Kulturpolitik: Einladungspolitik#
(Penetranter Data Overflow)#
Von Martin Krusche#
Sie kennen das: Der Kulturreferent begrüßt das Publikum und eröffnet die Ausstellung. Dieser Akt zählt freilich nicht zu den kulturpolitischen Kernkompetenzen, sondern ist Repräsentation. Der Politiker bezieht dabei eine Gratifikation für sein Engagement: Sichtbarkeit und Sozialprestige. Das kann etwas an Lohn für kompetente kulturpolitische Arbeit sein, ist aber selbst keine kulturpolitische Arbeit, sondern Teil der Agenda eines Funktionstragenden.
Damit will ich andeuten, daß eine Kulturpolitik, die sich im Verwalten von Budgets und mit dem Eröffnen von Veranstaltungen begnügt, keine ist. Das sind beides komplementäre Ereignisse zu einer inhaltlichen Arbeit. Wo so eine Funktion in einem Gemeinderat nur vergeben wird, weil das a) Verfügungsgewalt über Geld und b) einen Prestigegewinn für die betreffende Person bedeutet, sind Kunst- und Kulturschaffende gefordert Einwände vorzubringen.
Ich kenne freilich Situationen, da solche Einwände wirkungslos bleiben, weil die Seilschaft einer Partei mehr Wirkung generiert als das Milieu der primären Kulturschaffenden in einem Gemeinwesen. Es wiegt eben hier wie dort die Frage, ob man fähig ist, wirkmächtige Mehrheiten zu bilden.
In der Steiermark lassen sich freilich auch Verhältnisse beschreiben, in denen Kunst- und Kulturschaffende sich zwar mit den Prädikaten „frei“ und „autonom“ behängen, aber dort, wo Lobbybildung gelingt, ganz konventionelle Seilschafts-Politik betreiben. Dabei werden Strategien angewandt, die wir aus der etablierten Politik des Landes kennen. Ein antiquierter Modus.
Diskursbedarf?#
Weshalb sollte ich hier erörtern, was allgemein gekannt und gewußt wird? Wer einige Jahre Praxis im Metier absolviert hat, weiß um diese Dinge. Man müßte ein Agent der Blödheit sein, um solche Details und Nuancen zu übersehen. Wir dürfen also davon ausgehen, daß eine derartige Verchnöselung des Kulturgeschehens nicht vom Himmel fällt. Wir dürfen annehmen: Menschen haben Interessen und verfolgen diese, wobei es legitim sein mag, die (Selbst-) Darstellung so zu gestalten, daß man vorzugsweise in einem günstigen Licht erscheint; auch wenn dabei verdeckte Intentionen wirksam sind. (Ich denke, das fällt unter Public Relations und letztlich unter Advertising: Werbung bis Propaganda.)Wenn wir in einem solchem Zusammenhang über Politik reden, geht es immer auch um den Zugriff auf Ressourcen und den Zugriff auf das Verhalten von Menschen. Genau darum bemüht sich jede Partei in einer repräsentativen Demokratie. Darum bemühen sich auch zivilgesellschaftliche Interessensgruppen. Das schafft naturgemäß einen kontinuierlichen Diskursbedarf. (Sonst bräuchte das Land politisch keine Res publica zu sein.)
Wovon handelt nun zeitgemäße Kulturpolitik? Was daran ist inhaltliche Arbeit, was Umsetzung und was Repräsentation? Ich möchte diese Aspekte unterschieden und beachtet sehen, weil wir sonst nicht wissen, wovon wir reden. Ich habe es gerne, wenn jemand bezüglich der Debatte solcher Themen schon einmal etwas von den Kapitalsorten gehört hat, wie sie Pierre Bourdieu beschrieben hat.
Das meint kein Finanzkapital, sondern grundsätzlich: Früchte menschlicher Anstrengungen = Kapital. Schon der kleine Überblick im Wikipedia ist dazu nützlich: „Kapitalsorten“. Es hilft uns bei der Klärung, welche Tätigkeiten welchen Zielen dienen. So mag greifbarer werden, welche Aspekte der Kulturpolitik ich aktuell gerne geklärt sehen würde. (Siehe den Link am Seitenende!)
Evidenz?#
Wo steht all das zur Debatte? Wie werden die Debattenergebnisse dokumentiert? Wo ist der Status quo Teil eines öffentlichen Diskurses, in dem ich feststellen kann, wer mit welchen Zielsetzungen welche Schwerpunkte bevorzugt?Ich vermisse solche Evidenz. Wenn ich in jüngerer Vergangenheit Funktionstragende danach gefragt habe, erhielt ich bemerkenswerte Antworten, wovon die schillerndste folgende ist: „Ach so. Das weißt du nicht? Naja, dann bist du nicht in den richtigen Verteilern.“ Das kam von einer in der Steiermark prominent aufgestellten Funktionärin, die im Dienst des Landeskulturreferenten wirkt. Ich bin so frei, das für den Ausdruck höfischer Gepflogenheiten zu halten. Es entspricht weder dem Geist einer Res publica, noch ist es ein brauchbares Beispiel für öffentlichen Diskurs. Da sollten wir kulturpolitisch doch etwas ambitionierter sein.
Übrigens! Diesen Abend wäre in Gleisdorf eine Vernissage zu besuchen. Ja, ich bin einer der Akteure dieser Angelegenheit. Wir eröffnen heute, am 30. November 2022, um 18:00 Uhr unsere Ausstellung „Die Natur Mensch. Eine Annäherung.“, was bedeutet: Monika Lafer (Malerin) und Martin Krusche (Autor) im Dialog (Feistritzwerke-STEWEAG Gmbh Gartengasse 36, 8200 Gleisdorf).
Postskriptum Seien Sie versichert, ich schicke Ihnen bezüglich dieser Session keine PN. Ich hau mich gleich noch auf die Couch, nachdem ich mir einen Kübel Kaffee gebraut hab. Die Sache geht ja in wenigen Stunden los.
- Startseite: Kulturpolitik (Eine Debatte)