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Digitale
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comparationis (die Relation Buchautor mit den Fremdschüsselattributen BuchID
und AutorID) stellt im Kontext des Beispiels einen verlässlichen Zusammenhang
zwischen Büchern und Autoren her. Die spielerische Kombination und Rekom-
bination von Informationen aus der Datenbank erfordert vom Suchenden daher
eine quasi-wissenschaftliche Einstellung, welche die Suchanfrage als Experiment
begreift, deren Ergebnisse vor dem Hintergrund der Experimentalanordnung –
relationale Datenbank, konzeptuelles Datenbankschema, Anfrage – interpretiert
und auf ihre Validität (für die Welt außerhalb der Datenbank) überprüft werden
müssen. Die Ableitung von neuem Wissen aus bekannten Informationen wird
durch die Suchtechnologie unterstützt, stellt jedoch keinen Automatismus dar
und darf nicht als solcher verstanden werden.82 Es handelt sich um eine Form der
Aussagenproduktion durch den Suchenden bei der Suche in einem prinzipiell be-
grenzten Informationsbestand.83 Relationale Datenbanksysteme flexibilisieren die
nutzerseitigen Suchmöglichkeiten.
Diese Möglichkeiten beruhen auf der vorgängigen Explikation eines Infor-
mationsmodells im konzeptuellen Schema, das festschreibt, was im Rahmen einer
konkreten Datenbank als Information zählt. In Anbetracht dessen erweisen sich
die Erwartungen, die an die Suche in relationalen Datenbanken geknüpft werden,
mitunter als überzogen. Exemplarisch lässt sich dies an Beiträgen des blog genden
Kulturwissenschaftlers Michael Seemann (mspro) darlegen, nach dessen Ansicht
die Medien an ihr Ende gekommen sind und durch die Suche als primärem Modus
der Sinnproduktion abgelöst werden (Seemann 2011a). An den Anfang dieser Ent-
wicklung stellt Seemann das relationale Datenmodell und die Anfragesprache SQL:
»Die Datenbank ist flach, sie kennt keine Relevanz, keine Hierarchien, keine Zusam-
menhänge. Ordnung, Struktur und Verknüpfung entsteht erst in dem Moment, wenn
ich meine Query formuliere. In Echtzeit. [...] Mit SQL war der Startschuß gegeben für
das, was wir in der Bibliothek von Babel als neues Paradigma der Sinngenerierung
82 | Ein Beispiel hierfür ist das Entdecken ökonomischer Trends anhand von Such-
anfragen (Choi/Varian 2009).
83 | In Anbetracht dessen erweist sich Lyotards Beschreibung des Spiels voll-
ständiger Information als problematisch. Vollständigkeit ist keineswegs eine
Voraussetzung, sondern allenfalls eine Setzung, in der sich das Imaginäre digitaler
Datenbanken widerspiegelt. Zwar kann das kombinatorische Spiel mit Datenbank-
informationen durch Lyotards Vollständigkeitsannahme legitimiert werden. Jedoch
birgt dies die Gefahr von Fehlinterpretationen, wie Danah Boyd und Kate Crawford in
Reaktion auf die aktuellen Diskussionen um Big Data kritisch herausgestellt haben:
»Interpretation is at the center of data analysis. Regardless of the size of a data
set, it is subject to limitation and bias. Without those biases and limitations being
understood and outlined, misinterpretation is the result. Big Data is at its most
effective when researchers take account of the complex methodological processes
that underlie the analysis of social data« (boyd/Crawford 2011: 6).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242