Seite - 79 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
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Computer 79
der Informationsverarbeitung zu liegen« (Luhmann 1998: 305) scheint, reicht
ihm diese Feststellung nicht aus, um die kommunikativen Möglichkeiten des
Computers zu begrĂŒnden. Das mediale Potenzial der regelgeleiteten Informations-
verarbeitung entfaltet sich seines Erachtens im Rahmen einer fĂŒr den Computer
charakteristischen medialen Topologie:
»Vor allem aber Ă€ndert der Computer, verglichen mit dem, was in der Tradition ĂŒber
Religion und Kunst definiert war, das VerhÀltnis von (zugÀnglicher) OberflÀche und
Tiefe. [...] Die OberflÀche ist jetzt der Bildschirm mit extrem beschrÀnkter Inanspruch-
nahme menschlicher Sinne, die Tiefe dagegen die unsichtbare Maschine, die heute
in der Lage ist, sich selbst von Moment zu Moment umzukonstruieren, zum Beispiel
in Reaktion auf Benutzung. Die Verbindung von OberflĂ€che und Tiefe kann ĂŒber
Befehle hergestellt werden, die die Maschine anweisen, etwas auf dem Bildschirm
oder durch Ausdruck sichtbar zu machen. Sie selbst bleibt unsichtbar.« (Luhmann
1998: 304)
Zur Konzeptualisierung des Computers schlÀgt Luhmann vor, zwischen der
phÀnomenal zugÀnglichen medialen OberflÀche und der unsichtbaren Tiefe des
Computers zu unterscheiden, welche durch Befehle miteinander verkoppelt werden
mĂŒssen.12 Die Seite der OberflĂ€che kann als die Ebene der Interfaces betrachtet
werden, wohingegen der Begriff der Tiefe auf die Seite der technischen Daten-
und Informationsverarbeitung Bezug nimmt, die unsichtbar fĂŒr die Nutzer im
Computer ablaufen.13 Mit der Unterscheidung von OberflÀche und Tiefe beschreibt
Luhmann die mediale Topologie des Computers, welche im Anschluss an ihn als
Beobachtungs- und Analyseschema fĂŒr die Beschreibung medialer Praktiken mit
dem Computer fruchtbar zu machen ist. FĂŒr Luhmann ist in diesem Zusammen-
hang nicht nur die Differenzierung zweier Ebenen zentral, auf denen mit Formen
respektive medialen Konstellationen operiert wird, sondern auch die Frage, in
welchem VerhÀltnis diese beiden Ebenen zueinander stehen.
Das im Computer realisierte OberflÀche/Tiefe-VerhÀltnis setzt Luhmann
in Differenz zu der Art und Weise, wie dieses »in der Tradition ĂŒber Kunst und
Religion definiert war« (Luhmann 1998: 304). Die hierbei verfolgte argumentative
Strategie ist offenkundig. Luhmann will das im Computer realisierte VerhÀltnis von
OberflÀche und Tiefe ex negativo bestimmen, wobei er jedoch in problematischer
12 | Die in der Tiefe operierende Maschine braucht zumindest den Befehl, ein
bestimmtes Programm zu starten, sodass dieses dann ggf. auch automatisiert
ablaufen kann. In diesem Sinne ist bereits das Anschalten des Computers als
Befehl zu betrachten, der die Initialisierung der Hardware und den Start des
Betriebs systems zur Folge hat.
13 | Die Begriffe Daten und Information bleiben in diesem Kapitel noch weithin
unbestimmt. Im Kapitel »Banken, Basen, Reservoirs« wird die Bedeutung der Be-
griffe ausfĂŒhrlich diskutiert, S. 187ff.
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242