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Altmeister Johann Puch.
Altmeister Johann Puch.

Die zweite industrielle Revolution#

(Automatisierungsschübe)#

Von Martin Krusche#

Im Jahr 1912 stellte die Allgemeine Automobil-Zeitung Österreichs in einer kuriosen Bilder-Serie maßgebliche Kraftfahrzeugproduzenten vor, wo natürlich auch Altmeister Johann Puch vorkam. Da hatte er noch zwei Jahre eines ruhelosen Lebens vor sich und trug sich längst mit Plänen, für die Luftfahrt geeignete Motoren, womöglich komplette Flugapparate anzubieten.

Im Jahr darauf brachte das Fachblatt einen Bericht über sein Stammwerk, heute „Einserwerk“ in der Grazer Puchstraße. Innovationen in der Produktionstechnik hatten zweierlei Umstellungen nahegelegt. Erstens wurden die vergleichsweise kleinen, dunklen Arbeitsräume der ursprünglichen Herstellung mit anderen Funktionen belegt, weil die Modernisierung in einer neuen Halle Platz fand. Zweitens wurde eine Lehrwerkstatt eingerichtet, um im Werk selbst für die Ausbildung geeigneter Fachkräfte zu sorgen.

Die Halle#

Die Halle im Einser-Werk, wo 2012 das Museum untergebracht wurde, ist der Rest jenes einstigen Neubaus, der mit seiner technischen Ausstattung zum Ausdruck der Zweiten Industriellen Revolution wurde. Ich hab in der Notiz „Verschiedene Erzählungen“ (Was begründet die Zweite Industrielle Revolution?) begründet, warum ich das so sehe; im Kontrast zu einem anderen Narrativ, wonach Edisons Glühbirne und die Elektrifizierung von Städten wie Betrieben diese Revolution ausgemacht habe. (Das geschah einige Jahrzehnte früher.)

Es waren also in meiner bevorzugten Deutung die neuen Halbautomaten und Automaten, mit denen eine sprunghafte Erhöhung der Stückzahlen möglich wurden, durch die jener Umbruch vorankam. In der großen Halle konnte die Produktion den Verläufen nach angeordnet werden, was in die Richtung der Fließbandproduktion wies, die es in Österreich freilich erst später gab. Entlang dieses Verlaufs wurden Qualitätskontrollen durchgeführt, was also mehr Einheiten von höherwertigen Produkten ermöglichte.

Ein Zitat bezüglich der neuen Montagehalle: „Ihre Ausdehnung ist so groß, daß verschiedene Abteilungen darin untergebracht sind. Die Länge der Halle ist 130 Meter, sie hat drei neben einander liegende Abteilungen, es sind zwei Laufkräne, die eine Tragfähigkeit von je fünftausend Kilogramm haben. Motorbau, Auto-Fertigmontagc. Motorradbau und Einfahrabteilung haben in der neuen Halle Platz gefunden.“

Die Einfahrabteilung betreffend heißt es: „Die Einfahrabteilung ist bekanntlich eine der wichtigsten jeder Fabrik. Bei Puch herrscht ein sehr praktisches System des Einfahrens. Der Einfahrer hat nichts zu tun als zu fahren. Irgendwelche Verbesserungen darf er an dem Wagen nicht vornehmen. Er kommt nach der Fahrt in die Fabrik zurück und meldet, was er an dem Wagen bemerkt hat. Die notwendigen Änderungen nimmt man dann in der Fabrik selbst vor, während der Einfahrer sich bereits mit einem anderen Wagen längst wieder auf der Tour befindet.“

Werkzeugbau im Grazer Puchwerk
Werkzeugbau im Grazer Puchwerk
Halbautomat zur Vorarbeit von Teilen, die dann weiter verarbeitet wurden.
Halbautomat zur Vorarbeit von Teilen, die dann weiter verarbeitet wurden.

Lehrwerkstätten#

Das macht selbst dem interessierten Laien anschaulich, daß die Produktion zunehmend ausdifferenziert, folglich auch rationalisiert wurde. Um in diesen Zusammenhängen voranzukommen, war ein größeres Angebot an höher qualifizierten Arbeitskräften dringend nötig. Für die sorgte man bei Puch nun selbst.
Den authentischen Rest der damals neuen Halle können Sie noch heute in Graz sehen.
Den authentischen Rest der damals neuen Halle können Sie noch heute in Graz sehen.

Zitat: „Ein ernster Herr mit goldener Brille und einem etwas schulmeisterhaftem Aussehen hat hier eine Anzahl von Lehrlingen unter seiner Leitung. Diese Abteilung ist gänzlich getrennt von der übrigen Fabrik, die Kinder kommen mit den Arbeitern in keine Berührung. Der Leiter ist ein erfahrener Fachmann, der lange Zeit in Amerika und in Deutschland tätig war. Seine Aufgabe ist es, aus dem ihm anvertrauten Material Präzisionsarbeiter zu machen. Es ist eine Art Schule, und deshalb werden auch Kinder aus besseren Häusern hier untergebracht.“

Ich werde in dieser gesamten Schilderung sicher öfter auf das händische Feilen von Stahl kommen, das bis heute Teil der Ausbildung zu einschlägigen Berufen ist, obwohl es in der Praxis mit Maschinen erledigt wird und für die Produktion nicht mehr wichtig ist.

Diese aus dem alten Handwerk stammende Praxis, sich physisch und mental mit seiner Materie vertraut zu machen, wurde in jenem 1913er Bericht ausdrücklich erwähnt: „Die kleinen Arbeiter müssen sich ihre Werkzeuge selbst machen, sie sind mit Lust und Liebe bei der Sache. Diese Einrichtung wird sicher, wenn auch nicht in allernächster Zeit. gute Früchte für die Firma tragen.“

Die zwei Deutungen#

Man kann, wie erwähnt, die Elektrifizierung von Städten und Betrieben als Merkmal der zweiten Revolution deuten. Das geschah noch im 19. Jahrhundert. Mein bevorzugtes Narrativ handelt vom frühen 20. Jahrhundert und einer enormen Automatisierungswelle. Siehe dazu die Notiz „Verschiedene Erzählungen“ (Was begründet die Zweite Industrielle Revolution?)
Den authentischen Rest der damals neuen Halle können Sie noch heute in Graz sehen.
Den authentischen Rest der damals neuen Halle können Sie noch heute in Graz sehen.