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Was leistet die Nanotechnologie? #

Uwe Sleytr

Dem neugierigen Laien bietet sich ein atemberaubender Blick in die Welt der Zukunft: In den Labors der Nanotechnologen wird heute an Entwicklungen getüftelt, die morgen unseren Alltag bestimmen werden. Die Forschung bewegt sich dabei in einem faszinierenden Grenzbereich: Unter „Nanotechnologie“ versteht man die Herstellung von Materialien und Strukturen, bei denen mindestens eine Dimension im Bereich von 1–100 nm liegt (1 Nanometer ist ein Milliardstel Meter = 10-9 m, griechisch nánnos = „Zwerg“). In diesem Universum des unvorstellbar Winzigen ist alles anders: Es spielen bereits quantenphysikalische Effekte eine Rolle, die Volumeneigenschaften von Materialien treten hinter die Oberflächeneigenschaften zurück.

Der innovative, ja revolutionäre Ansatz der Nanotechnologie, als deren Vater der amerikanische Physiker Richard Feynman (Nobelpreisträger 1965) gilt, besteht darin, physikalische Gesetze, chemische Verfahren und biologische Prinzipien in Kombination miteinander so zu nutzen, dass daraus gezielt nanoskalige „Bausteine“ mit spezifischen funktionellen und häufig neuen Eigenschaften resultieren.

Nanomaterialien schlagen also häufig eine Brücke zwischen belebter und unbelebter Natur, vor allem die Nanobiotechnologie wird eine Basis- und Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts darstellen!

Schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt kommt der Nanobiotechnologie wegen ihres ausgesprochenen Querschnittscharakters und ihrer hohen industriellen Relevanz eine besondere Bedeutung zu. Das gilt sowohl für die Life-Sciences als auch die Non-Life- Sciences. Die Nanotechnologie entspricht damit grundsätzlich dem Konzept, das heute mit dem Begriff „Converging Technologies“ bezeichnet wird, d. h. die Grenzen zwischen den einzelnen Disziplinen der Forschung beginnen immer mehr zu verschwimmen. Als transdisziplinäres Forschungs- und Technologiefeld deckt die Nanotechnologie zahlreiche Bereiche noch nicht verteilter Zukunftsmärkte ab.

Einen Schwerpunkt der Forschung bilden z. B. die so genannten „Nanoröhren“ (Nanotubes), das sind Röhren mit einem Durchmesser kleiner als 100 Nanometer, also mehr als 10.000mal dünner als ein menschliches Haar! Als Materialien für diese Röhren, die 1991 vom japanischen Physiker Sumio Iijima zufällig entdeckt wurden, werden vor allem Kohlenstoff (Carbon-Nanotubes, CNTs) und spezielle Kunststoffe verwendet.

Das Besondere der Nanoröhren sind ihre herausragenden mechanischen Eigenschaften: Kohlenstoff-Nanoröhrchen haben bei einer Dichte von 1,3–1,4 g/cm³ eine Zugfestigkeit von 45 Milliarden Pascal, Stahl besitzt bei einer Dichte von 7,8 g/cm³ dagegen maximal eine Zugfestigkeit von 2 Milliarden Pascal! Weiters ist die Strombelastbarkeit rund 1000mal höher als bei Kupferdrähten.

Entsprechend großartig sind auch die Projekte, die aufgrund dieser erstaunlichen Fähigkeiten angedacht wurden: In Zukunft sollen z. B. „Weltraumlifte“ an Seilen aus Nanoröhren eine bequeme Verbindung zu den Raumstationen herstellen – so plant es jedenfalls das US-Unternehmen LiftPort Nanotech in Millville, New Jersey.

Erfolgreich angewendet wird die Nanotechnologie etwa bereits im Bereich der Halbleiterelektronik und von Oberflächenbeschichtungen, die extrem Wasser abweisend sein sollen – Ziel sind so praktische Produkte wie wasserabweisende Autolacke oder Fassadenfarben, die damit schmutzabweisend wirken und leicht zu reinigen sind; Vorbild ist der aus der Natur bei der Lotosblume bekannte „Lotoseffekt“.

Ein Schwerpunktthema der Nanobiotechnologie betrifft „Nanopartikel“ (Teilchen kleiner als 100 nm). Mit abnehmender Größe zeigen Materialien wie erwähnt oft völlig neue chemisch-physikalische Eigenschaften, ein Vorteil, der in der Medizin in vielfältiger Weise genützt werden kann: – Nanopartikel vermögen beispielsweise die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Auf diese Weise ist es möglich, Wirkstoffe zur Behandlung von Gehirnerkrankungen einzusetzen. – In Form von Nanopartikeln können Medikamente auch in Tumoren angereichert werden und deren Löslichkeit erhöht werden. – Ein besonders viel versprechendes Anwendungsgebiet betrifft die thermische Zerstörung von Tumorzellen mit Hilfe von gezielt abgelagerten Nanopartikeln, die mit Magnetfeldern oder Laserlicht erhitzt werden. – Neue Bereiche für die Nanobiotechnologie eröffnen sich auch bei der Entwicklung und Verwendung neuer Biomaterialien für Implantate (z. B. Polymer/Nanopartikelkomposite) und Knochenersatzmaterialien.

Nicht zuletzt hat auch die Lebensmittelindustrie das ungeheure Potential der Nanotechnologie erkannt: Geschmack und Farbe von Lebensmitteln sowie Lebensmittelzusatzstoffe sollen in Zukunft ihr „Design“ der Nanotechnologie verdanken. Ähnliche Vorteile erhofft sich auch die Kosmetikindustrie. Gegenwärtig werden für die Herstellung kleinster elektronischer Bauelemente so genannte „Top-down“-Verfahren (z. B. lithographische Techniken) eingesetzt. Ein Überspringen der bisherigen Grenzen der Miniaturisierung in der Elektronik und Sensorik wird aber vom Einsatz „bioinspirierterNanomaterialien“ erwartet.Dabei wird angestrebt, die nanoskaligen Strukturgrößen mit so genannten „Bottom-up“-Verfahren zu erzielen. Dazu sollen Biomoleküle und andere Nanomaterialien durch Selbstorganisation zu komplexen nanoelektronischen Schaltungen und Speichereinheiten zusammenfinden. Besonders visionär sind dabei die Ansätze, biologische Systeme (Zellen) und elektronische Baueinheiten zu echten Hybridsystemen zu verbinden. Anwendungsfelder sind neben einem breiten Spektrum von Biosensoren vor allem auch funktionelle Schnittstellen zwischen Nervensystemen (Gehirn) und Elektronik.


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
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