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bestehender Begriffsentwürfe also in ihrer extensionalen Weite.9 Ihre Kritik lässt
sich auf die Formel bringen: Je größer die Extension eines Begriffs, desto kleiner
ist seine Intension und umgekehrt. Daher sei das vordringliche Ziel der Frage nach
dem Medienbegriff, den Gegenstandsbereich des Medialen exakt zu bestimmen.
Der vorgeschlagene Rückgriff auf das Alltagsverständnis von Medien als Kom-
munikationsmitteln ist jedoch nicht unproblematisch. Da dieses Alltagsverständnis
sehr unspezifisch und demzufolge unterbestimmt ist, stellt sich die Frage, in welche
Richtung die Vorstellung, dass Medien Kommunikationsmittel sind, zu präzisieren
ist. Wie Sandbothe eingewandt hat, resultieren diese Bestimmungsversuche zu-
meist in der Privilegierung einer der drei von ihm identifizierten Mediensorten.
Es werden also entweder sinnliche Wahrnehmungsmedien, semiotische Kom-
munikationsmedien oder technische Kommunikationsmedien definitorisch als
primärer Bereich des Medialen ausgewiesen, »von dem her die anderen Bereiche
medientheoretisch bestimmt oder exkludiert werden« (Sandbothe 2003: 190).10
Die Definitionsvorschläge knüpfen demzufolge zwar an das Alltagsverständnis
an, stehen aber zugleich in einem Spannungsverhältnis dazu, weshalb ihnen eine
gewisse Willkürlichkeit innezuwohnen scheint.11
Das zweite Problemfeld, in dem die Frage nach dem Medienbegriff ausgedeutet
wird, zielt auf die Beschreibung des Leistungsvermögens von Medien (vgl. Krämer
2008; Mersch 2008, 2010; Tholen 2002). Hierbei steht die äußere Abgrenzung von
Medien und Nicht-Medien im Hintergrund. Zentral ist vielmehr das Problem, wie
die von Marshall McLuhan beschworene Botschaft der Medien zu denken und zu
kann. [...] Eine Medientheorie muss daher einen Begriff vorschlagen, der auf der
Grundlage nachvollziehbarer und prüfbarer Kriterien in der Lage ist, Phänomene
auszuzeichnen, die wir mit Gründen ›Medien‹ nennen können« (Vogel 2003: 108).
9 | Die Kritik von Wiesing und Vogel richtet sich beispielsweise gegen das technische
Medienkonzept Marshall McLuhans, den von Niklas Luhmann vorgeschlagenen
systemtheoretischen Medienbegriff sowie gegen Boris Groys’ phänomenologischen
Medienbegriff (vgl. Vogel 2003: 109ff.; Wiesing 2005b: 149ff.).
10 | Zumeist wird entweder die semiotische oder die technische Dimension in den
Vordergrund gerückt und Medien werden am Modell semiotischer Kommunikations-
medien bzw. am Modell technischer Verbreitungsmedien definiert (vgl. Ramming
2001: 153f.). Der Bereich des Medialen wird in zeitgenössischen Definitionen ge-
meinhin nicht oder zumindest nicht primär auf sinnliche Wahrnehmungsmedien
zurück geführt.
11 | Die Begründung eines Definitionsvorschlags mit dem Allagsverständnis von
Medien, zieht Ulrike Ramming in Zweifel. Ihres Erachtens zeigt die Geschichte
des Medienbegriffs, »dass unser derzeitiges Alltagsverständnis aufgrund seiner
Wandelbarkeit ebenfalls keinen festen Anhaltspunkt zu bieten vermag« (Ramming
2008: 253). In der 2002 erschienenen Studie Geschichte des Medienbegriffs hat
Stefan Hoffmann dessen wechselvolle Begriffsgeschichte von seiner lateinischen
Wortherkunft bis ins 19. Jahrhundert hinein nachgezeichnet (Hoffmann 2002).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242