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»Denn das Sehen kommt zustande dadurch, daß das Wahrnehmungsvermögen
etwas erleidet. Unmöglich aber direkt seitens der gesehenen Farbe: so bleibt also,
daß es seitens des Mediums geschieht, und es muß ein Medium geben; ist dieses
leer, so wird nicht nur nicht deutlich, sondern überhaupt nicht gesehen.« (Aristoteles
1966: 419a)
Zentrale Eigenschaft dieser vermittelnden Elemente ist ihre Durchsichtigkeit oder
genauer ihre Transparenz: Sie bleiben im Verlauf der Wahrnehmung selbst unsicht-
bar, denn nur dadurch ist es möglich, dass mittels des Mediums ein Anderes und
nicht vielmehr der Mittler selbst wahrgenommen wird. Aristoteles bezeichnet
diese Eigenschaft von Medien auch als Diaphanie, welche es ihnen deshalb erlaubt,
visuelle, auditive, gustatorische, olfaktorische und taktile Reize zu übermitteln, da
sie in der Lage sind »Formen ohne Materie aufzunehmen, wie das Wachs das Zei-
chen des Ringes ohne das Eisen und das Gold aufnimmt« (Aristoteles 1966: 424a).
Wahrnehmungsmedien funktionieren umso besser, je weniger sie sich im Prozess
der Vermittlung selbst zeigen, d.h. im Umkehrschluss, je transparenter sie bleiben.29
Hinsichtlich der Frage nach den Modellen der medialen Unsichtbarkeit ist bemer-
kenswert, dass Aristoteles diese am Modell der Transparenz respektive des Dia-
phanen denkt.30 Dies hat Konsequenzen für eine Theorie der Medien, die sich an
lischen Medienbegriff nicht weiter von Bedeutung sind, findet sich im ersten Kapitel
von Lindbergs Studie Auge und Licht im Mittelalter (1987).
29 | Paradoxerweise war es nicht Aristoteles selbst, der den Medienbegriff in seiner
Wahrnehmungstheorie eingeführt hat. Wie Walter Seitter (vgl. 2002: 22ff.) und
Wolfgang Hagen (vgl. 2008) gezeigt haben, findet sich der Begriff Medium nicht in
dem Originalmanuskript von Über die Seele. Es war Thomas von Aquin, der andert-
halb Tausend Jahre später bei seiner Übersetzung des griechischen Textes ins
Lateinische das Wort Medium in den Text hinein »interpoliert« (Hagen 2008: 14) hat.
Doch ganz gleich, ob wir es hier mit einem Begriff zu tun haben, der auf Aristoteles
oder auf Aquin oder sogar auf beide zurückzuführen ist, fest steht, dass in diesem
Entwurf eines Medienkonzepts die These der Unsichtbarkeit der Medien eingeführt
wurde, die hier als Funktionskriterium an die den Zwischenraum füllenden, ver-
mittelnden Elemente formuliert ist. Für die Aristotelesrezeption erwies sich Aquins
Transkription als überaus wirkmächtig und es ist letztlich auch diese Lesart, auf die
in der heutigen Medientheorie rekurriert wird, wenn Aristoteles Medienkonzept in
den Blick genommen wird. Auch wenn es sich hierbei nicht einfach um die Theorie
eines Autors, sondern um ein »Palimpsest« (Hagen 2008: 17) handelt, darf man
diesen Begriffsentwurf nicht voreilig zurückweisen. Vielmehr bleibt anzuerkennen,
dass Medien, ganz gleich ob sie so genannt wurden oder nicht, in Über die Seele
als Mitte und Mittler verstanden werden, die durchsichtig sein müssen, um etwas
Anderes sichtbar werden zu lassen.
30 | Das Transparenzmodell ist medientheoretisch ungemein einflussreich. Es findet
sich in der Bildtheorie Leon Battista Albertis, der das Bild mit einem Fenster ver-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242