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Die alte Synagoge von Graz #

Das stetige Wachstum der jüdischen Gemeinde Graz ab 1848 und der dadurch zu klein gewordene Gebetsraum im ehemaligen Veranstaltungsgebäude „Withalms Coliseum“ gaben den Anstoss zum Bau einer eigenen Synagoge, die am 14. September 1892 unter reger Teilnahme der Grazer Öffentlichkeit und der Honoratioren der Stadt Graz eingeweiht werden konnte. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Zeitschrift DAVID Nr. 117/2018

Von

Eva Doppler


Aussenansicht der alten Synagoge von Graz aus nördlicher Richtung
Aussenansicht der alten Synagoge von Graz aus nördlicher Richtung.
Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.

Die Synagoge und das ihr angeschlossene Amtsund Schulgebäude der Kultusgemeinde befanden sich am Grieskai Nr. 58. Beide wurden vom Wiener Architekten Maximilian Katscher geplant. Der Bau eines so grossen G‘tteshauses bedeutete eine immense Anstrengung sowohl in politischer als auch in finanzieller Hinsicht, war gleichzeitig aber ein deutlich sichtbares Symbol für eine hoffnungsvolle Zukunft.

Diese Zukunft wurde wie in so vielen deutschen und österreichischen Städten und Gemeinden auch in Graz in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zunichte gemacht. Die Synagoge wurde entweiht, in Brand gesteckt und in den darauffolgenden Tagen bis auf die Grundmauern zerstört. Das Grundstück wurde beschlagnahmt und gelangte 1941 in den Besitz der Stadt Graz. 1946 wurde ein Antrag auf Rückstellung eingebracht und 1950 ging das Grundstück wieder in den Besitz der Kultusgemeinde über. Bis 1969 fanden die G‘ttesdienste in provisorischen Räumen statt, dann wurde das weitgehend unversehrt gebliebene Amtshaus umgebaut und ein angemessener Betsaal gestaltet.

An der Stelle der zerstörten Synagoge selbst befand sich 50 Jahre lang eine einfache Rasenfläche, liess man Gras über die Sache wachsen, bis im Gedenkjahr/Bedenkjahr 1988 die Grundmauern der Synagoge durch Studierende freigelegt und ein Gedenkstein in deren Mitte errichtet wurden.

Seitens der Stadt Graz unter Bürgermeister Alfred Stingl entstand die Idee des Baus einer neuen Synagoge, welcher die IKG vorerst aber ablehnend gegenüber stand. Man wollte nicht auffallen, keine Angriffsfläche für Antisemitismus bieten. Erst zehn Jahre später, 1998, war die Vertrauensbasis zwischen der IKG und der Stadt gefestigt genug und die Kultusgemeinde bereit sich zu öffnen, sodass sie einem Neubau zustimmte.

Das Architektenpaar Ingrid und Jörg Mayr zeichnete für den Entwurf verantwortlich. Am 9. November 2000 wurde die neue Synagoge der IKG übergeben und in einem feierlichen Festakt eingeweiht. Wie schon 1892 nahmen hohe Vertreter aus Politik sowie Religion an der Zeremonie teil, diesmal auch ein Bischof der katholischen Kirche.

1983 wollte der Grazer Künstler Fedo Ertl als Erster ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Das Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Thema war die Freilegung eines schmalen Streifens von Ziegeln der alten Synagoge an einem Garagenbau in der Alberstrasse. Mit dem Projekt wollte der Künstler zeigen: „ Das Heute entsteht nicht nur aus dem Geist, sondern auch auf den Steinen des Gestern und wir bauen aus beidem das Morgen“.

In der Fortführung dieses Gedankens veranlassten Ingrid und Jörg Mayr die Herauslösung der Ziegelsteine aus der Garage. Diese aufwendige Arbeit wurde von Grazer Schülern und Schülerinnen im Frühjahr 1999 übernommen. Auf dem erhalten gebliebenen, freigelegten Fundament der alten wurde die neue Synagoge gebaut. Die gereinigten alten Ziegelsteine wurden als verbindendes Element zwischen Gestern und Heute sichtbar in den Neubau integriert. Die Situation in Graz, dass eine neue Synagoge am Ort einer in der Pogromnacht zerstörten Synagoge geplant und gebaut wurde, darf in Österreich als einzigartig angesehen werden.

