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diese Transparenz zugeschrieben wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass das Trans-
parenzmodell zur normativen Unterscheidung von Medien herangezogen wurde,
wodurch die geäußerte Vermutung, dass das Modell eine normative Medientheorie
nahelegt, exemplarisch bestätigt wird.
Darüber hinaus lässt das Transparenzmodell eine weitere Interpretation zu, die
Ludwig Jäger in die Diskussion eingebracht hat. Während die normative Deutung
davon ausgeht, dass die graduelle Transparenz respektive Opazität von Medien eine
stabile Eigenschaft ist, macht sich Jäger für die Vorstellung stark, dass es sich um
Aggregatzustände handelt, die Medien im Prozess der Kommunikation abwech-
selnd einnehmen können:
»Die These [...] ist also die, dass die Transparenz des Mediums keine ›Eigenschaft‹
des Mediums ist, sondern ein Aggregatzustand, den das Medium dann annimmt,
wenn die mediatisierte Semantik als stilles Wissen kommunikativ nicht ›gestört‹
ist, ebenso wie umgekehrt die Störung kein parasitärer Defekt der Kommunikation
ist, sondern jener kommunikative Aggregatzustand, in dem das Zeichen/Medium
als solches sichtbar und damit semantisierbar wird, jener Zustand also, der, wenn
er eintritt, immer mit Remediatisierungs- d.h. Transkriptionsbedarfen, mit einer
Aktivierung ›struktureller Parasität‹ verknüpft ist.« (Jäger 2004b: 65)
In ihrem normalen Gebrauch sind Medien, so die These Jägers, transparent. Diese
Unsichtbarkeit ist jedoch keine Eigenschaft, die Medien wesensmäßig innewohnt,
sondern ein Charakteristikum funktionierender Kommunikation. Im Moment
der Störung der Kommunikation verliert das Medium seine Transparenz und wird
sichtbar. In den Augen Jägers ist dieses Nichtfunktionieren von Medien keines-
wegs dysfunktional für den Kommunikationsprozess. Ganz im Gegenteil, im Mo-
ment der Störung verständige man sich auf die Bedeutung der Kommunikate, auf
die im transparenten Gebrauch des Mediums vermeintlich unmittelbar Bezug ge-
nommen wird. Die Störung der Kommunikation und das damit einhergehende
Sichtbarwerden des Mediums bilden für Jäger also einen integralen Bestandteil im
Kommunikationsprozess, bei dem die Semantik des Gesagten bzw. Gezeigten zur
Disposition steht. Damit wird die Grundlage für den transparenten Gebrauch von
Medien überhaupt erst geschaffen. Doch auch wenn es sich bei Jägers Ansatz um
ein avanciertes Modell der Herstellung kultureller Semantik handelt, reflektiert er
weder die Implikationen, noch die Kontingenz des Transparenzmodells, anhand
dessen er die Sicht- bzw. Unsichtbarkeit von Medien denkt.
Neben das Modell der Transparenz sind in der Medientheorie des 20. Jahr-
hunderts weitere Entwürfe getreten, um die operative Unsichtbarkeit von Medien
zu denken. In den Schriften von Marshall McLuhan kommt der Unsichtbarkeits-
these ein zentraler Stellenwert zu. Provokativ und leider missverständlich hat
McLuhan seit Ende der 1950er Jahre die Notwendigkeit zur Medienforschung mit
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242