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Der große Johannes Kepler und das kleine Städtchen Weil der Stadt#

Sein Geburtsort bei Stuttgart#


Von

Günther Jontes

Die Aufnahmen wurden vom Verfasser in den Jahren zwischen 1985 und 1992 gemacht. Sie sind Teil des Archivs „Bilderflut Jontes“


Weil der Stadt bei Stuttgart war eine der kleinsten Reichsstädte im Heiligen Römisch-deutschen Reich. Dieser Begriff besagt, dass sie keinem Grundherrn unterstand, sondern mit ihrer Bürgerschaft autonom im Städtekollegium des Reichstages vertreten war. Kein Landesfürst zählte sie zu seinen Untertanen, allein das Pfarrwesen unterstand dem Bischof, zu dessen Diözese sie gehörte. Dieser Zustand endete erst mit dem Jahr 1803. Heute liegt Weil im deutschen Bundesland Baden-Württemberg.

Die Siedlung gelangte 1191 an die Staufer, unter denen sie noch vor 1241 zur Stadt erhoben und um 1275 reichsunmittelbar wurde.

Weil der Stadt bei Stuttgart
Wappen der Stadt

Das Wappen der Stadt zeigt unter dem königlichen Adler die antike römische Definition des Gemeinwesens S(enatus) P(opulus)Q) R(omanus) / „Senat und Volk von Rom“ und gekreuzte Schlüssel und Kette als Symbole der Patrone der Stadtkirche St. Peter und Paul

Weil der Stadt hat wie kaum eine andere der kleineren Reichsstädte ihr ursprüngliches Stadtbild bewahrt. Außerhalb ihrer Stadtmauern schloss sich keine Ring von Vorstädten um sie. Man blickt wie einst über ein Vorfeld, das in die Landschaft übergeht. Selbst an die Stadtmauer im Inneren gedrückt gibt es noch bewirtschaftete Bauernhöfe. Es ist wie vor Jahrhunderten.

Bauernhof innerhalb der Stadtmauer

Bauernhof
Bauernhof
Bauernhof
Bauernhof

Blick von der Stadtmauer

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Wassergraben
Ein Wassergraben als Schutz

Wehrtürme seit ihrer Errichtung kaum verändert

Wehrturm
Wehrturm
Wehrturm

Wohlgehütete Dokumente von Gewerbefleiß und Geselligkeit sind die kunstvollen Handwerker- und Wirtshausschilder.

Schilder
Schilder
Schilder
Schilder

Weil der Stadt wird im Stadtbild durch die zahlreichen Fachwerkshäuser beherrscht. Diese Art zu bauen ist vor allem dort zu beobachten, wo Haustein und Langholz fehlt und auch Ziegelbrennen wegen mangelnder Tonlagerstätten kaum möglich ist. Im Prinzip wird auf einer gemauerten Basis ein Gerüst aus behauenen Baumstämmen in vielfacher ornamentbildender Verschränkung errichtet, dessen Zwischenräume dann durch eine Mischung aus mit Mörtel gebundenem Schotter, Ziegelbrocken und dergleichen aufgefüllt, also „ausgefacht“ werden, wie man sagt. Zwischen den dunklen blanken Holzteilen werden die geglätteten Flächen der Fassade dann mit Kalk geweißigt.

Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser
Fachwerkshäuser

In einem dieser bürgerlichen Fachwerkhäuser kam auch der größte Sohn der Stadt, der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler zur Welt.

Um den zentralen Platz gruppieren sich – manchmal sehr aneinandergedrückt – Gassen und Gässchen.

Gassen
Gassen

Johannes Kepler kam am 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt, heute in Baden-Württemberg gelegen, in diesem Bürgerhaus zur Welt. Heute enthält es das Kepler-Museum und ist Sitz der Kepler-Gesellschaft.

Auf dem Hauptplatz steht sein Denkmal, das ihn räumlich fast schon in den Himmel hebt und er dazu auch seinen Blick auf den Sternenhimmel richtet. Seine Linke stützt sich auf einen Himmelsglobus. Das Monument auf einem roten Sandsteinsockel wurde 1870 nach einem Entwurf von August v. Kreling errichtet.

Denkmal
Denkmal
Denkmal

In einer Nische steht auch sein großer Förderer Tycho de Brahe, kaiserlicher Astronom und Mathematiker, der Kepler nach Prag empfahl. Sein Standbild lässt ihn als Dänen erkennen, denn er trägt an der Brust das Kleinod den ältesten und erhabensten dänischen Ritterordens, des Elefantenordens.

