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Plädoyer für den kritisch denkenden Menschen #

Der Paul-Watzlawick-Ehrenring der Wiener Ärztekammer ist eine Hommage an einen großen österreichischen Denker, dessen Werk im Zeitalter der Digitalisierung drastische Aktualität gewinnt. #


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von DIE FURCHE (24. November 2016)


Preisträger 2016 Der Philosoph Konrad Paul Liessmann (li.) mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring (Mitte: Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer; rechts: Hubert Christian Ehalt
Preisträger 2016 Der Philosoph Konrad Paul Liessmann (li.) mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring (Mitte: Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer; rechts: Hubert Christian Ehalt, Initiator der Wiener Vorlesungen und Kuratoriumsvorsitzender des Ehrenrings).
Foto: © Stefan Seelig

Seine „Anleitung zum Unglücklichsein“ ist auch heute noch ein Bestseller, und mit „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ hat er auf amüsante und unkonventionelle Weise erklärt, wie Täuschung funktioniert – was das Buch gerade heute, in politisch bewegten Zeiten, zu einem hochaktuellen Werk macht. Paul Watzlawick, Mitbegründer der modernen Semiotik und des radikalen Konstruktivismus, zählt zu den wichtigsten Denkern des 20. Jahrhunderts. Als weit gereister Philosoph und Sprachforscher, Psychoanalytiker und praktizierender Therapeut ist er weltberühmt geworden. Stets hat er über den eigenen Tellerrand hinausgedacht und fächerübergreifende Perspektiven vermittelt. Im März 2007 verstarb Watzlawick im Alter von 85 Jahren in den USA, wo er seit den 1960er-Jahren tätig war. Bis knapp vor seinem Tod war der gebürtige Kärntner noch an der Universität im kalifornischen Palo Alto aktiv.

Die Wiener Ärztekammer ehrt seither den großen österreichischen Denker: Seit 2008 vergibt sie jedes Jahr den nach ihm benannten Paul-Watzlawick-Ehrenring an Persönlichkeiten von internationalem Rang, die sich für den interdisziplinären Dialog der Wissenschaften und die Humanisierung der Welt einsetzen (siehe Kasten). „Paul Watzlawick ist ein Vorbild für uns – über den Tagesrand hinausschauen, den Menschen als ganzheitliches Wesen verstehen und als Teil einer Gesellschaft voller Widersprüche“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien, der den Watzlawick-Ehrenring auch als Appell an die österreichische Wirtschaft und Politik versteht: „Wir müssen in Zukunft alles tun, damit große Denker und Forscher in Österreich selbst die Voraussetzungen finden, um hier erfolgreich tätig zu sein. Wir brauchen die Intelligenz im Lande, um im globalen Wissensbewerb erfolgreich zu bleiben.“

In Form eines Möbiusbands gestaltet, hat der Ring nur eine Kante und eine Fläche, die in sich gedreht immer wieder in sich selbst übergeht. Das symbolisiert die „selbsterfüllende Prophezeiung“, bei der am Ende das angenommene Ereignis immer wieder in die Wirklichkeit übergeht, wie es Watzlawick in seinem Werk beschrieben hat. So wie die Möbiusschleife in sich selbst übergeht, verschmelzen in der Kommunikation Innen- und Außenwelt. Entworfen wurde das Objekt von Studierenden der Meisterklasse des renommierten Designers und Architekten Paolo Piva an der Wiener Universität für angewandte Kunst, die sich im Rahmen eines Wettbewerbs mit der Persönlichkeit von Watzlawick auseinandergesetzt haben. Die Preisträger werden durch eine prominent besetzte Jury ausgewählt, deren Vorsitzender der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek ist.

