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Musik hören - ein persönlicher Bericht#

von Peter Hueber, 16. Jänner 2018

1: Analoges#

Meine Mutter war eine ungarische Adelige, die Familie hatte immer eine Loge in der Budapester Oper und so hat sie diese Gewohnheit, Musik zu hören, auch mir vermitteln können. Wir waren in Salzburg öfters in Konzerten, anschließend saßen wir (oft mit Hausgästen) in der Küche und plauderten über die Aufführung.

Es gab zu Hause einen Plattenspieler (mit -Wechsler für 78er Scheiben), der etwas krächzte, und mein Vater spielte zum Frühstück fast immer entweder die kleine Nachtmusik [1] von Mozart oder die Wassermusik [2] von Händel. Es gab auch noch eine Benefizplatte der UNO mit Klavierstücken und eine kleinere Platte mit Wienerliedern, gesungen von Erich Kunz [3]. Das war's. Bald konnte ich alle Stücke auswendig mitsummen oder mitpfeifen.

Als ich 11 war, kamen die Eltern auf die Idee, dass wir Kinder Violine spielen lernen sollten. Es gab in der Schule Unterricht dafür. Geübt habe ich zu Hause im Kinderzimmer. Durch die geschlossene Türe konnte die Mutter mein schräges Gejaule auf den Saiten hören: aha, der Bub übt. In Wirklichkeit hatte ich einen Kriminalroman auf die Noten gelegt und beim „Üben“ gelesen. So lernte ich zwar nicht die Geige spielen, aber das Krimilesen.

Ab 15 Jahren habe ich Nachhilfestunden gegeben und ganz gut verdient, da konnte ich mir ein Minerva Radio leisten. Der hölzerne Kasten stand im Bücherregal in meinem Zimmer, hatte eine grüne Libelle vorne drauf, zwei Außenlautsprecher und die Aufschrift "Stereo". Auch der Plattenspieler wanderte zu mir. Jetzt hörte ich neben "Peter und der Wolf" [4] auch "Peter, Paul and Mary" [5] oder "Antonio Janigro und die Zagreber Solisten" [6].

Einmal hörte ich bei einem Freund das "Oh Happy Day" [7] von Aretha Franklin mit Kopfhörern in voller Lautstärke, das war ein Erlebnis sondergleichen. Weiter ging‘s mit den ersten Frank Zappa Platten [8] und dem Jazz-Rock von "Blood, Sweat and Tears" [9] und "Chicago" [10]. So begann mein Interesse, etwas genauer in die Musik hinein zu hören.

Die Plattensammlung wuchs, die Stereoanlage übersiedelte ein paar Mal mit mir, wurde erneuert, stand schließlich in meiner Wohngemeinschaft in Graz, und plötzlich kam ich durch die Arbeit unserer Grazer Videogruppe mit Leuten in Kontakt, die entweder selber Musiker waren (so z.B. Gerd Steinbäcker von STS und Boris Bukowski mit MAGIC) oder sich sehr gut auskannten. Es gab in den 1970er Jahren in Graz ein reges Konzertleben, z.B. mit Liveauftritten von Leo Kottke [11] und Paco de Lucia, Chet Baker [12] und Vollenweider-Bardet-Valentini [13] .

Die Jazz-Akademie war ja nicht weit, aber ich hatte wenig Ahnung von Jazz. Einmal war der Jazzer und NDR-Bandleader Dieter Glawischnig bei uns im Videostudio und wir schnitten auf der Sony U-Matic mit ihm eine Aufnahme des Erzherzog Johann Jodlers von Anthony Braxton (auf Saxophon!).

Ein Wohnungsgenosse hatte eine riesige Jazzsammlung, ein richtiger Experte. Er überließ mir einmal eine Platte von John Coltrane zum Einhören, wie er sagte. Es war "Ascension" [14]. Er hat mir das Hören nicht leicht gemacht, es war kein Genuss, ich hab's einfach nicht verstanden. Jetzt muss man wissen, dass die Jazz Combos damals meist aus vier Musikern bestanden, auf dieser Platte haben zwei Quartette gleichzeitig gegen- und miteinander gespielt, das waren also 8 Musiker, die man zugleich hören konnte -- für mich eindeutig zu viel, ich hab nichts verstanden, es waren einfach "zu viele Noten".

