird es vermutlich auch jetzt nicht auf breiter Basis geschehen, soweit die selben Akteurinnen und Akteure Dienst tun; zumal die Phase 2025 bis 2020 eigentlich ein nächster kulturpolitischer Alarmzustand wurde, budgetär und strukturell beschreibbar, ohne daß „die Szene“ erkennbar reagiert hätte.

Eine Arbeit von Ulli Lang. (Foto: Martin Krusche)
Eine Arbeit von Ulli Lang. (Foto: Martin Krusche)

Was tun?#

Sie merken schon, ich traue diesem Milieu, den Kunst- und Kulturschaffenden der Steiermark, so allgemein und generell wenig Talent zur Reform zu, um über das Ereignis „Laute Beschwerde“ hinauszukommen.

Aber für neue Anforderungen durch neue Situationen brauchen wir uns ohnehin nichts von alten Klugheiten und Formationen zu erhoffen. Wir haben jede Freiheit, unter uns für gelingenden Kommunikation zu sorgen und unsere Kompetenzen zu bündeln, wo uns Akteurinnen und Akteure zusagen. Das geschicht anscheinend derzeit; abschnittweise.

Raum Gleisdorf#

Es gab, wie erwähnt, in dieser Region schon viel strategisch begründetes Geschwätz von Vernetzung, um Budgets zu lukrieren. Das hat – soweit ich sehe und den Medien entnehme – keine nachweisbaren inhaltlichen Spuren hinterlassen. Es ist ferner top down nicht etablierbar, das hat die Ära Set 2020 ebenfalls belegt. Weshalb? Weil das Zentralisieren eine alte und hierarchische Strategie ist, schlecht geeignet, für aktuelle Problemlagen taugluiche Lösungen zu bieten.

Wie geht es weiter? Kooperation lebt davon, daß Menschen zusammengreifen, die auch das Gedeihen der jeweils anderen Beteiligten im Auge haben, nicht bloß den eigenen Benefit. Das ergibt sich nicht durch Konzept und Deklaration. Es bedarf der praktischen Erfahrung miteinander. Es braucht persönliche Kriterien, die umgesetzt werden. Das sichert kein Vertrag, das kommt durch Haltung.

Schauspielerin Carola Gartlgruber live im Wosnei X. (Foto: Martin Krusche)
Schauspielerin Carola Gartlgruber live im Wosnei X. (Foto: Martin Krusche)

Klarheit für Kooperationen ist eigentlich leicht zu gewinnen, da ich mich in meinem Lebensraum jederzeit orientieren kann, wer das aktive, eigenverantwortliche Akteurinnen und Akteure sind, wer andrerseits die Nutznießerschaft in alten Systememen bevorzugt.

Was nun Menshen sind, die sich selbst Regeln wählen und damit eigenverantwortlich handeln, die kann ich bei ihren Aktivitäten mühelos antreffen und kennenlernen. Das wird unter inspirierten Menschen meist auch zu Gesprächen führen, aus denen man eine tiefere Kenntnis von einander gewinnt.

In solchen Prozessen der realen sozialen Begegnungen finde ich heraus, an welchen Themen wir ein gemeinsames Interesse haben. Von diesen Interessen zu hören führt gewöhnlich dazu, daß man auf manche Arbeitsvorhaben kommt, für die man Kooperation attraktiv findet.

Voilà! Ab da wird die praktische Arbeit fällig. Und ab da, so sehe ich es seit wenigstens dreißig Jahren, trennen sich dann Spreu von Weizen. Spätestens dann sieht man deutlich, wer nur auf Trittbrettern herumlungert und sich mitschleppen läßt, wer es mit dem Engagement ernst meint.

Geht es etwas konkreter?#

Ich schätze das Wechselspiel zwischen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft im Rahmen längerfristiger Prozesse. Das hat sich bewährt. Regional stehen für mich dabei im Augenblick einige Formationen im Fokus:
  • machquadrat (Ein Hackerspace auf basis eines Kulturvereins)
  • Wosnei X (Eine Fusion dreier Betriebe mit einem Geschäftslokal im Zentrum Gleidorfs)
  • Zweirad Laller (Ein regionaler Betrieb)
Bild 'wie.wir.leben.wollen500'
Dazu kommt in einem Teil der Prozesse: puch CLUB magazin (Neustart eines Klassiker-Magazins). Überregional arbeit ich mit dem Grazer GISAlab zusammen, aktuell im Projekt Geteilte (in)Kompetenzen (Ein Beitrag zum Kulturjahr Graz 2020). Außerdem mit Wissenschafter Hermann Maurer (TU Graz) am zweiten Abschnitt von Mensch und Maschine

Im Detail#

Beim oben erwähnten (Zweirad) Josef Laller geht es momentn um Bewegtes Kulturgut (Ein Ort für Mythos Puch 2020), wofür ich derzeit mit dem Comic-Zeichner Chris Scheuer und einigen alten Handwerkern zusammerbeite, dazu, wie schon erwähnt, der Magazin-Start mit dem Handwerker Manuel Wutti. Das betrifft eine Volkskultur in der technsichen Welt (Hermann Bausinger).

Vor Ort#

Beim „Tag der Frau am Tag des Herrn“ konnte man Eva Haberl als Vortragende hören. Sie ist Repräsentantin des machquadrat. Da hatten wir nun schon eine Weile miteinander zu tun, längst bevor das Virus auf Reisen ging. Das gilt noch mehr für Wosnei X, jener Formation, die als Angelpunkt inzwischen eine intensive Geschichte hat. Hier eine Auswahl von Notizen und Features, die deutlich machen mögen, wovon die Rede ist.