Tycho de Brahe
Tycho de Brahe

Michael Maestlin, Keplers Lehrer, der in ihm das Feuer der Mathematik und der Astronomie entzündete

Weitere bronzene Ganzkörperfiguren bilden Copernicus als Begründer des heliozentrischen Weltbildes, Jost Bürger als genialen Hersteller von astronomischen Geräten und Michael Maestlin als Lehrer Keplers ab.

Die Muse der Himmelskunde Urania schwebt mit einer Himmelssphäre in der Hand vor einer schematischen Darstellung des Sonnensystems

Urania

Das erzählende Relief an der Basis des 1870 errichteten Monuments zeigt Tycho de Brahe und Kepler als Hofastronomen in Prag. Tycho hält stehend und mit Kepler redend eine Armillarsphäre, während Kepler mit Büchern an einem Tisch sitzend eine Schriftrolle vorweist. Auf dem Tisch liegen die Rudolphinischen Tafeln, eines seiner Hauptwerke. Im Hintergrund vervielfältigt eine Druckpresse bereits seine Erkenntnisse. Rechts steht beobachtend Kaiser Rudolph II., der Mentor und Schutzherr der beiden Geistesgrößen.

Denkmal
Denkmal
Denkmal

Weil der Stadt ist auch eine Stadt der Brunnen. Von der Renaissance bis in unsere Gegenwart spenden sie öffentlich das kostbare Nass und regen Schaulust und Phantasie an.

Brunnen
Brunnen
Brunnen
Brunnen
Hexen und Dämonen
Hexen und Dämonen
Hexen und Dämonen
Hexen und Dämonen
Gestalten aus dem täglichen Leben
Gestalten aus dem täglichen Leben
Gestalten aus dem täglichen Leben
Gestalten aus dem täglichen Leben

Weil der Stadt besitzt eine stattliche Pfarrkirche, die den heiligen Petrus und Paulus geweiht ist. Vor tausend Jahren befand sie sich als Eigenkirche im Besitz der Grafen von Egisheim-Calw, von denen sie an das bedeutende Benediktinerkloster Hirsau geschenkt wurde, von welchem ausgehend Reformen den ganzen Orden des hl. Benedikt erfassten.

Zwischen 1180 und 1220 entstand als älteste heute noch spürbare Bausubstanz eine romanische Basilika, der zwischen 1370 und 1388 das Untergeschoß des hochgotischen Westturmes folgte. Zwischen 1180 und 1250 wurden die beiden Osttürme gebaut. Der Turm selbst gelangte bis zu einer Höhe von 43 m und wurde dann abgeschlossen. Erst 1519 war der Umbau des Kirchenschiffes im spätgotischen Sinn vollendet. Eine umfassende Wiederherstellung musste erfolgen, nachdem 1648 die Franzosen Stadt und Kirche niedergebrannt hatten.

romanische Basilika
romanische Basilika
romanische Basilika

Hatte ein Steinmetz seine Lehrzeit abgeschlossen, so wurde er in die Bauhütte, die eine Art Zunft war, aufgenommen. Mit einem eigenen einfachen, aber unverwechselbaren Steinmetzzeichen aus geraden Strichen markierte er beim Bau seine Werkstücke, da er nach der Zahl der von ihm fertiggestellten auch entlohnt wurde. Die Zeichen an der Weiler Kirche lassen sich der Uracher Bauhütte zuordnen.

Eine namentliche Nennung eines Baumeisters findet sich am Turmsockel. Sie lautet: benczlin von haimczhin leit den ersten stain an disen turn und sin sun den obrdesten.

Steinmetzzeichen
Steinmetzzeichen
namentliche Nennung
Portalzone
Die kunstreiche Portalzone
Kirchenschiff
Das Kirchenschiff zum Hochaltar hin
Seitenschiff
Ein Seitenschiff
Sterngewölbe
Das bezaubernde Sterngewölbe, wo Architektur zum prächtigen himmelgewandten Schmuck wird
Orgel am Fronleichnamstag
Blick zur Orgel am Fronleichnamstag. Der Wald kommt in die Stadt

Das Sakramentshäuschen zur Verwahrung des Leibes Christi in Hostienform ist eher ein Tabernakel, denn das Tridentiner Konzil hatte bereits im 16. Jahrhundert angeordnet, dass das Allerheiligste im Hochaltar selber zur Anbetung aufzubewahren sei. Das Weiler „Häuschen“ ist 11 m hoch und wurde 1611 in Auftrag gegeben.

