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Bakterien sind keine Einzelgänger#

Lebensgemeinschaft von Nitrifizierern
Lebensgemeinschaft von Nitrifizierern: Diese mikrobielle Lebensgemeinschaft mit karfiolartiger Struktur zeigt nitrifizierende Mikroorganismen, wie man sie in einer Kläranlage vorfindet. Dort tragen sie zur Entgiftung des Wassers bei.
Foto: Jan Roelof van der Meer

Teamwork: Die Zusammenarbeit von Bakterien innerhalb mikrobieller Lebensgemeinschaften gestaltet sich sehr komplex. Die Mechanismen dahinter sind noch nahezu unerforscht. Systembiologin Stefanie Widder von der Universität Wien behandelte in einem vielbeachteten Paper den wissenschaftlichen Status Quo.

Bakterien sind Einzeller, die grundsätzlich sehr einfach aufgebaut sind. Sie besitzen nicht einmal einen Zellkern, ihre DNA liegt frei im Cytoplasma. "Noch bis vor 15 Jahren glaubte man, dass es Bakterien nicht möglich ist, komplex miteinander zu interagieren", erklärt Stefanie Widder vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung: "Heute wissen wir, dass sogenannte mikrobielle Lebensgemeinschaften in unterschiedlichen Kombinationen wie ein Organismus zusammenarbeiten und so Einfluss auf ihre Umwelt haben."

Ausgangspunkt Cambridge, UK#

Die Funktionsweise der mikrobiellen Lebensgemeinschaften zu verstehen und am Computer zu modellieren, ist derzeit ein absoluter Hot Spot in der Mikrobiologie – die Forschung dazu steht noch relativ am Anfang und vor großen Herausforderungen.

Stefanie Widder nahm kürzlich an einem intensiven "Research Programm" am Isaac Newton Institute for Mathematical Sciences in Cambridge (UK) teil, das ein Semester lang ExpertInnen zum Thema aus aller Welt zusammenbrachte. "Das Programm war sehr inspirierend, es gab mehrere Konferenzen und laufende Seminare. Gerade der Austausch zwischen MikrobiologInnen, die experimentell, und jenen, die theoretisch bzw. an Modellen arbeiten, war besonders fruchtbar und hat uns viel weiter gebracht."

Erfolgreiche Publikation#

In Cambridge ist Widder dann auch die Idee gekommen, ein "Meinungs-Paper" zum aktuellen Forschungsstand und den Herausforderungen an die Zukunft zu verfassen. Das ist unter ihren internationalen KollegInnen des Research Programs auf großes Interesse gestoßen: Entstanden ist eine Publikation mit 53 Co-AutorInnen, die kürzlich im ISME Journal (Multidisciplinary Journal of Microbial Ecology) publiziert wurde.

Und das unglaublich erfolgreich: Über zwei Wochen lang war das Paper mit dem Titel "Challenges in microbial ecology: building predictive understanding of community function and dynamics" Platz 1 unter den Top 10 Downloads. Und Stefanie Widder als Erstautorin wurde von Research-Gate als die meist gelesene AutorIn des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung an der Universität Wien evaluiert.

"Ich freue mich sehr über den Erfolg und den großen Anklang, den unsere Publikation gefunden hat. Das zeigt auch ganz deutlich, dass die Erforschung der mikrobiellen Lebensgemeinschaften brandaktuell ist und uns auch in Zukunft noch sehr beschäftigen wird", so Widder:

In den Kinderschuhen#

Mikrobiologin Stefanie Widder
Die Mikrobiologin Stefanie Widder vor einem integrierten Netzwerk aus "Big Data".
Foto: Privat

Inhaltlich dreht sich das Paper um die Verquickung von experimenteller und theoretischer Forschung – diese Zusammenarbeit steckt noch relativ in den Kinderschuhen, wird aber von vielen internationalen WissenschafterInnen als der Schlüssel zum Verständnis der Lebensgemeinschaften und ihrer Dynamik gesehen. Hier setzte das Paper von Widder einen besonders wichtigen Impuls für die Zukunft. "Da Bakterien wirklich überall auf der Welt vorkommen, erstrecken sich die zukünftigen Anwendungen von der Ökologie über Medizin bis hin zu Biotechnologie", erklärt die Computermodelliererin.

Viele Krankheiten im menschlichen Organismus sind bakteriologisch bedingt. Derzeit kommen hier hauptsächlich Antibiotika zum Einsatz, doch diese schwächen nicht nur den Organismus, es kommt auch zu immer mehr Resistenzen. Hier könnte man – wird die Dynamik und Funktionsweise des bakteriellen Zusammenspiels verstanden und aufgelöst – smarter gegen Gemeinschaften solcher Krankheitserreger vorgehen und die inflationären Anwendung von Antibiotika eindämmen .

Aber mikrobielle Lebensgemeinschaften können auch durchaus positiv für Mensch und Umwelt sein. Durch den Klimawandel gehen die Permafrostböden stetig zurück, dabei werden viele bis dato eingefrorene Bakteriengemeinschaften frei gegeben. Im positiven Falle können diese vielleicht sogar die Treibhausgase reduzieren; im negativen Fall leider auch erhöhen – die Forschung ist gerade dabei das herauszufinden.

Teamplayer sind gefragt#

"Mikrobielle Lebensgemeinschaften sind komplex, aber nicht kompliziert aufgebaut", fasst Stefanie Widder zusammen: "Wichtig ist zu verstehen, dass ein einzelnes Bakterium wenig ausrichten kann. Die ganze Lebensgemeinschaft jedoch vollbringt mehr als die Summe der Einzelorganismen, kurz gesagt."

Sie selbst arbeitet zu Interaktionen: "Ich möchte die Dynamiken dahinter verstehen." Im ersten Schritt erforscht sie diese in unterschiedlichen Lebensgemeinschaften, z.B. Bakterien in der Lunge, im Darm oder im Boden. Sind die Interaktionen einmal "geknackt", können Computermodelle erstellt werden, anhand derer man dann Vorhersagen treffen kann, die wiederum anschließend im Experiment getestet werden. (td)

Das Paper "Challenges in microbial ecology: building predictive understanding of community function and dynamics" mit Stefanie Widder von der Universität Wien und 53 Co-AutorInnen wurde Ende März 2016 im ISME Journal (Multidisciplinary Journal of Microbial Ecology) publiziert. Über zwei Wochen lang rangierte es auf Platz 1 unter den Top 10 Downloads.


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