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Wesen aus Mensch und Tier#

US-Behörde will Forschung zu Chimären mit öffentlichen Geldern finanzieren.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 19. August 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Halb Mensch, halb Tier: Bald könnte es Steuergelder für Forschung an Mischwesen geben., Foto: © Am. Int. Pictures
Halb Mensch, halb Tier: Bald könnte es Steuergelder für Forschung an Mischwesen geben.
Foto: © Am. Int. Pictures

Miami. (afp/est) Und nun soll sie wahr werden, die Insel des Doktor Moreau. Zumindest in Ansätzen. In dem Roman von H. G. Wells verwandelt ein Biologe Tiere in menschenähnliche Mischwesen, Chimären genannt. Heraus kommen mehr oder weniger menschlich aussehende Lebewesen, die zum "Tiervolk" gehören. Reale Ansätze genau dazu könnten demnächst in US-Labors verfolgt werden.

Die National Institutes of Health (NIH), Amerikas größte staatliche Agentur zur Förderung von Grundlagenwissenschaft, will Forschung, bei der Tier-Embryos mit menschlichen Zellen versehen werden, finanzieren. Das sieht ein Vorschlag der NIH vor, der nun öffentlich diskutiert werden soll.

Laut dem Papier sollen künftig Forschungsprojekte finanziert werden, die menschliche pluripotente Stammzellen in Embryonen bestimmter Tierarten einschleusen - darunter auch Experimente, die das Tiergehirn am Anfang des Lebens mit menschlichen Zellen substanziell verändern.

Welche Aktivitäten konkret gefördert werden, soll ein interner Steuerungsausschuss überwachen. "Ich bin zuversichtlich, dass die vorgeschlagenen Änderungen in unserem Förderprogramm es der Forschergemeinde ermöglichen, dieses vielversprechende Forschungsgebiet verantwortungsvoll nach vorne zu bringen", erklärt Carrie Wolinetz, NIH-Direktorin für Wissenschaftspolitik, im Internet-Blog "Under the Poliscope".

Während die Befürworter auf einen Durchbruch bei der Erforschung von Alzheimer, Parkinson oder Unfruchtbarkeit hoffen und mit solchen "Chimären" Organe züchten wollen, verweisen Kritiker auf komplexe moralische Fragen. Noch vor einem Jahr hatte die US-Behörde nämlich ein Moratorium über derartige Forschungsprojekte verhängt, weil diese als zu kontrovers galten.

Manche Experten reagieren denn auch alarmiert auf den Sinneswandel: "Stellen wir uns vor, wir hätten Schweine mit menschlichen Gehirnen, die sich fragen, warum wir an ihnen experimentieren", sagt der der Biologe Stuart Newman vom New York Medical College: "Oder wenn wir Menschenkörper mit Tierhirnen haben, heißt es: ‚Naja, sie sind keine echten Menschen, wir können Versuche an ihnen vornehmen und Organe entnehmen‘." Er entwerfe hier zwar "extreme Szenarien", räumt Newman ein: "Aber vor nicht einmal 15 oder 20 Jahren war es noch ein extremes Szenario, überhaupt chimäre Embryonen zu erschaffen."

Newman hatte im Jahr 2005 ein Patent auf eine Mensch-Tier-Kreuzung beantragt, um zu veranschaulichen, welche Gefahren lauern. Das US-Patentamt lehnte seinen Antrag ab, was Newman als Sieg verbuchte. Nun fürchtet er, seine Warnungen könnten ungehört verhallen: "Die Leute gewöhnen sich daran. Wir haben keine Gesetze in diesem Land, die diese Sachen aufhalten würden. Meiner Meinung nach sollten wir diesen Weg gar nicht erst einschlagen."

Andere Wissenschafter verweisen auf Chancen: "Wenn wir Schizophrenie, Alzheimer und Depression weiter erforschen wollen, können wir nicht einfach an Gehirnzellen von lebenden Menschen mit diesen Krankheiten experimentieren", erklärt Robert Klitzman, der den Masterstudiengang Bioethik an der Columbia University leitet. Der NIH-Vorschlag sei ein "großer Schritt in die richtige Richtung mit gewaltigem Potenzial, Millionen Menschen zu helfen". Enorme moralische Probleme

Dennoch fordert Klitzman, auch Ethiker in das Kontrollgremium zu berufen. "Mit menschlichen Gehirnzellen müssen wir vorsichtig sein. Was wir nicht wollen, sind Mäuse oder Schimpansen, die plötzlich menschliche Eigenschaften haben", sagt er. Denn welche Rechte hätte ein solches Wesen? Wie sollte es behandelt werden? Was wäre, wenn es aus dem Labor entkäme und sich mit wilden Tieren paart?

Schon seit mehreren Jahren gibt es unser anderem Mäuse mit menschlichem Immunsystemen oder solche, denen humane Tumore eingesetzt werden. "Diese Art Forschung ist gängig", sagt der Medizinethiker Samuel Packer von Northwell Health in New York: "Es ist nicht so, als würden wir plötzlich etwas völlig Verrücktes tun." Allerdings leben solche Wesen - ähnlich wie das Klonschaf Dolly und andere geklonte Tiere - nicht sonderlich lange.

Wiener Zeitung, Freitag, 19. August 2016