Die Kirche wurde dem Zeitgeist folgend im 18. Jahrhundert in ihrer Ausstattung barockisiert. Und wieder folgte man dem Zeitgeist im 19. Jahrhundert, als man das Barock beseitigte und glaubte, eine Regotisierung sei die Ultima ratio.

Zum Glück verschonte man dabei die prachtvolle Kanzel, eine der schönsten weitum. Wahrscheinlich stammen die Entwürfe von zwei Mitgliedern der Künstlerfamilie Götz, nämlich von Johann Valentin und Gottfried Bernhard.

Der prachtvoll figurierte Kanzelkorb zeigt geschmackvoll von Ornamenten umspielt mit Stier, Engel, Adler und Löwe die Symbole der vier Evangelisten. Im Schalldeckel, der von zwei Engeln getragen wird, schwebt die Taube des Heiligen Geistes über einer preziösen Uhr.

Sakramentshäuschen
Sakramentshäuschen
Kanzel
Kanzel
Kanzel
Kanzel

Diese gotische Pietà aus der Zeit um 1420 stand bis 1940 auf dem Hochaltar der Kirche

Um 1480 entstand diese Gruppe der hl. Anna selbdritt. Die Mutter der Gottesmutter Maria steht als junges Mädchen neben ihr. Auf dem rechten Arm sitzt das kleinkindhaft nackte Jesukind. St. Anna wurde auch als Heiliges Bergwerk bezeichnet, aus dem Maria als Silber und Jesus als Gold gekommen seien.

Pietà
Pietà
Gruppe der hl. Anna selbdritt
Gruppe der hl. Anna selbdritt

1828 wurde Weil der Stadt in das neu gegründete katholische Bistum Rottenburg eingegliedert.

In Weil der Stadt wurde 1499 auch der Reformator von Württemberg Johannes Brenz geboren. Sein Geburtshaus schmückt eine Gedenktafel.

Gedenktafel
Gedenktafel

Mittelalterliche Siedlungen kannten weder Krankenhäuser noch Altersheime im heutigen Sinn. Städte und größere Märkte hatten dafür die Einrichtung von Bürgerspitälern, wobei der Begriff Spital sich vom lateinischen Hospitium herleiten lässt, das in der Antike einfach einen Beherbergungsbetrieb bezeichnete, der Hospites, also Gäste aufnahm. Auch reiche Bürger stifteten solche Häuser und erhofften durch diese Tat, sich einen Heilsschatz für das Jenseits zu erwerben. Aufgenommen wurden entweder Leute, die sich schon vorher in das Spital oder Spittel, wie man auch sagte, eingekauft hatten. Dann war es mehr ein Altersheim. Oder es waren pflegebedürftige Gemeindearme ohne familiären Hintergrund, die man aus Barmherzigkeit versorgte. Dann kann man von einem Pflegeheim oder auch Siechenhaus sprechen.

Die einheitlich gekleideten Insassen waren verpflichtet, ständig für ihre Wohltäter zu beten und die stets dazugehörige Spitalskapelle zu besuchen. Lässigkeit wurde mit Essensentzug bestraft.

Bürgerspitäler lagen meist am Stadtrand und an einem Wasserlauf, da man für Küche, Wäsche und Pflege große Mengen Wasser brauchte. In Weil der Stadt war es nicht anders. In den fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts wurde die Gründung von privater Hand vorbereitet und 1364 dann die Spitalskapelle „Zu unserer lieben Frau“ eingeweiht, die eigentlich eine veritable kleine Kirche ist.

Bürgerspital

Das Weiler Bürgerspital war ein größerer, um einen Hof gruppierter Gebäudekomplex. Während die Kapelle ein durchgehend aus Hausteinen gefügter Bau ist, hat man die funktionalen Gebäude in der billigeren Fachwerkbauweise errichtet.

Das Schulterportal weist in die Spätgotik und die aufklappbare große Öffnung diente zum Austeilen von Suppenspenden an arme Leute.

Bürgerspital

So zeigt sich die Spitalskapelle „Unserer lieben Frau“ von außen eher bescheiden, im Inneren jedoch reich ausgestattet. Der Blick wird beim Eintreten sofort von dem spätgotischen Hochaltar gefangen, der dem Matrozinium folgend die Sippe der Gottesmutter Maria mit insgesamt achtzehn farbig gefassten Schnitzfiguren zeigt.