Der Neubau ist wie die alte Synagoge ein zweigeschossiger Zentralbau mit Kuppel, welche aber nicht oktogonal, sondern in 24 Segmente geteilt ist. Der Kuppelaufbau der zerstörten Synagoge war zweischalig und ruhte auf einem mit Kupferblech gedeckten Dach. Als verbindendes Zwischenglied fungierte ein mit Oculi versehener Tambour. Maximilian Katscher orientierte sich in seinem Entwurf an der Dresdner Synagoge Gottfried Sempers und übernahm dort angewandte Stilelemente, wie eben den Zentralbau mit Kuppel, die Rundbogenfenster und die Rundbogenornamentik an der Fassade. Die Kuppel des Neubaus ist eine Stahl-Glaskonstruktion, die in 24 x 5 gegliedert ist, welche mit Anfangs- bzw. Schlussversen der Fünf Bücher Mose bedruckt sind. Auf der Kuppel ist heute wie damals der Davidstern für jedermann sichtbar angebracht. Die Last der Kuppel wird über zwölf Stahlsäulen ins Fundament abgeleitet. Diese stehen für die zwölf Stämme Israels und bilden durch ihre nach oben strebenden und sich kreuzenden, paarweisen Bögen in der Kuppel einen Davidstern.

Der Synagogenbau von 1892 wurde in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt. An allen vier Seiten befanden sich Risalite, an West- und Ostfassade jeweils raumbildend, an Nord- und Südfassade nur vorgeblendet. Die Aussenmauern des Neubaus sind wieder als Sichtziegelmauerwerk in rotem Klinker gehalten. Die damaligen Rundbogenfenster sind allerdings grossflächigen, vorspringenden Verglasungen gewichen.

Ansichtskarte Graz Grieskai
Ansichtskarte Graz Grieskai, rechts im Bild die alte Synagoge von Graz, links davon das alte Amts- und Schulgebäude der IKG Graz; undatiert, vor 1938.
Foto: Landesarchiv Steiermark, mit freundlicher Genehmigung.

Eine wesentliche Veränderung betrifft die Anordnung der Bima. 1892 befand sie sich gemeinsam mit dem Toraschrein auf einer Estrade an der Ostseite des Betsaales. Durch den Einbau einer Orgel im Chorraum oberhalb des Toraschreins wurde die einheitliche Ausrichtung aller Handlungen in der Synagoge betont. In der neuen Synagoge rückt die Bima in die Mitte. Die Bima ist ein transparenter Glaskubus, der den Blick aufs Untergeschoss freigibt. Dorthin wurde der oben erwähnte Gedenkstein aus dem Jahre 1988 versetzt und durch diese spezielle Lage in den Betsaal miteinbezogen.

Ausserdem wirkt im Untergeschoss die Beleuchtung des Obelisken durch die Öffnung bei der Bima effektvoll auf den Betrachter. Der Toraschrein befindet sich auch im Neubau auf der Ostseite. Durch das Abrücken der Bima vom Toraschrein wird die feierliche Handlung des Aushebens der Torarollen für die Lesung betont. Die Gesetzestafeln beim Toraschrein sind nicht, wie in der alten Synagoge, oberhalb der Nische angebracht, sondern bilden die Türen zur Heiligen Lade. Die fast wandhohe Mauernische für den Toraschrein wird mit einem blauen, verzierten Samtvorhang verschlossen. Das Lesepult ist im Vergleich zur zerstörten Synagoge von der Seite in die Mittelachse zwischen Bima und Toraschrein gerückt. Durch die zentrale Positionierung der Bima wird somit eine Rückbesinnung auf den gemeinschaftlichen Charakter des jüdischen Ritus signalisiert.

„Die neue Synagoge erhebt sich aus den Ruinen der alten. So bleibt die Erinnerung an die Zerstörung wach und zugleich wird durch den Neubau Zuversicht und Hoffnung ausgedrückt.“

Nachlese: Eva Doppler, Virtuelle Rekonstruktion der zerstörten Synagoge in Graz. Diplomarbeit TU Wien 2015.


Längsschnitt-Darstellung der Synagoge
Längsschnitt-Darstellung der Synagoge von Graz.
Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Innenansicht
Innenansicht. Blick von der Frauengalerie auf den Almemor.
Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Blick in den Hof der alten Synagoge von Graz
Blick in den Hof der alten Synagoge von Graz zum Haupteingang, im Hintergrund das Amts- und Schulgebäude. Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Die im Jahr 2000 eingeweihte neue Synagoge von Graz
Die im Jahr 2000 eingeweihte neue Synagoge von Graz. Foto: E. Doppler, mit freundlicher Genehmigung.
Innenansicht der alten Synagoge von Graz
Innenansicht der alten Synagoge von Graz. Perspektive vom Eingang des Hauptraumes in Richtung Toraschrein.
Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Innenansicht der alten Synagoge von Graz
Innenansicht der alten Synagoge von Graz. Perspektive vom nördlichen Seiteneingang.
Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.


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