Bekenntnisse eines „Bildungsbürgers“#

Wie Paul Watzlawick ist auch der aktuelle Preisträger Konrad Paul Liessmann in Villach geboren. Und wie Watzlawick ist es ihm ein Anliegen, Philosophie und Geisteswissenschaften in der Öffentlichkeit zu vermitteln, den Diskurs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu befruchten. Mit Büchern wie „Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft“ (2006), „Das Universum der Dinge. Zur Ästhetik des Alltäglichen“ (2010) oder „Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung“ (2014), aber auch mit seiner ORF-Radioserie „Denken und Leben“ sowie seinen Vorträgen im Rahmen der „Wiener Vorlesungen“ ist es ihm gelungen, das Fach Philosophie in der Öffentlichkeit neu zu definieren. Liessmann, Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien, war Wissenschafter des Jahres 2006 und hat 1997 das Philosophicum Lech, ein geistiges Forum mit internationaler Strahlkraft, mitbegründet. Als einer der prononciertesten österreichischen Intellektuellen ist er bekennender „Bildungsbürger“: Seine Publikationen sind Plädoyers für den mündigen, denkenden, gebildeten, kritischen Menschen. In den Verwerfungen im anbrechenden „Zeitalter der Hypervernetzung“ (Luciano Floridi) erhalten diese Plädoyers heute eine drastische Aktualität.

Der Watzlawick- Ehrenring ist in Form eines Möbiusbands gestaltet
Der Watzlawick- Ehrenring ist in Form eines Möbiusbands gestaltet.
Foto: © Stefan Seelig

„Watzlawick hat mit seiner konstruktivistischen Theorie das digitale Zeitalter, das uns global umfasst, bereits skizziert, aber auch dessen Schwachstellen erkannt“, erläuterte Liessmann anlässlich der Preisverleihung. „Man kann nicht nicht kommunizieren – diese Grundthese ist mehr als massentauglicher Slogan. Sie zeigt die Unbedingtheit der Kommunikation als Merkmal des Menschlichen.“ Zugleich verwies der Preisträger Liessmann darauf, dass sich die Zeiten seit Watzlawicks Büchern deutlich gewandelt haben: „Ironie, Doppeldeutigkeiten und Paradoxien – seit der Antike wesentliche Ingredienzien von Lebensweisheit – haben in einer Kultur der Eindeutigkeit, die nur noch Gut und Böse, rechts und links, Richtiges und Falsches kennt, ausgespielt.“

Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft #

Der Paul-Watzlawick-Ehrenring ist deshalb auch eine Hommage an einen Forscher, der wesentlich zum gesellschaftspolitischen Diskurs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen hat und dem es wie kaum einem anderen seit Sigmund Freud gelungen ist, komplexe Sachverhalte nicht nur pointiert und allgemein verständlich, sondern auch ironisch witzig zu formulieren. Dass der Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft eine konstruktive Kraft auch im Sinne subtiler Differenzierungen entfaltet, dazu jedenfalls soll die Initiative des Watzlawick-Ehrenrings beitragen, der auch 2017 wieder verliehen wird. Die Vorbereitungen dafür sind bereits im Gange: Im Oktober ist die Jury erstmals zusammengetreten, um eine „Longlist“ zu erstellen.

„Rehumanisierung der Medizin und Fokussierung auf das Gespräch, sowohl mit den Patienten als auch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Disziplinen, ist das Motto der Ärztekammer“, so Szekeres, der auf die besonderen ethischen Komponenten im Werk von Paul Watzlawick verweist: „Seine Einstellung zum produktiven Dialog war exemplarisch positiv.“

Paul Watzlawick Ehrenring #

Der renommierte Paul- Watzlawick-Ehrenring setzt durch seine Preisträger hohe Standards. Ausgezeichnet werden intellektuelle Persönlichkeiten von internationalem Rang, die sich für Dialog und Humanisierung einsetzen. Die nächste Preisverleihung findet 2017 statt. Allgemeine Informationen zum Ehrenring finden sich auf folgender Website: www.watzlawickehrenring.at

DIE FURCHE, Donnerstag 3. September 2015