Spitalskapelle

Der Altar stellt eine bildliche Darstellung der sogenannten Trinubiumslegende dar. Im Zentrum steht die hl. Anna, die Mutter der Gottesgebärerin Maria. Sie soll insgesamt dreimal verheiratet gewesen sein. Ihre erste Ehe verband sie mit Joachim, von dem sie auch die hl. Maria empfing. Ihr zweiter Ehemann wurde Kleophas, ihr dritter ein gewisser Salomas. Auch von diesen beiden stammen Kinder der Hl. Anna, die im Bilde als die Heilige Sippe dargestellt werden. Der Hochaltar in der Spitalskapelle zu Weil zeigt dies besonders anschaulich und in künstlerisch hochwertiger Gestalt.

Altar
Altar

Als Ehemänner der hl. Anna sind Joachim, Kleophas und Salomas zu sehen. Links und rechts sind unten die beiden Halbschwestern der hl. Maria namens Maria Kleophas und Maria Salomas hingesetzt. Auch deren Ehemänner sind in die Sippe eingebunden. Sie heißen Alphäus und Zebedäus. Die beiden Marien haben ihre Kinder recht liebevoll auf ihren Schoß gebettet.

Auf dem rechten der 1747 entstandenen barocken Seitenaltäre werden die Vierzehn Nothelfer gezeigt.

Jakobus d. Ä., Patron der Pilger und der Pilgerfahrt nach dem nordspanischen Santiago de Compostela, zeigt sich in der Kleidung dieser Wallfahrer mit breitkrempigem Hut, darauf gekreuzte Pilgerstäbe und die bekannten Jakobsmuscheln, die auch seine Schultern schmücken, angebracht sind.

Jakobus d. Ä.
Jakobus d. Ä.

Sankt Achatius ist als Nothelfer Patron der in Todesangst schwebenden Menschen. Als Anführer der Zehntausend Märtyrer fand er unter dem römischen Kaiser Hadrian den Tod, als er mit seinen Getreuen über eine Klippe in einen Dornenhag gestürzt wurde.

Sankt Achatius
Sankt Achatius

Sankt Erasmus fand seinen Martertod, indem man seine Eingeweide mit seinem hier sichtbaren Attribut, einer Winde aus dem Leib spulte.

Sankt Erasmus
Sankt Erasmus

Sankt Eustachius ist Patron der Jäger, dem ein Hirsch mit einem Kreuz in seinem Geweih erschien. Bei uns wird dieses Patronat eher durch den hl. Hubertus vertreten.

Sankt Eustachius
Sankt Eustachius

Der linke der beiden Seitenaltäre zeigt die Zwölf Apostel, das zentrale Bildwerk im Schrein in sehr übersteigerter Weise den Abschied Jesu von seiner Mutter.

Zwölf Apostel
Zwölf Apostel

Der hl. Severus steht für sich allein. Er war der Schutzherr der Zunft der Wollenweber in Weil der Stadt.

hl. Severus
hl. Severus

In die älteste Phase der Kapelle führt ein Fresko zurück, das die sogenannten Arma Christi, die „Waffen“ Christi zeigt. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die in der Schilderung der Leiden in den Evangelien, aber auch in frommen Legenden erwähnt werden.

Um die Gestalt des leidenden Jesus gruppiert erkennt man die verschiedensten sogenannten Leidenswerkzeuge oder auch Symbole im Zusammenhang mit der Marter.

Man sieht links Lanze und Essigschwamm, erkennt die Leiter mit den Schritten Jesu , Nägel, Zange und Hammer für die Nagelung, die Säule der Geißelung, die dreißig Silberlinge des Verrates des Judas, den ungenähten Rock, um den gewürfelt wird, dazu auch noch den Kelch des Leidens und die Dornenkrone mit den beiden Stäben, mit welchen sie Jesus auf das Haupt gedrückt wurde. Eine Hand mit der Geste einer Ohrfeige soll an die Demütigungen durch die Kriegsknechte erinnern. Auch die unter dem Kreuz knienden beiden Marien sind zu sehen.

Fresko
Fresko
Fresko

Weil der Stadt war der Ausgangspunkt von Leben und Karriere Keplers. Da seine Mutter dort geblieben war, musste der Sohn auch öfter dahin zurückkehren, vor allem deshalb, weil seine zänkische Mutter mehrmals mit der Anklage, eine Hexe zu sein, konfrontiert.

