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Vom Kellerraum zum Kleinod #

Die nun wiedereröffnete Virgilkapelle unter dem Stephansplatz diente in ihrem früheren Leben verschiedenen Zwecken. #


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 11. Dezember 2015) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alexander Maurer


Virgilkapelle unter dem Stephansplatz
Virgilkapelle unter dem Stephansplatz
Foto: © Kollektiv Fischka/Kramar mit Sabine Wolf Wien.

„Die Ironie bei archäologischen Funden ist, dass sie erst zu verfallen beginnen, wenn man sie ausgräbt“, erklärt Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums gegenüber der „Wiener Zeitung“. Der Virgilkapelle unter dem Stephansplatz erging es nicht anders. Seit ihrer Wiederentdeckung beim UBahnausbau 1973 drohte durch Bodenfeuchtigkeit ausgelöste Versalzung, die Wandmalereien zu zerstören. Ein Wasserrohrbruch im Jahr 2008 führte dann zur unbefristeten Schließung – aggressiver und für Menschen giftiger Schimmel hatte die Wände des Gewölbes überzogen. Es dauerte Jahre, die für die Mauern perfekte Luftfeuchtigkeit und eine Lösung für die nötige Klimatisierung zu finden. Jetzt ist das Bauwerk, das über 800 jahre Stadtgeschichte überlebt hat, wiedereröffnet worden – Ausstellung inklusive.

Ursprünglich ein Stützgewölbe #

Die Virgilkapelle ist Zeugnis eines Baubooms im von den Babenbergen regierten Wien. Mit dem- Lösegeld aus der Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz wurde Wien um mehr als das Doppelte vergrößtert und der bis dato außerhalb stehende Stephansdom ins Stadtzentrum gerückt. Aber wieso eine Kapelle zwölf Meter unter der Erde bauen – für mittelalterliche Verhältnisse ein enormer Aufwand –, sodass sie nur über Leitern erreichbar war? „Die Kapellenpfeiler wurden wahrscheinlich um 1220 als Punktfundamente für eine frühgotische Kirche gesetzt, die oben am Platz stand. Die logischste Erklärung für die tiefen Grabungen ist jene, dass man damals versucht hat, auf den stabilen Schotteruntergrund zu kommen“, erklärt Ausstellungskuratorin Michaela Kronberger. Auch die halbrund ausgemauerten Nieschen dienten dazu, die darüber befindliche Maria- Magdalena-Kapelle abzusichern. „Dass dieser Raum so groß geworden ist, war eigentlich reiner Zufall. Einige Jahre später hat man sich dann wohl dazu entschlossen, ihn lithurgisch zu nutzen und die Wände mit Radkreuzen zu verzieren“, so Kronberger.

Beinhaus und Privatkapelle #

Als der Stephansdom im 14. Jahrhundert erweitert werden sollte, musste der alte Karner, Aufbewahrungsort der Gebeine aufgelassener Gräber des Stephansfriedhofs, weichen. Als neue Stätte für die Toten wurde in der Virgilkapelle ein Zwischengeschoß eingezogen und als Beinhaus verwendet. Die einflussreiche Tuchhändlerfamilie Chrannest nutzte die unteren Kellerräume als Gedächtniskapelle. Zur Innenausstattung gehörte auch ein Altar für den Heiligen Virgil, weshalb man sich bei der Wiederentdeckung des Gewölbes 1973 für seinen heutigen Namen entschied.

Als die Maria-Magdalena-Kapelle 1781 komplett abbrannte, füllte man laut Michaela Kronberger die Virgilkapelle mit dem Schutt der Ruine auf. 1939 stieß man bei Bauarbeiten auf das Gewölbe, es geriet aber wieder in Vergessenheit. Bei ihrer endgültigen Wiedererweckung 1973 mussten jedoch nicht nur eine Rundbogennische, sondern auch Sichtfenster, die Neugierigen ab dem Mittelalter von der Magdalenenkapelle aus den Blick hinab ins Gewölbe ermöglicht hatten, dem U-Bahnschacht weichen.

Wiener Zeitung, Freitag, 11. Dezember 2015


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