Ich bin dann öfters zu Pop- und Jazzfestivals gefahren, nach Wiesen oder nach Velden am Wörthersee, hab mich eingehört, dazugelernt, viel Verschiedenes gehört, mehrfach beim Jazzfestival in Saalfelden alles aufgesaugt und gleich mehrere Tage dort verbracht. Im Radio hat uns Walter Richard Langer über das Jazzland in Wien berichtet und immer wieder Interessantes aufgelegt.

Mein Freund Willi hat mir Miles Davis näher gebracht, er hat gesagt, jetzt hör dir einmal "So What" [15] an, das hat einen wunderbaren Basslauf. Die Jazzwelt hat mich fasziniert und allmählich hab ich auch mehr verstanden und diese Musik schätzen gelernt. Inzwischen besitze ich rund 300 Jazz-Platten oder CDs und gehe nach wie vor gerne ins Salzburger Jazz-It oder in Wien ins Porgy & Bess. Das erwähnte „Ascension“ von John Coltrane, 40 Minuten Doppel-Quartett, kann ich jetzt hören -- es erfordert volle Konzentration, ersetzt mir aber locker den Besuch der heiligen Messe zu Ostern, ein Himmel auf Erden sozusagen.

Zurückblickend kann ich folgende Methoden empfehlen, um etwas genauer zu hören und mehr von der Musik zu profitieren:

  • Versuche, nicht nur die Hauptmelodie, sondern auch noch zwei bis drei weitere Instrumente zu hören. Das ist nicht so einfach, weil man mit der Aufmerksamkeit meistens nur bei einer Sache sein kann. Der Trick ist, schnell hin- und her zu wechseln. Im Kopf entsteht dann der Vielklang, und das ist dann ein ganz anderes Erlebnis. Manchmal kann ich drei oder vier Instrumente zugleich hören, und dann wechseln und zwei weitere dazu. Dirigenten können das noch viel besser, die hören auch 20 Solisten zugleich und haben ein phänomenales Gedächtnis. Zurück zu uns normalen Sterblichen: Du folgst der Flöte, hörst plötzlich auch die Gitarre, dann merkst du, dass es auch einen Bass gibt, und das Schlagzeug ist sowieso nicht zu überhören. Mit dem Rhythmus kommt dein System auch in Schwung, dann hörst du alles andere auch besser. Fußwippen ist erlaubt.
  • Wichtig ist natürlich, dass du deine Aufmerksamkeit auf die Musik richtest und dich nicht allzu sehr ablenken lasst. Schau beim Konzert nicht auf die Leute im Saal, sondern auf die Bühne. Es ist auch egal, was die Leute über dich denken. Wenn du optisch leicht abzulenken bist (das bin ich), mach eine Weile die Augen zu. Sofort hörst du mehr und kannst auch damit spielen, dich sozusagen beim Hören selbst beobachten. Das ist fast eine Meditationstechnik. Wenn du es ein paar Mal mit geschlossenen Au-gen geübt hast, geht es auch mit offenen Augen, man hört einfach intensiver.
  • Irgendwann hört das Zuhören dann auf, eine Bemühung zu sein und wird zum Erlebnis. Es geht alles von selber, du erlebst die Musik fast körperlich und hast auch wirklich Spaß dabei. Und kommst nebenbei auf immer mehr Sachen drauf, merkst die Feinheiten, erkennst Zitate, verstehst die Späße, usw. Wenn du ganz selten einmal einen Joint rauchst, kann das Erlebnis dadurch verstärkt werden, aber Vorsicht: nicht übertreiben, sonst merkst du bald nur mehr dich selber und hörst von der Musik nichts mehr (Anmerkung: I didn't inhale).
  • Hinschauen auf die Musiker ist gut, wenn du den Ton eines Instruments genauer kennenlernen willst. Man kann ja sehen, wann die Bratschen spielen oder welche Töne eine Oboe oder eine Klarinette produzieren. Trompeten klingen anders als Posaunen, den Unterschied in der Spielmechanik kann man sehr gut sehen. Die Kameras der Fernsehübertragungen von Konzerten beobachten übrigens sehr gut - hinschauen!
  • Hör dir einmal eine Orchesterprobe an. Ich war einfach hingerissen von der Probe auf Schallplatte von Smetanas Moldau mit Ferenc Fricsay [16] : da kann man erfahren, welche Effekte man mit den Bläsern erzielen kann, welche Bilder ein Musiker im Kopf haben soll, usw. -- und erleben, wie toll das ist, was dabei herauskommt.
  • Es muss laut genug sein. Im Konzert ist es das sowieso. Zu Hause hast du mehr von der Musik, wenn du schön laut aufdrehst. Dann hörst du auch die Neben- und Zwischentöne, die beim Kaufhaus-Level verloren gehen. Also: keine Rücksicht auf die Nachbarn, oder besser: sie zum Mithören einladen!
  • Ja, und natürlich sind Wiederholungen die Basis allen Lernens. Meine Lieblingsstücke habe ich 20- bis 50-mal gehört, dann kenn ich natürlich jede Note und kann die Feinheiten besser genießen. Vom Rosenkavalier habe ich z.B. drei Aufzeichnungen, z.B. [17] von den Carmina Burana 5, z.B. [18]. Dann findest du schnell heraus, warum Carlos Kleiber so emotional wirkt, warum Welser-Möst immer wie Kirchenmusik klingt oder dass dich Lucia Popp immer wieder bis zum Weinen rühren kann (egal ob als Gretl in Hänsel und Gretel [19] oder als Sophie im Rosenkavalier). Das Vibrato von Karl Ratzers Gitarrenfingern, z.B. in [20] kann man schnell erkennen und genießen und einen Archie Shepp hör ich in jeder Jazzsendung sofort heraus, sein etwas schräges und sehr emotionales Altsax (z.B. in "Mama Rose: Contracts" [21] ) ist einfach unverwechselbar.