Sein persönliches Horoskop, das er nach seinen eigenen wissenschaftlich-astronomischen Vorgaben errechnet hatte, beschäftigte Kepler sein Leben lang. Er hat auch daran geglaubt, wenngleich er die Astrologie nur für eine Dienstmagd der Astronomie hielt. Immerhin ließ sich auch Wallenstein von ihm eine solche „wissenschaftliche“ Zukunftsweisung erstellen.

Sein Vater war ein Abenteurer, war Söldner gewesen und hatte eine Zeit lang ein höchst unstetes Leben geführt. Eine Zeit lang war er auch am Bürgerspital in Weil der Stadt beschäftigt gewesen. Seine Mutter war eine Wirtstochter und wird als ein unerhört streitlustiges Weib beschrieben, das sogar als Hexe angezeigt wurde und dem Scheiterhaufen nur entrinnen konnte, weil ihr Sohn ihr zu Hilfe geeilt war und sie Kraft seiner Autorität als kaiserlicher Mathematicus davor bewahren konnte. Unter beiden hatte er in Kindheit und Jugend sehr zu leiden gehabt.

Immerhin schaffte er es, in Tübingen Theologie, Mathematik und Astronomie zu studieren. Dem Zug der Zeit war er Protestant, folgte aber nicht allen Lehren Luthers. Seine Konfession war ihm im habsburgisch-katholischen Milieu auch immer wieder hinderlich. Er blieb aber standhaft und konvertierte nicht.

1594 fand er eine Anstellung an der protestantischen Stiftsschule in Graz, das damals Residenzstadt der innerösterreichischen habsburgischen Erblande war. Diese Zeit wurde eine seiner fruchtbarsten und erkenntnisreichsten.

Der heutige Paradeishof in der Grazer Innenstadt, wo sich bis zur Auflösung die evangelische Stiftsschule der steirischen Stände befand. In der Gegenreformation wurde hier ein Klarissinenkloster gegründet, unter Kaiser Joseph II. aber aufgehoben. Klöster dieses Ordens führten alle den Namen „im Paradeis“, was das jenseitige erhoffte Paradies bedeutet.

Paradeishof
Paradeishof
Büste Johannes Keplers
Büste Johannes Keplers von Alfred Pirker im Grazer Stadtpark

1598 heiratete Kepler in Graz die reiche Müllerstochter Barbara Müller. Als die Gegenreformation unter Erzherzog Ferdinand, dem nachmaligen Kaiser Ferdinand II., die Steiermark erfasste, verlor Kepler seine Anstellung. Nur das Vermögen seiner Gattin hielt die inzwischen gewachsene Familie über Wasser. Noch zwei Jahre lang blieb er in der innerösterreichischen Residenzstadt und beobachtete 1600 hier auf dem Hauptplatz eine Sonnenfinsternis, bestieg auch den Schöckl, den sagenumwobenen Grazer Hausberg. Besonders davor hatte man ihn gewarnt, denn dies sei ein Teufelstanzplatz für Hexen. Er ließ sich aber nicht davon abhalten, hatte er doch hier einen besonders günstigen Platz für seine Himmelsbeobachtungen. Die Teufelsmythen hatte er längst durchschaut. Auch als er Graz den Rücken kehrte, blieb er noch in brieflichen Kontakt mit Grazer Jesuiten, waren doch führende Köpfe der Gesellschaft Jesu in ihren wissenschaftlichen Bestrebungen eng mit Mathematik, Kartographie und Astronomie verbunden.

Schließlich verließ er Graz und wandte sich nach Prag, wo er in dem dänischen kaiserlichen Mathematiker und Astronomen Kaiser Rudolfs II. Tycho de Brahe einen ihm wohlgesonnenen Förderer fand, der ihn auch als Assistenten anstellte. Kepler folgte Tycho nach dessen Tod 1601 in der Stellung bei Hof nach. 1604 konnte er hier auf Tychos Grundlagen und durch eigenen Beobachtungen und Berechnungen der Lichtbrechung durch Glaslinsen ein eigenes Teleskop entwickeln.

Nach des Kaisers Tod, der ja stets in Prag residiert hatte, wandte Kepler sich 1612 nach Linz, wo er zum landschaftlichen Mathematicus bestellt wurde.

