Mythos Puch: In freier Wildbahn#
(Endlich gutes Wetter)#
von Martin KruscheAutos entdecken und benennen. Einst ein Spiel von Kindern. In der Hobby-Liga nennt man es heute Car Spotting. Es ist heutzutage schwierig geworden, weil unter zeitgenössischen Autos eine Modellvielfalt herrscht, die ich verstörend finde. Aber offenbar legt der Markt das nahe.
Ich gehe freilich davon aus, daß globale Entwicklungen und chinesische Leistungen diesen Automobilmarkt gerade ziemlich umkrempeln. Dabei wird sich das mit der überbordenden Modellvielfalt vermutlich stark reduzieren. Das ist aber eher nicht mein Thema, denn ich habe den Fokus a) auf Industrie- und Automobildesign als soziokulturelles Codesystem und b) auf Volkskultur in der technischen Welt.
Ich besitze übrigens selbst schon lange kein Auto mehr und bin überdies ein versierter Beifahrer, hab am Steuern eines Autos wenig Interesse. Ich bin allerdings ein bekennender Automobil-Paparazzo, was bedeutet: ich hab Freude daran, im Alltag etwas Spezielles zu entdecken… In freier Wildbahn.
So wie eben das blütenweiße Bertone-Coupé. Ein Jahrhundert-Entwurf im Hause Alfa Romeo. Oder der Dune Buggy auf VW-Basis. Ein reines Spaßgerät, auch wenn es bei uns keine Dünen oder Strände gibt. Dazu paßt der Aprilscherz aus dem Hause Suzuki. Die haben zum ersten April heuer den „Slimny“ als erstes zweirädriges 4WD-Auto rausgehauen.
Das Original, der Suzuki Jimny, sieht ja in der aktuellen Baureihe wie ein geschrumpfter G-Wagon aus, inklusive der am Heck hochgezogenen Dachlinie. (Das kann kein Zufall sein.) Diesem relativ preiswerten G-Zitat mit passablen Fahrberichten steht dann die Oberliga gegenüber. So schickte mir der Dottore seinen Fang, welcher mit dem Brabus-Logo daher kommt. Norbert Gall hat dazu in Wien natürlich gute Gelegenheiten.
Ich sah dafür schon von weitem die markante Silhouette mit der ungewöhnlichen Lackierung. Der Besitzer ist gewiß weder Forstmeister, noch Baustellenleiter oder Landarzt. Also ist diese V8-Version in empfindlicher Métallisée-Lackierung ein Livestyle-Accessoire. Gut, so hieß das in meiner Kindheit. Heute sagen sie „Metallic Lack“ oder „Metal Flake“, ich aber bleib bei Métallisée.
Ich hab eingangs mein Interesse an Industrie- und Automobildesign als soziokulturellem Codesystem erwähnt. Wer heute die Automobilwelt zweckrational fassen und über Vernunft bewerten möchte, bleibt in einem überschaubaren Katalog an Kritikpunkten stecken, die keine frische Erkenntnis bieten.
Ich gehe davon aus, daß uns Europas Deindustrialisierungs-Tendenzen das Thema auf neue Art um die Ohren hauen wird; angereichert mit wachsender chinesischer Markteroberung und hüpfenden Technologiesprüngen. Lassen Sie uns einrechnen, daß Europas Infrastruktur recht veraltet und verschlissen ist. Budgets für das Sanieren der Straßennetze, Autobahnen, Brücken etc. fehlen jetzt schon.
Zugleich machen uns die USA klar, daß Europa einige sicherheitspolitische Probleme hat, welche zu lösen sehr teuer und lange dauern wird. Ich meine, das alles zusammengenommen bedeutet zwangsläufig, unser Status im Bereich Personal Transport ändert sich gerade fundamental. Der Automobilismus, wie er sich für uns in den 1970er Jahren entfaltet hat, ist schon Geschichte.
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