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Digitale
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stellationen im Computer gestaltet werden kann. Die Werkzeugpalette von Photo-
shop stellt den Nutzern der Software neben dem Pfadzeichenwerkzeug auch einen
Zauberstab zu Verfügung. Beide erlauben es den Nutzern, auf unterschiedliche
Weise dasselbe mit Bildern zu tun. Sie dienen dazu, Bildobjekte zu markieren, um
diese gezielt weiterzubearbeiten.3 Der Zauberstab – der Name des Werkzeuges gibt
bereits einen Hinweis – macht sich die Magie des Computers zunutze: Der Nutzer
muss das zu markierende Bildobjekt nur anklicken und der Computer berechnet
wie von Zauberhand die Umrisse des Objekts. Hierbei kommen Algorithmen zur
Berechnung der Grenzen von Objekten zum Einsatz. Gerechnet werden kann nur
mit Zahlen und so vollzieht sich diese Form der Objekterkennung auf der Ebene
der binären Repräsentation des Bildes. Die Faustregel lautet: zusammenhängende
Flächen mit gleicher oder ähnlicher Farbigkeit gehören zu einem Objekt. Das
Pfadzeichenwerkzeug hingegen folgt einer anderen Logik. Hierbei wird sich nicht
auf den Zauber des Computers, sondern auf die Fähigkeit des Nutzers zur Gestalt-
erkennung verlassen. Mit Hilfe des Pfadwerkzeugs umrandet der Nutzer das zu
markierende Objekt an der Benutzeroberfläche des Computerdisplays. Anders als in
der Tiefe des Computers, welche der Logik der Berechnung folgt, operieren Nutzer
an der Oberfläche nach ihrer eigenen Phänomeno-Logik.
Auch wenn die Möglichkeit zur programmgesteuerten Automatisierung be-
stimmter Funktionen als das spezifisch Neue an digitalen Medientechnologien er-
scheint, darf sich eine medientheoretische Analyse von Computern nicht auf diesen
Aspekt beschränken bzw. die Leistung von Computern hierauf verkürzen. Wie das
Beispiel aus dem Bereich der Bildbearbeitung zeigt, gilt es im Gegenteil der Tatsache
Rechnung zu tragen, dass mit und in Computern technische und menschliche Ver-
fahren der Auswertung respektive Interpretation von medialen Konstellationen auf
unterschiedliche Weisen miteinander verschaltet und aneinander angeschlossen
werden können. Soll beschrieben werden, wie Computer die kommunikative
Welt verändern, greift eine rein technische Beschreibung von Computern ebenso
zu kurz, wie eine Analyse, die ausschließlich die Benutzeroberflächen (Interfaces,
Präsentationsformen medialer Konstellationen) thematisiert, die den Nutzern und
ihren medialen Praktiken zugewandt sind. Hierauf hat Luhmann in seinen kurzen
und in der Medienforschung bisher kaum beachteten Bemerkungen zu den elektro-
nischen Medien hingewiesen. Darin fragt er, wie Computer zwischen der Benutz-
eroberfläche und den unsichtbar ablaufenden technischen Prozessen vermitteln
(vgl. Luhmann 1998: 302ff.).4 In dieser Hinsicht stellt der luhmannsche Ansatz eine
3 | Der Terminus Bildobjekt schließt an den im Kapitel »Medium« (S. 44ff.) einge-
führten Sprachgebrauch an und bezeichnet die phänomenal im Bild erschein enden
Objekte.
4 | Vor einem medienwissenschaftlichen Hintergrund hat Christoph Ernst verschie-
dentlich auf die luhmannsche Theorie des Computers rekurriert (vgl. Ernst 2008a;
Bauer/Ernst 2010: 164f.). Im Kontext der Soziologie wurde der Ansatz Luhmanns
bereits ausführlicher diskutiert (vgl. Esposito 1993, 2001, 2002; Baecker 2001).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242