2: Digitales#

Ich muss nicht immer die Neuerscheinungen besitzen und höre meine Lieblingsmusik gerne öfter. Daher hat ein bezahlter Streamingdienst wie z.B. „Ti-dal“ oder „Qobuz“, wo es gegen Gebühr viel Neues zum Downloaden gibt, bei mir wenig Sinn.

Damit ich meine (natürlich eigenen) CDs bequem ohne Plattenwechseln hören kann, hab ich die wichtigsten auf einen USB-Stick kopiert. Der Onkyo Receiver meiner Stereoanlage hat einen USB-Eingang und ich kann über die Fernbedie-nung jetzt alle Titel, Komponisten und Nummern finden und brauch nicht mit den CDs herumhantieren und alle 30 Minuten wechseln. Voraussetzung war natürlich, dass das in CD-Originalqualität geht, also ohne Verluste durch Komprimierung. Das in vielen Download-Börsen übliche Format MP3 ist übrigens nicht zu empfehlen, es ist komprimiert und klingt nicht so lebendig.

Das geht so, in Stichworten:

  • Einen USB Stick mit mindestens 64 GB kaufen, 128 GB ist natürlich besser und reicht für gut 2000 Musiknummern. Er wird mit exFAT formatiert sein. Die älteren Receiver vertragen aber nur das FAT32 Format. Mit Windows 10 kann man leider nicht mehr auf FAT32 umformatieren, das geht nur mit einer kleinen Gratissoftware, z.B. mit „Rufus“ oder „HP USB Disk Format Storage Tool“.
  • Die Software „Media Monkey“ kaufen (günstig), installieren. Damit kannst du von jeder CD gleich die Titel und Namen von einer Web-Datenbank oder von Amazon runterladen, die du ja dann auf dem Dis-play des Receivers oder am I-Pad sehen willst. Verwende das Format "flac", das ist verlustfrei, eine Komprimierung kann man frei wählen.
  • Der Reihe nach alle CDs so einlesen und auf ein Verzeichnis im Notebook laden. Dann kannst du alles in einem auf deinen Stick kopieren und los geht's.

Du hast dann alle aktuellen Nummern auf dem Stick und eine Kopie auf dem PC. Die CDs kann du ja bei Gelegenheit verschenken und jemand anderem eine Freude machen.

Musikkostproben#

[1] Mozart: Eine kleine Nachtmusik
[2] Händel: Wassermusik
[3] Erich Kunz: Wienerlieder
[4] Prokofjev: Peter und der Wolf
[5] Peter, Paul and Mary
[6] Zagreber Solisten
[7] Aretha Franklin: Oh Happy Day
[8] Frank Zappa: Absolutely Free
[9] Blood, Sweat and Tears
[10] Chicago
[11] Leo Kottke
[12] Chet Baker/Wolfgang Lackerschmidt
[13] Vollenweider-Bardet-Valentini, Poesie und Musik (Heine)
[14] John Coltrane: Ascension
[15] Miles Davis: So What
[16] Smetana: Die Moldau, Fricsay (Probe und Aufführung)
[17] R. Strauß-H.v.Hofmannsthal: Der Rosenkavalier
[18] Carl Orff: Carmina Burana
[19] Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel
[20] Karl Ratzer: Bayou
[21] Archie Shepp/Jasper Van’t Hof: Mama Rose (Contracts)