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Ein liberaler Wertkonservativer #

Der Grazer Rechts- und Politikwissenschaftler Wolfgang Mantl feiert seinen 80. Geburtstag. #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: DIE FURCHE, 21. März 2019

Von

Joseph Marko, Klaus Poier und Hedwig Unger


Die jüngste Aufregung in den Medien um einen, wie wir nicht wissen, mehr oder weniger unbedachten „Sager“ des österreichischen Innenministers, dass das Recht der Politik folgen soll und nicht umgekehrt, hat einer breiteren Öffentlichkeit wieder einmal vorgeführt, dass Recht und Politik zwar verschiedene Phänomene sind, die aber weder fein säuberlich getrennt werden können noch in eins fallen, sondern für das Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat notwendigerweise in einer wechselseitigen Beziehung stehen.

Dementsprechend hat Wolfgang Mantl, zuerst als Assistent von Gustav E. Kafka an der damaligen Hochschule für Welthandel, heute Wirtschaftsuniversität Wien, dann seit 1979 als Lehrstuhlinhaber für Verfassungsrecht und Politikwissenschaften an der juristischen Fakultät in Graz, in der kontinentaleuropäischen Tradition der Staats- und Staatsrechtslehre den im 20. Jahrhundert stattfindenden Ab- und Ausgrenzungsprozess zwischen Rechtsund Politikwissenschaften nie mitvollzogen. Wolfgang Mantl hat gegen den wissenschaftspolitischen Trend der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein methodenpluralistisches Credo hochgehalten, das – von ihm selbst mit den drei Verben „beschreiben, analysieren, interpretieren“ als Wissen schaffender Prozess auf den Punkt gebracht – von „aristotelischer Neugier“ getrieben ist.

Recht, Politik – und noch viel mehr #

Von daher ist auch verständlich, dass sein gesamtes wissenschaftliches Werk, das auf zahlreiche Bücher und mehr als hundert Buchkapitel und Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften gewachsen ist, nicht nur Recht und Politik, sondern auch Geschichte, Literatur, Kultur, Sprache und Religion als Gegenstandsbereiche umfasst. Kern seines wissenschaftlichen Zugangs ist dabei immer das Problem pluralistischer gesellschaftlicher und staatlicher Ordnung geblieben, die um eine – wie er es sprachschöpferisch auf den Begriff gebracht hat – „liberale Systemkonstruktion“ kreist. Diese seine Arbeit hat auch internationale Anerkennung gebracht wie Gastprofessuren in Leiden, Fribourg und der Iwan-Franko-Universität Lemberg zeigen.

Wolfgang Mantl war und blieb immer ein auch – wie er sich im Spiegel seiner Aussagen über universitäre wie politische Freunde und Mitstreiter wohl selbstreflexiv charakterisiert hat – „liberaler Wertkonservativer“, dem Familie, katholische Kirche, ein immer für Neues und neue Menschen offener Freundeskreis und die (selbst-)kritische Diskussion wichtig gewesen sind. In diesem Sinne hat er daher sehr überzeugend in seinen Analysen von Politik, Sprache und Recht festgehalten, dass Sprache eben nicht nur ein Instrument der Kommunikation, sondern immer auch ein Mittel der „Verständigung“ im doppelten Sinne des Wortes sein muss. Von daher lassen sich die Ergebnisse seiner pluralismustheoretischen Forschungen der letzten Jahrzehnte wohl auch als Botschaft für die heutige Zeit verstehen, in der rechts- wie linkspopulistische Rhetorik nur zu oft die Erkenntnis der Notwendigkeit des Kompromisses als „Wesen“ der (liberalen) Demokratie vergessen lässt.

Zwischen Theorie und Praxis #

Seit 1999 Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hat er sich über Jahrzehnte hinaus auch große Verdienste in der Politikberatung erworben, von den Reformprozessen im „Modell Steiermark“ seit den 1960er- Jahren über den Prozess der Verfassungsmodernisierung in der Steiermark in den 1980er-Jahren mit der Einführung unter anderem des Landesrechnungshofes und des Volksrechtgesetzes bis hin zur Etablierung eines „Ethikrates“ der ÖVP 2012. Auch im universitären Bereich engagierte er sich etwa als langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Österreichischen Universitätenkuratoriums und dann als erster Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrates (2003 bis 2005).

Die größte Bestätigung für den Erfolg und die Leistungen Wolfgang Mantls zeigt sich aber wohl darin, dass er mit der von ihm etablierten „Grazer Schule der Juristenpolitologie“ eine große Zahl an „Schülerinnen und Schülern“ geprägt hat, die mit dieser hervorragenden „Bildung“ im umfassenden Sinne ein nachhaltiges und unvergleichliches Fundament für eigene Karrieren – nicht nur auf akademischem Boden – erhalten haben; die Beispiele reichen von der Präsidentin des Österreichischen Rechnungshofes (Margit Kraker) bis zum neuen Richter am Europäischen Gerichtshof (Andreas Kumin).

Die Autoren lehren und forschen in der Tradition Wolfgang Mantls am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Universität Graz

DIE FURCHE, 21. März 2019


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