Keplers Wohnhaus in Linz

Wohnhaus
Gedenktafel

1616 musste er auch in erwähnter Weise seiner Mutter in Weil der Stadt beistehen. Sie hatte sich nach ihrer ersten Anklage als Hexe zwar zu ihrem Sohn nach Linz geflüchtet, war aber aus Sehsucht nach der alten Heimat wieder nach Weil der Stadt zurückgekehrt, wo sie prompt wieder in der selben Causa vor Gericht gezerrt wurde. Sie blieb aber auch unter Androhung der Folter standhaft, bekannte sich nicht als Hexe und wurde nach Intervention des zu ihr geeilten Sohnes aus der Haft entlassen, starb aber bald darauf. Er war eine Last los.

1618 veröffentlichte Kepler seine Harmonia mundi, die „Harmonie der Welt“, wo er Zusammenhänge zwischen den musikalischen Tonschritten und den Planetenbahnen zu erkennen glaubte. Darin wurde auch das Dritte Gesetz der Planetenbewegungen publiziert, das da lautet: „Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die Kuben ihrer großen Bahnhalbachsen“. Bahnbrechend war Keplers Erkenntnis, dass die Planeten nicht, wie Tycho de Brahe noch meinte, in Kreisbahnen sondern in eliptischen Bahnen sich um die Sonne bewegen, in deren Brennpunkt die Sonne steht.

Der schon längere Zeit verwitwete Mann entschloss sich in Linz auch, eine zweite Ehe einzugehen und ging dabei in der Auswahl seiner zukünftigen Gefährtin sehr penibel vor. 1613 heiratete er im oberösterreichischen Eferding die Bürgerstochter Susanne Reutinger.

Gedenktafel
Gedenktafel

Nach Linz begann für Kepler und seine Familie ein ruheloses Wanderleben. Stets musste er seinen Honoraren nachjagen, hatte viele Gläubiger, die nicht zahlen wollten oder konnten und wurde auch vom Kaiser im Stich gelassen.

1616 bis 1616 hatte er in Regensburg gelebt, sich aber erst 1630 endgültig hier niedergelassen. Zuvor konnte er endlich in Ulm eine Druckerei finden, die in der Lage war, seine Rudolphinischen Tafeln zu drucken. Diese waren nach dem Auftraggeber Kaiser Rudolph II. in Auftrag gegeben worden und waren die Berechnungen über die Durchgangszeiten der Planeten, die man zur Erstellung von Horoskopen unbedingt brauchte.

Das Ulmer Rathaus mit seinen historistisch erneuerten Fassadenmalereien und der Hinweistafel auf Keplers Wirken in der Stadt mit seinem berühmten gotischen Münster

Rathaus
Gedenktafel
Wohnhaus
Gedenktafel

1630 zog er endgültig nach Regensburg und ließ sich für bleibend in einem Haus nieder. Dieses wurde auch zu seinem Sterbehaus

Sterbehaus
Sterbehaus

Kurze Zeit nach der Übersiedelung verfiel er aber in eine heftige Fieberkrankheit und starb daselbst am 15. November selbigen Jahres. Sein Leichnam wurde auf dem vor der Stadt gelegenen Petrifriedhof beigesetzt. Das Grab ist allerdings verschollen, denn bei der Belagerung der Stadt während des Dreißigjährigen Krieges wurde der Friedhof zerstört und nicht mehr belegt. Heute ist das Gelände ein schöner Park mit altem Baumbestand. Inmitten der Anlage erhebt sich seit 1808 ein Rundtempel, der nach dem Titelkupfer gestaltet wurde, den Kepler selber für den Druck der Rudolphinischen Tafeln entworfen hatte. Den Fries unter der Kuppel zieren die 12 Tierkreiszeichen mit ihren dazugehörigen alchimistischen Symbolen. Die Spitze überragt ein Astrolabium, ein Instrument zur Beobachtung der Sternenbahnen.

Unter der Porträtbüste zeigt ein Relief, wie Keplers Genius der entschleierten Urania ein Fernrohr reicht.

Rundtempel
Porträtbüste
Porträtbüste
Rundtempel

Ob die hier Herumlümmelnden und Müll zurücklassenden Nichtstuer ahnen, wer da in der Nähe begraben liegt? Sie, die täglich in der Zeitung das Horoskop aufsuchen, an dessen Zukunftsweisung sie meist glauben und nicht wissen, dass ohne Johannes Kepler dieser Traum von Glück und Unglück gar nicht möglich wäre.


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