Fröhlich im Fuhrpark#
(Zehn Jahre für feines Altmetall)#
von Martin KruscheEin Fahrzeug, das nicht gefahren wird, mutiert zum Stehzeug und geht kaputt. Standschäden sind eine permanente Bedrohung. Das ist einer der Gründe, warum Klassiker bewegt werden müssen. Andere Gründe sind sozialer und kultureller Natur. Es macht aber vor allem Spaß. Und wie man sieht, führt derlei Engagement manchmal quer durch die verschiedensten Milieus, Altersgruppen, Subkulturen, hat etwas Verbindendes im Kontrast.
Es gibt auf diesem Gebiet viel zu erzählen. Sei es bezüglich Fachwissen, das ebenso schnell verlorengeht, wie Standschäden auftauchen, sei es bezüglich der Alltagskultur, die sich ständig ändert. Es kann aber auch genügen, bloß ein Fan zu sein, ohne ein verzweigtes Reflexionsgeschäft daran zu heften. Schauen und staunen. Vielleicht dabei sein. Oder selber in die Youngtimerei einsteigen.
Das hat seinen Traditionen seit der Kutschen-Zeit, da der Korso zu den beliebten Veranstaltungsarten zählte. Man zeigte, was man hat und was man kann. (Siehe dazu: „Blumen, Bier und Backhendl“!)
Aber auch sportliche Ereignisse wurden geschätzt. Das war freilich in aktiver Form die längste Zeit nur das Vergnügen sehr gut situierter Leute. Das Volk mußte sich auf das Schauen und Staunen beschränken.
Dies galt dann genauso quer durch die ersten Jahrzehnten des Automobilismus, reichte bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst Ende der 1950er Jahre kamen preiswerte Autos auf den Markt, mit denen eine Volksmotorisierung auf vier Rädern einsetzen konnte. Damit wäre ich auch schon beim Feld der Youngtimer, womit vor allem einmal Nachkriegsfahrzeuge gemeint sind.
Eine Grazer Liebhaber-Community führt all das in ihren Aktivitäten zusammen, den Motorsport eingeschlossen. Die „Alltagsklassiker“ zeigen, daß man den Fokus auf guter Arbeit und interessanten Fahrzeugen halten kann, statt sich in seltsamen Formen des Marken-Fetischismus gegenseitig anzuschütten, weil jemand eine andere Marke fährt als man selbst.
Hier zählt das Engagement für rollendes Kulturgut, von dem nicht alle, aber doch viele Fahrzeug durchaus noch alltagstauglich sind. Dabei kann man in diesem Kreis das ganze Spektrum zwischen Originaltreue und kühnem Customizing finden. Das heißt unter anderem, technisches Verständnis, Handfertigkeit und stellenweise feines Geschick im Gestalten wirken zusammen. Es wird restauriert, auch modifiziert.
Da man hier von einer aktiven Youngtimer-Szene sprechen kann, die sich im Jahreslauf zu allerhand Veranstaltungen und Geselligkeiten zusammenfindet, eine Gruppe, die ihre Codes hat, Accessoires, Fan-Artikel, zugleich aber auch in Bildern und Texten aufarbeitet, worum es geht, habe wir es da mit einem fein entwickelten kulturellen Segment zu tun, das historische betrachtet als ein Beispiel für „Volkskultur in der technischen Welt“ gelten muß. Dabei fällt auf, daß zwar durchaus Professionals verschiedener Branchen zu dieser Szene gehören, aber der größte Teil sind Amateure, die sich ihre Kompetenzen zur Klassiker-Pflege außerberuflich erarbeitet haben.
Nun hat Micky Tieber, Frontman dieser Gruppierung, zum zehnjährigen Bestehen der „Alltagsklassiker“ einen „Blick zurück“ verfaßt. Damit illustriert er auch, daß der Blog dieser Gemeinschaft vorzüglich gemacht ist und ein wachsendes Publikum hat. Wir wissen alle, wie schnell menschliches Wissen verloren geht. Dabei erweist sich solche Art der Dokumentation als nützlich; mindestens, weil sie anderen Menschen Anknüpfungspunkte bietet und weil sie auch Erinnerungen auslöst.
Immerhin war das Automobil im 20, Jahrhundert geradezu ein Generalfetisch dieser Gesellschaft geworden und der individuelle Besitz eines Kraftfahrzeuges wurde zum sozialen Statement. Darüber hinaus wurden mindestens ab den 1970ern endlose Halden preiswerter Gebrauchtfahrzeuge zur Quelle eines Basismaterials für vielfältige Kreativität. Autos entwickelten sich unter anderem zu kunsthandwerklichen Medien, die außen originelle Gestaltung nahelegten und innen technisches Geschick forderten.
So ist das bis heute bei all jenen Kraftfahrzeugen, deren Technik mit konventionellem Werkzeug beherrscht werden kann. Es ändert sich inzwischen freilich und diese Ära endet, abgelöst von einer Flut der Maschinen, die zunehmend verkapselt sind und wenn überhaupt, dann nur mit teuren Spezialwerkzeugen angefaßt werden können. Außerdem überbordet die Elektronik in den Autos schon längst die Mechanik. Diese Youngtimer-Szene steht also seit Jahren mit mindestens einem Bein tief in der Historie dieses Themas und trägt bei, Wissen zu sichern, das uns gerade entgleitet.
- Jubiläums-Text von Micky Tieber
- Siehe dazu auch: „Cruising“ (Wenn sich die Youngtimer-Szene trifft)